Etliche Vermieter halten sich nicht an die Mietpreisbremse. Legaltech-Startups machen daraus ein Geschäft.

In vielen deutschen Städten gilt die Mietpreisbremse – und wird trotzdem von vielen Mietern nicht genutzt. Zuverlässige Statistiken gibt es nicht, doch ein Blick in die aktuellen Wohnungsangebote reicht, um festzustellen, dass sich etliche Vermieter offenbar nicht an die per Gesetz festgelegte Preisgrenze halten. In Gebieten mit Mietpreisbremse gilt: Bei einer Neuvermietung darf die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Viele aktuelle Angebote indes rangieren weit darüber. Und Mieter akzeptieren das, weil sie angesichts der Wohnungsknappheit keinen Streit riskieren wollen.

Ein aktuelles Urteil zeigt nun, dass es sich für Mieter durchaus lohnen kann, die Preisbremse zu ziehen. Das Amtsgericht Berlin Neukölln verurteilte die Vermietungsgesellschaft Gabriel International Assets Ltd zur Rückzahlung von 4.042 Euro an eine Mieterin. Die Entscheidung des Amtsgerichts liegt WELT vor.

Die Klägerin hatte den Vertrag für ihre gut 100 Quadratmeter große Wohnung in mittlerer Lage zwischen Karl-Marx-Straße und Sonnenallee im April 2017 unterzeichnet. Die Nettokaltmiete sollte 1.066 Euro betragen. Das akzeptierte die Mieterin auch, zog ein und zahlte. Bereits im Juli 2017 allerdings schickte sie der Gabriel International eine formelle Rüge. Gabriel International, eine Firma mit Sitz in London, reagierte nicht.

Startups fordern Schadenersatz in vereinfachten Verfahren

Im September nutzte die Mieterin dann das Internetportal Wenigermiete.de, das vom Berliner Startup Lexfox betrieben wird – eine Firma, die zur noch relativ neuen Gattung der Legaltech-Unternehmen gehört. Solche Unternehmen prüfen Rechts- und Schadenersatzansprüche von Verbrauchern und fordern diese in vereinfachten Verfahren ein, dann in der Rolle eines Inkassounternehmens. Auch die Plattform Flightright.de beispielsweise arbeitet so.

Über die Internetseite Wenigermiete.de fand die Mieterin in Neukölln heraus, wie hoch ihre Miete nach den Regeln der Preisbremse eigentlich hätte sein sollen: maximal 7,48 Euro pro Quadratmeter – sämtliche den Wohnwert erhöhenden Eigenschaften des Apartments bereits eingerechnet, ebenso den Zehn-Prozent-Aufschlag. Die Mietforderung lag also 43 Prozent über dem legalen Wert. Das Besondere in diesem Fall: Gabriel International verlangte auch noch eine Staffelmiete. Im Juli 2018 stieg die Nettokaltmiete auf 1.120 Euro, in diesem Jahr hätte sie auf 1.176 Euro steigen sollen, und so weiter. Auch diese Erhöhungen akzeptierte die Mieterin zunächst, weshalb die Rückzahlung insgesamt nun relativ üppig ausfällt.

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Auch auf die im September 2017 eingereichte Rüge der Lexfox GmbH reagierte Gabriel International nicht, es folgte eine Mahnung, schließlich eine Mietpreisbremsenklage sowie eine Feststellungsklage über Vertrauensanwälte. Das Urteil fällte das Amtsgericht Neukölln nun zu der Feststellungsklage. „Es herrscht das weitverbreitete Gerücht vor, dass man die Miete nicht mit der Mietpreisbremse senken kann, wenn eine Staffel- oder Indexmiete vereinbart ist“, sagt der Rechtsanwalt Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer der Lexfox GmbH. „Grund dafür ist vielleicht, dass Mieter den Eindruck haben, dass sie freiwillig Mieterhöhungen bereits vorab zugestimmt haben. Dem ist auch so, allerdings werden mit der Mietpreisbremse auch nicht Erhöhungen, sondern die zugrunde liegende Basismiete von vornherein in Frage gestellt – und nach entsprechender Prüfung gesenkt“, so Halmer.

Angeblich mehr als tausend Verfahren anhängig

Zehntausende Mieter hätten bereits über Wenigermiete.de ihre Miete geprüft, mehr als tausend Verfahren seien anhängig. Oft kommt es laut Halmer zu außergerichtlichen Einigungen. In früheren Gesprächen mit WELT hatte der Anwalt bereits häufiger den Verdacht geäußert, dass angesichts der eher laxen Mietpreisbremseregeln manche Vermieter zunächst versuchten, eine höhere Miete zu verlangen und darauf spekulierten, dass Mieter diese akzeptieren.

Die Gabriel International gehöre inzwischen zu den üblichen Verdächtigen: „Allein in Berlin sind wir von mehreren Dutzend Miethaushalten beauftragt worden, ihre Miete mit der Mietpreisbremse zu senken“ so Halmer in Bezug auf das Unternehmen. „Die durchschnittliche Überschreitung der Höchstmiete beträgt dabei gut 50 Prozent.“ Halmer vermutet dahinter eine Masche: „Die relativ hohe Anzahl von Fällen und die relativ hohe durchschnittliche Überschreitung lässt darauf schließen, dass dieses Gebaren bei Gabriel International System zu haben scheint und dieses Unternehmen unserer Ansicht nach mit einigen weiteren großen Wohnungsunternehmen zu den schwarzen Schafen der Branche gehört.“

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Halmer hält das Mietpreisbremsegesetz, geregelt in Paragraf 556 BGB, nach wie vor für lückenhaft. „Aktuell sieht das Gesetz vor, dass bei Staffelmieten für jeden Staffelzeitraum separat geprüft werden muss, auf welchen Betrag die Miete zu reduzieren ist“, sagt er. Mieter mit einem Staffelvertrag müssten also bei jedem neuen Staffelzeitraum neu vor Gericht ziehen. „Das ist auch dann noch so, wenn bereits die Ausgangsmiete, also die Miete noch vor der ersten Staffelmieterhöhung bereits eindeutig über der ortsüblichen Höchstmiete lag. Das macht die Rechtsdurchsetzung teuer und unpraktisch und legt Mietern wieder einen Stein in den Weg zu ihrer Rechtsdurchsetzung.“

Dass zu viel gezahlte Miete zudem erst ab Zeitpunkt der Rüge gezahlt werden muss, finden Mieterverbände ebenfalls unzureichend. Das verführe Vermieter weiterhin dazu, auf friedliebende Mieter zu spekulieren.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

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