Westwings Finanzchef Florian Drabeck sieht 2019 als ein Übergangsphase, in der die Firma noch einmal dazu lernen muss.

Im vergangenen Jahr brachte Gründerin Delia Lachance ihren Möbelshop Westwing an die Börse. Zum IPO im Oktober waren die Aktien 518 Millionen Euro wert. Heute sind es nur noch 65 Millionen Euro. Der Kurs ist rapide gesunken, das Unternehmen hat in der ersten Jahreshälfte schlecht gewirtschaftet

Gründerszene hat Westwing-CFO Florian Drabeck gefragt, woran das liegt. Der Finanzchef arbeitet seit 2011 bei dem Münchener Unternehmen, leitet seit sechs Jahren die Abteilung und sitzt ebenfalls im Vorstand von Westwing.

Florian, Westwing hat im ersten Halbjahr 2019 weniger Umsatz gemacht als in der ersten Jahreshälfte 2018. Wie kam es dazu?

Insgesamt war das erste Halbjahr nicht besonders stark. Sowohl über das Wachstum als auch bei der Profitabilität waren wir nicht zufrieden. Wir haben uns im Marketing nicht genügend auf die Gewinnung von neuen Kunden fokussiert. Wir hatten nicht genug Produkte mit niedrigen Preispunkten, also beispielsweise Kissen und Gläser. Artikel, die gut konvertieren. Und dann gab es auch noch länderspezifische Probleme. All diese Herausforderungen haben wir aber identifiziert und können sie jetzt beheben.

Im deutschsprachigen Raum ist der Umsatz im ersten Halbjahr gewachsen. In den anderen Märkten war Gegenteiliges der Fall. Brasilien, Russland und Kasachstan hat Westwing 2018 bereits verkauft. Das Italiengeschäft schwächelt ebenfalls. Wird Westwing noch mehr Länder abstoßen?

Nein, das steht nicht zur Diskussion. Wir fokussieren uns auf die Märkte in Kontinentaleuropa. Und wenn Westwing Marktführer in seinem Bereich sein möchte, dann sollte man auch in diesen europäischen Ländern vertreten sein.

Im vergangenen Jahr war Westwing erstmals profitabel. Von der schwarzen Null hat sich das Unternehmen in der ersten Jahreshälfte aber wieder entfernt. Wieso?

Die Profitabilität haben wir durch Fehler eingebüßt, die wir uns selbst zuzuschreiben haben, demnach aber auch selbst schnell wieder beheben können. Wir sind mit unserem größten Lagerzentrum von Berlin nach Polen umgezogen und dieser Prozess hat länger gedauert als gedacht. Infolgedessen ist der Umzug auch deutlich teurer geworden. Allein das hat Westwing etwa drei Prozent des Umsatzes auf Ebitda-Ebene gekostet.

Hätte man die Probleme nicht vorhersehen können?

Wir haben in der Vergangenheit mehrfach Lagerumzüge gemacht und die haben bisher gut funktioniert. Bei diesem Projekt gab es aber regulatorische Themen in Polen, die zu Verzögerungen geführt haben. Zum Beispiel die Feuersicherheit. Und sowas konnten wir in dem Ausmaß nicht vorhersehen. 

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Westwing will zum Jahresende wieder die Gewinnschwelle erreichen. Wie kann die Firma das schaffen?

Nach den Herausforderungen in der ersten Jahreshälfte planen wir, dass wir ab dem vierten Quartal wieder profitabel wachsen. 2018 war für Westwing eine gute Vorlage dafür, was man erreichen kann. Da war das Unternehmen im Adjusted Ebitda schon positiv für das gesamte Jahr. Das zeigt, dass wir das Potenzial haben, ein profitables Geschäft zu bauen – wenn wir gut exekutieren. Das haben wir in 2019 leider nicht mehr so gemacht und sehen das Jahr daher als eine Art Übergangsphase. Ein Jahr, in dem man seine Hausaufgaben macht und die Firma im Nachhinein besser aufstellt.

Westwing ist im Oktober an die Börse gegangen und hat 132 Millionen Euro eingenommen. Was ist mit dem Geld passiert?

Wir haben viel in Technologie investiert, um die Website zum Beispiel zu verbessern. Eigenmarken sind strategisch für uns sehr wichtig, da haben wir das Team vergrößert und das Sortiment erweitert. Außerdem haben wir unser Marketing-Team verstärkt. Zusätzlich haben wir Darlehen zurückgeführt. Ein Großteil des IPO-Geldes liegt allerdings noch auf unserem Bankkonto, im Juni waren das 78 Millionen Euro Cash.

Eure Aktie befindet sich seit dem IPO im Sinkflug. Der Ausgabepreis lag bei 26 Euro, mittlerweile ist das Wertpapier nur noch rund drei Euro wert. Was bedeutet das fürs Geschäft?

Die Aktie hat sich leider schlecht entwickelt, gegebenenfalls auch durch Überreaktionen am Markt. Wir hoffen, dass der Kapitalmarkt es honorieren wird, wenn wir wieder bessere Zahlen liefern. Andere Unternehmen im E-Commerce leiden aber auch gerade unter der allgemeinen Lage des Aktienmarktes.

Du sagst, Westwing will sein Angebot an Eigenmarken ausbauen. Wie hoch ist die Marge bei den Private-Label-Produkten im Vergleich zu Artikeln anderer Hersteller?

Der Deckungsbeitrag unserer Eigenmarken sind zehn Prozentpunkte besser. Das liegt daran, dass wir direkt mit den Herstellern zusammenarbeiten, was das Geschäft profitabler macht. Wir sammeln sehr viel Daten von unseren Kunden und können entsprechend auch selbst Produkte entwerfen.

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Bild: Westwing