Johannes von Plettenberg musste früher Anzug tragen, heute sitzt er in Jeans auf Samtsofas

Das Gerät, mit dem der Erfolg von Johannes von Plettenberg begann, ist rund, wahlweise weiß, rot oder schwarz, liegt gut in der Hand und hat einen kleinen Sauger. Es trägt den Spitznamen Orgasmuswunder. Offiziell heißt es Womanizer und ist eines der weltweit erfolgreichsten Sextoys für Frauen. Johannes von Plettenberg, Sohn eines Sektunternehmers aus dem Rheingau, hat den Womanizer nicht erfunden. Er hat ihn dem Erfinder abgekauft und damit den Grundstein einer eigenen Berliner Sextoy-Firma namens Wow Tech gelegt. 50 Millionen Euro konnte das Unternehmen 2018 umsetzen und dabei laut Gründer auch ordentlich Gewinn erwirtschaften.

Von Plettenberg ist groß, höflich, eloquent. Offen spricht er über „Klitorisstimulation“, die „Fahrt zum weiblichen Orgasmus“ und „das sexuelle Glück der Frau“. Dieser Geschäftsführer muss intim werden, das gehört zu seinem Job. Mittlerweile. „Natürlich hatte ich am Anfang ein gewisses Scham-Level“, erzählt der 38-Jährige, der nicht immer so offen über Selbstbefriedigung oder Sextoys reden musste.

„Ich habe noch nie so viel gelacht im Büro“

Seine Karriere begann von Plettenberg nach seinem Uniabschluss als Banker, nach mehreren Jahren wechselte er zum kanadischen Fahrzeughersteller Bombardier. Aus Langeweile im Job nahm er Anfang 2015 ein neues Angebot an: als Finanzchef (CFO) beim Berliner Sextoy-Startup Amorelie. Die „jugendliche Dynamik und der Mut“ der Gründer Lea-Sophie Cramer und Sebastian Pollok habe ihn begeistert. „Ich habe noch nie so viel gelacht im Büro“, erinnert sich der Wow-Tech-Geschäftsführer. 

Eigentlich gab es für ihn keinen Grund, Amorelie nach rund zwei Jahren wieder zu verlassen. Bis eines Tages das Angebot des Erfinders Michael Lenke kam. Der hatte gemeinsam mit seiner Ehefrau Brigitte ein Sextoy für die Frau entwickelt, den Womanizer. Das Paar wollte Frauen helfen, die in ihrem Leben noch nie einen Orgasmus gehabt hatten. Ihre Erfindung, die 2014 auf den Markt kam, wurde ein Erfolg: Im Jahr setzte das Paar mit dem Womanizer schließlich rund zehn Millionen Euro um, bis zum Schluss steuerten sie das Geschäft vom Wohnzimmer im bayerischen Klosterort Metten aus.

Der Womanizer ist für das Startup Amorelie ein Bestseller

Die Lenkes boten Amorelie den Womanizer zum Kauf an, das Startup war einer ihrer wichtigsten Kunden. Auf seiner Website preist Amorelie den Womanizer als Bestseller an, für Käuferinnen gibt es sogar eine „Orgasmusgarantie“ – und ansonsten das Geld zurück.

Millionen-Deal im Alleingang

Von Plettenberg und die Amorelie-Gründer Cramer und Pollok waren begeistert von dem Angebot, doch der Neueigentümer ProSiebenSat.1 blockierte. Der Manager erzählte seiner Frau von der Absage, sie riet ihm, es ohne Amorelie zu wagen. Er hörte auf sie und bekundete sein Interesse als Käufer – zunächst ohne seine Chefs darüber zu informieren. Nach vielen Verhandlungsrunden bekam er schließlich den Zuschlag für den Millionen-Deal. Woher er das Geld nahm? Von einer wohlhabenden Investorengruppe aus München, die den Womanizer ebenfalls kaufen wollte. Die Münchner gaben Plettenberg Kapital, weil sie ihm und seiner Erfahrung in dem Markt vertrauten. Bis heute gehört ihnen die Mehrheit an Wow Tech.

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Im April 2017 kündigte von Plettenberg seinen Job bei Amorelie, mit den Gründern Lea-Sophie Cramer und Sebastian Pollok ging er im Guten auseinander. Schon einen Monat später gründete er seine Dachfirma Wow Tech, mit der er bis heute den Womanizer vertreibt. Doch von Plettenberg wollte größer denken, mehr wagen. Anfang 2018, kaufte er einen zweiten Sextoy-Hersteller, der zufällig zum Verkauf stand: We Vibe aus Kanada.

Das profitable Unternehmen, das 2017 wegen einer Datenpanne Millionen US-Dollar als Entschädigung an seine Nutzer zahlen musste, stellt den gleichnamigen und nach eigenen Angaben weltweit erfolgreichsten Vibrator für Paare her. Den Kaufpreis verschweigt von Plettenberg, das Geld für die Übernahme habe ihm eine Bank geliehen. „Ein ganz klassisches M&A-Geschäft“, wie er sagt. Unterstützung von risikofreudigen Startup-Investoren, die zwar viel Geld geben, aber im Gegenzug auch ein Vielfaches ihres Investments durch einen Verkauf zurückbekommen wollen, habe es nie gebraucht.

Zwei Firmen sind nicht genug

Für von Plettenberg ist Wow Tech heute „ein klassischer Mittelständler mit Startup-Kultur“. Wieso Mittelständler? Weil Wow Tech 50 Millionen Umsatz in 2018 machen wird und dabei „hochprofitabel“ ist, wie der Gründer betont. Mehr als 40 Mitarbeiter arbeiteten in Berlin, weitere 40 in der kanadischen Hauptstadt Ottawa, wo We Vibe seinen Sitz hat. Hinzu kämen rund zehn Mitarbeiter in Hongkong.

Und wieso Startup? Von Plettenberg hat sich ein junges Team aufgebaut, viele Mitarbeiter arbeiteten wie er einst bei Amorelie, das zu seinen wichtigsten Partnern zählt. Das Durchschnittsalter ist 32 Jahre. Im neuen Büro im Stadtteil Friedrichshain wurden Tische aus hellem Holz und mit Samt bezogene Stühle aufgestellt, Pflanzen an die Decke gehängt und Sitzecken gebaut, die Mitarbeiter für Meetings und Telefonate nutzen können. Alles sieht hip und neu aus.

Läuft man in den hinteren Teil des Büros, versteckt sich dort hinter einer schweren Tür ein Labor. Hier tüfteln Mitarbeiter mit Mikroskopen, Lötkolben und Pinzetten an neuen Versionen des Womanizers und des Paar-Vibrators von We Vibe. Und damit nicht genug: Bald – eventuell schon 2019 – möchte von Plettenberg mit Wow Tech ein selbst entwickeltes Sextoy unter einer neuen Marke herausbringen. Der Geschäftsführer will in den kommenden Jahren von Ottawa aus arbeiten, in wenigen Wochen zieht er mit seiner Frau und den drei Kindern um.

Ob er jemals damit gehadert hat, Sextoys zu entwickeln und zu verkaufen? „Bevor ich bei Amorelie angefangen habe, gab es natürlich Zweifel“, sagt er grinsend. „Heute nicht mehr. Unsere Produkte machen Menschen glücklicher – so einfach ist das.“

Das hippe Berliner Büro von Wow Tech.
Das hippe Berliner Büro von Wow Tech.

Bild: Hannah Scherkamp / Gründerszene