Wie lange profitiert sie noch von dem Ketten-Trend? Gründerin Yara Jentzsch Dib hat damit bislang viel Geld umgesetzt. 

Es war viel Glück und ein bisher unentdecktes Gespür für Trends, das die Berliner Gründerin Yara Jentzsch Dib zum Erfolg führte. Nachdem ihr erstes Kind zur Welt gekommen war, wollte sie ihre Zeit „mit Wichtigerem als der Suche nach dem Handy“ verbringen, wie sie gegenüber Gründerszene erzählt. Kurzerhand kaufte sie sich eine durchsichtige Handyhülle, stach zwei Ösen durch das Gehäuse und zog ein langes Band hindurch. So konnte sie das Handy – ähnlich einer Handtasche – immer mit sich herumtragen. 

Sofort sprachen sie mehrere Freunde auf ihre einfache Erfindung an und bestellten die ersten Modelle bei ihr. Im Mai 2017 postete Jentzsch Dib das erste Bild ihrer selbstgebastelten Handykette auf dem Instagram-Kanal ihres kleinen Labels Xouxou, über das sie bis dahin geknüpfte Produkte wie Wandschmuck verkauft hatte. Schnell wurde die Handykette der Verkaufsschlager der Unternehmerin, die Kunden kamen in ihrer Wohnung in Berlin-Neukölln vorbei, um Bestellungen einzusammeln. „Damals war das Business ganz klein, ich habe mich über jeden Kunden riesig gefreut“, erzählt die 32-Jährige. 

45.000 Stück verkauft, mehr als eine Million Euro umgesetzt

Nach und nach verbreiteten sich die Handyketten von Xouxou, über Instagram und auf den Straßen. Mit einer Annonce auf Ebay Kleinanzeigen suchte die Unternehmerin im Herbst 2017 schließlich nach „bastel-affinen“ Studenten als Produktionshelfer für ihre Handyketten. Der erste richtige Boom kam mit dem Weihnachtsgeschäft 2017; von da an sei es stetig bergauf gegangen, sagt Jentzsch Dib. Ab Frühjahr habe sich die Anzahl der Verkäufe jeden Monat verdoppelt. Das Unternehmen eröffnete eine eigene Werkstatt in Kreuzberg und lagerte einen Teil der Produktion in die Berliner Mosaik-Werkstatt für Behinderte aus. 

Mehr als 45.000 Stück für je 25 Euro hat Yara Jentzsch Dib allein in diesem Jahr verkauft und damit „den Millionenumsatz geknackt“, wie sie gegenüber Gründerszene erstmals bestätigt. Ihr Freund Richard Kirschstein hat im April 2018 offiziell das Geschäft übernommen, als das zweite Kind der beiden zur Welt kam. Doch die Gründerin ist mittlerweile wieder voll involviert. „Ich bin überhaupt nicht überrascht, dass meine Handyketten zum Erfolg wurden“, sagt sie selbstbewusst und mit dem Wissen, dass es heute zahlreiche Konkurrenten gibt. „Ich bin nur überrascht, dass vor mir niemand auf die Idee gekommen ist, das richtig zu vermarkten und zu verkaufen.“

Nach den Faktoren für ihren Erfolg gefragt, nennt die Gründerin zuerst den Zeitpunkt: „Vor einigen Jahren besaß zwar schon jeder ein Handy, aber kaum jemand hatte es immer bei sich“, erinnert sich Jentzsch Dib. Heute brauchen wir es ständig – für unsere E-Mails, als U-Bahnticket oder an der Kasse. Sich das Handy an einer Kette umzuhängen, sei da nur logisch, findet sie. Bei der Verbreitung ihres Produkts hätten ihr dann vor allem Instagram und die Empfehlungen der Kundinnen geholfen. „Ich habe bisher nicht einen Influencer oder Blogger dafür bezahlt, ein Produkt von Xouxou zu tragen“, versichert Jentzsch Dib. Im Sommer zählten Handyketten zu den wichtigsten Trend-Produkten. Zahlreiche Modezeitschriften schrieben über den Hype. Eltern auf dem Spielplatz hingen sie um den Hals, Startup-Mitarbeitern auf Konferenzen oder Kellner im Restaurant. 

Die Kehrseite des Erfolgs: Konkurrenz

Und heute? Ist der Trend vorbei und damit auch der Erfolg von Xouxou? Die Zahlen verdoppelten sich zwar nicht mehr jeden Monat, stiegen aber weiterhin, so Jentzsch Dib. Einen hohen Teil des Umsatzes erwirtschaftet sie mittlerweile über stationäre Händler. Sie und ihr Freund hätten neue Farben für die Bänder im Angebot und arbeiteten gerade an neuen Produkten: „Wir sind mittlerweile eine Marke für Handy-Accessoires, darauf wollen wir aufbauen“, sagt sie.

Allerdings ist die Handykette von Xouxou keineswegs einzigartig. Der größte und nach eigenen Angaben älteste Konkurrent ist wohl Blue and True, das Label der Deutschen Samja Schröder, die mittlerweile in Italien lebt und dort auch fertigen lässt. Auch sie hatte die Idee bereits vor einigen Jahren, den Begriff „Handykette“ habe sie geprägt, sagt Schröder selbst. In den Wettbewerb eingestiegen sind auch Marken wie Nuri aus München oder Jalouza aus Berlin, ebenso zahlreiche Hersteller auf Etsy und Amazon, die ihre im Ausland hergestellten Produkte häufig zu einem deutlichen niedrigeren Preis anbieten.

Xouxou-Gründerin Jentzsch Dib will sich davon nicht stressen lassen. Gemeinsam mit ihrem Freund und den zwei Kindern wird sie sich diesen Winter „von ihrem ersten kleinen Vermögen“ eine Auszeit gönnen und drei Monate reisen. „Das hätten wir uns sonst niemals geleistet“, sagt sie. „Aber natürlich müssen wir von unterwegs weiter arbeiten. Das ist der Nachteil des Erfolgs.“

Bild: Xouxou