Sowohl Luxusklamotten als auch solche aus zweiter Hande – beides soll es künftig bei Zalando geben.

Zalando geht in die Extreme. Das Onlinemodehaus will in zwei Bereichen besonders stark wachsen: Ziemlich teuer und ganz billig. Das Premiumsegment werde um Luxusmode ergänzt, kündigte Co-Chef Rubin Ritter am Donnerstag an. Insbesondere jüngere Kundinnen und Kunden kombinierten gerne hochwertige Modemarken mit Sport- und Designerstücken, hieß es.

„Die Premiumkategorie ist in den letzten Monaten am schnellsten gewachsen und wir sehen ein großes Potenzial, darauf aufzubauen“, so Ritter zur Vorstellung der Jahresergebnisse 2019. Vor Kurzem seien Marken wie Moschino Couture und Alberta Ferretti über das Berliner Unternehmen bestellbar. In den nächsten drei Jahren solle das Sortiment im Topbereich verdoppelt und der Anteil Zalandos am 38 Milliarden Euro schweren europäischen Luxusmarkt kräftig ausgebaut werden.

Auf der anderen Seite setzt man auf Klamotten aus zweiter Hand. Ab dem Spätsommer könnten Kunden regulär „kuratierte Secondhandmode auf der Zalando-Plattform kaufen und eigene Modeartikel an Zalando verkaufen“, kündigte Ritter weiter an.

Guthaben durch den Verkauf gebrauchter Sachen könnten für Neukäufe eingesetzt werden. Die neue Sparte läuft unter dem Namen „Pre-Owned“. Ein Probebetrieb wird bereits seit 2018 durchgeführt.

„Es ist jetzt an der Zeit, vom Test zum Ausbau überzugehen“

„Es ist jetzt an der Zeit, vom Test zum Ausbau überzugehen“, meinte der Manager. Damit wolle man mehr modische Anknüpfungspunkte bieten und zugleich – wie auch mit der Senkung des Ausstoßes an Treibhausgasen – den Anspruch unterstreichen, eine nachhaltige Modeplattform zu werden.

Onlinemodehäuser haben gute Gründe, an einer Verbesserung ihres Umwelt-Images zu arbeiten. Der Umgang der Branche mit Retouren und unverkaufter Neuware ist so sehr ins Gerede gekommen, dass die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht hat, der die Vernichtung von noch nutzbaren Stücken verbieten soll.

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Das Kabinett hatte vor zwei Wochen einem entsprechenden Gesetzesentwurf von Bundesumweltministerin Svenja Schulze zugestimmt. Allerdings betrifft das Problem auch den stationären Handel, denn generell werden die Modezyklen immer kürzer, immer schneller drängen neue Stücke in die Regale.

Weltweit hat sich seit der Jahrtausendwende die Zahl der weltweit produzierten Kleidungsstücke nach Schätzung von Greenpeace auf deutlich mehr als 100 Milliarden Stück verdoppelt. Bei Zalando würden nur schwer beschädigte und nicht nutzbare Teile vernichtet, versichert der Vorstand. Dies sei ein sehr geringer Anteil.

Anders als geplant präsentierte der Modeversender die Ergebnisse des vergangenen Jahres nicht vor Ort in Berlin, sondern per Telefonkonferenz – als vorbeugende Maßnahme gegen Ansteckung angesichts der Coronavirus-Bedrohung. Dienstreisen würden ebenfalls möglichst vermieden.

Auch in der Geschäftsentwicklung des laufenden Jahres könnte eine mögliche Epidemie eine Rolle spielen, obwohl gegenwärtig noch keine Auswirkungen auf das Geschäft zu verzeichnen seien. „Nicht berücksichtigt in der Prognose sind mögliche negative Einflüsse verursacht durch das Coronavirus“, unterstrich der Vorstand eigens in seinem Ausblick.

Man fühle sich aber gut vorbereitet. Der Großteil der Vorräte für die kommende Frühjahr- und Sommersaison sei bereits in den Lagern vorhanden. Auf der Nachfrageseite könnten sich sogar Vorteile für den Onlinehandel ergeben, wenn die Ansteckungsgefahr dazu führt, dass Kunden den Kontakt mit anderen Menschen meiden – und damit auch den Einkaufsbummel in der Stadt.

Läuft für Zalando alles nach Plan, kann das 2008 gegründete Unternehmen auch in seinem zwölften Geschäftsjahr mit hohen Zuwachsraten rechnen. Das Umsatzplus, so die Erwartung, soll zwischen 15 und 20 Prozent betragen und der Gewinn aus dem laufenden Geschäft (Ebit) 225 Millionen bis 275 Millionen Euro erreichen.

Anteilseignern ist das Umsatzplus zu mager

Den Anteilseignern reichte das nicht, viele hatten sich wohl noch bessere Zahlen erwartet. Der Ausblick sei „kein Feuerwerk“ und „etwas enttäuschend“, urteilten Analysten. DZ-Bank-Analyst Thomas Maul sieht zudem die Gefahr, dass es bei der nicht mehr fernen Lieferung der Kollektionen für die Herbst-/Wintermode zu Verzögerungen kommen könnte. Schon um die Mittagszeit war die Zalando-Aktie mit einem Minus von fast zehn Prozent auf nur noch gut 40 Euro Tages-Schlusslicht im MDax, dem Index der mittelgroßen Werte.

Zur Flucht aus Mode-Aktien dürften auch skeptische Einschätzungen wie die von Richard Chamberlain beigetragen haben. Der Analyst von RCB Capital Markets senkte wegen möglicher Corona-Auswirkungen die kurzfristigen Prognosen für globale Player wie Inditex („Zara“) und H&M. Negative Einflüsse könnten die Unternehmen, die sich vor allem auf ihr stationäres Ladennetz stützen, auf drei Wegen erreichen: Zum einen geringere Kundenzahlen, zum anderen Unterbrechungen der Lieferkette, schließlich durch Reisebeschränkungen. Langfristig sei der Markt aber intakt, glaubt Chamberlain.

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Momentan zähle die Zara-Muttergesellschaft zu den am stärksten betroffenen Unternehmen, schon weil acht Prozent der Läden in China und fünf Prozent in Italien angesiedelt seien. H&M sei relativ verletzlich, weil das schwedische Unternehmen in letzter Zeit bereits deutliche Margenkürzungen habe hinnehmen müssen. Auch die irische Primark-Mutterfirma ABF stehe unter Druck, denn 45 Prozent der von dem Unternehmen verkauften Bekleidung stammten aus China – mehr als bei jedem anderen Wettbewerber.

Kann sich der reine Modeversender Zalando von dem Trend der großen Wettbewerber wie erhofft abkoppeln, würde er damit das Tempo der letzten Jahre weitgehend beibehalten.

Zalando will erste Anlaufstelle für Mode sein

2019 wuchs der Umsatz um 20,3 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro, das Ebit erhöhte sich von 173,4 Millionen auf 224,9 Millionen Euro. Ausschlaggebend dabei war ein Wachstum der Kundenbasis um 4,6 Millionen – was ungefähr der Einwohnerzahl Berlins entspreche, so Ritter.

Zalando erreicht nun mit 31 Millionen ein Rekordlevel. Im letzten Quartal 2019 waren nach eigenen Angaben Aktionen wie die „Cyber Week“ ein wesentlicher Absatzmotor. Der Anspruch, „erste Anlaufstelle für Mode“ zu sein, ist mit dem starken Wachstum ein Stück näher gerückt.

In seinem Segment würde das Unternehmen damit über einen Vorteil verfügen, den Netflix bei Filmen, Spotify bei Musik und Amazon bei vielen Gegenständen des täglichen Gebrauchs haben: als Internetsuchmaschine für Produkte genutzt zu werden. Potenzielle Kunden schauen dann oft bei den Konkurrenten gar nicht erst nach, wenn sie etwas erwerben wollen.

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Mit dem Anspruch der „ersten Anlaufstelle“ geht die Taktik einher, die eigene Website als Plattform für Partnerunternehmen zu öffnen und so eine möglichst große Breite des Angebots zu schaffen. Zalando beziffert den Anteil der Dritthändler auf rund 15 Prozent im Jahresdurchschnitt und stellt ihnen dafür gegen Gebühr Marketing- und Abwicklungsdienste zur Verfügung. Auch geografisch baut Zalando sein Geschäft aus. So ist der Bau eines neuen Logistikzentrums in Spanien geplant.

„Gemessen an unseren Möglichkeiten sind wir immer noch ein kleines Unternehmen“, meinte Ritter. Hohe Wachstumsraten sind für den Vorstand entscheidend. Erreicht der Modeversender über die kommenden Jahre im Schnitt ein Wachstum von mindestens 15 Prozent, so erhält jeder der drei Co-Vorstandschefs – neben Ritter auch David Schneider und Robert Gentz – im Jahr 2024 eine Megavergütung von bis zu 170 Millionen Euro. Liegt der Zuwachs dagegen unter zehn Prozent, gibt es für sie lediglich ein Grundgehalt von 65.000 Euro jährlich, mit Abstufungen zwischen den beiden Polen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Sean Gallup