2012 war mein erster Besuch bei dem jährlich in Barcelona stattfindenden Mobile World Congress, der weltgrößten Fachmesse beziehungsweise -konferenz für die Mobilfunkbranche. Der offizielle Slogan dieses Jahr war “Redefining Mobile”. Mit dieser Themenwahl wollen die Veranstalter darauf anspielen, dass sich mobile Technologie heute nicht mehr nur um Telekommunikation dreht, sondern all unser Leben tiefgreifend und nachhaltig verändert. Dabei spielt die Weiterentwicklung der Netzwerke und der Hardware inzwischen zunehmend eine Nebenrolle – der wirkliche Star sind die Vielzahl an neuen spannenden Diensten, die unsere Smartphones und Tablets erst in kleine multifunktionale Technikwunder verwandeln.

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Mobile-Payment: Thema auf dem MoWoCo 2012

Bei all dem pressewirksamen Hype um die jeweils neueste Smartphone-Generation mit noch größeren Bildschirmen, noch schnellerer Datenverbindung etcetera – wirklich bewegt hat zumindest meine Gesprächspartner mehr, was man alles damit anstellen kann. Natürlich beobachten wir diese Transformation nicht erst seit diesem Jahr. Trotzdem möchte ich auf dieses Thema etwas näher eingehen – genauer gesagt auf die lang erwartete Revolution im Bereich Mobile-Payment – alleine schon deshalb, weil ich mit genau dieser Brille nach Barcelona geflogen bin.

Bereits seit Jahren hören wir immer wieder, dass die mobile Zahlungs-Revolution vor der Tür steht, nur getan hat sich für die meisten Menschen in Deutschland und Europa bisher eher wenig. Für die meisten von uns dürfte sich Mobile-Payment in den letzten Jahren vor allem in Formen wie zum Beispiel Premium-SMS-Billing für Online-Dienstleistungen gezeigt haben, während der Traum das Handy als Bargeldersatz im stationären Handel einzusetzen bisher größtenteils genau das geblieben ist: ein Traum. Dabei ist die notwendige Technologie zum Beispiel in Form von NFC-Payments (NFC: near field communication), bereits seit einiger Zeit vorhanden.

Auf dem MoWoCo vom 27. Februar bis 1. März 2012 war Mobile-Payment (einmal mehr) eines der zentralen Themen und es gab dann doch auch einige interessante Neuigkeiten zu sehen und zu hören, die tatsächlich davon zeugen, dass ernsthaft Bewegung in den Massenmarkt kommen könnte – auch wenn man dafür manchmal zwischen den Zeilen lesen muss.

Dafür ist es wichtig zu verstehen, dass es zwei Seiten zu Mobile-Payment gibt. Einerseits die Infrastrukturdienstleister wie Banken und Kreditkartenunternehmen, die sich traditionell maßgeblich mit dem Management von Geldströmen und Zahlungsrisiken beschäftigen. Auf der anderen Seite eine Vielzahl von hochinnovativen Startups, deren Ziel es ist, Produkte und Payment-Interfaces zu bauen, die bei Händlern und Usern zugleich das Bedürfnis auslösen, das Handy tatsächlich auch zum Zahlen zu nutzen.

Einige spannende Payment-Startups gibt es bereits

In den letzten ein oder zwei Jahren haben wir bereits die Entstehung einiger sehr spannender Payment-Startups und Produkte beobachten können. Neben Namen wie Boku, iZettle, Dwolla, Intuit, Isis, Google Wallet und allen voran wahrscheinlich Jack Dorsey’s Square, das auch in Barcelona in aller Munde war. Nach Square selbst, einem Dienst zum Akzeptieren von Kreditkartenzahlungen mittels Smartphone und Dongle, hat Square kürzlich zwei weitere Produkte vorgestellt, Square Register, ein Kassensystem für das iPad, und Square Card Case.

Mit Square Card Case können Nutzer im stationären Handel bezahlen und müssen dafür nicht einmal mehr ihr Handy aus der Tasche holen. Wen interessiert, wie das genau funktioniert, dem sei die Square-Website empfohlen. Zusätzlich ist es möglich, Bonuspunkte zu sammeln, Coupons auf dem Handy zu empfangen, digitale Rechnungen zu speichern etcetera. In die gleiche Richtung stößt übrigens auch Paypal mit seiner vor wenigen Tagen vorgestellten Zahlungslösung für den stationären Einsatz, Paypal Here.

Die zunehmende Verbreitung und der Erfolg von Startups wie Square sowie der lange angekündigte Markteintritt von Online-Zahlungsgigant Paypal führt nun offensichtlich dazu, dass sich nach und nach auch immer mehr traditionelle Player wie Banken und Kreditkartenunternehmen aber auch die Mobilfunkanbieter gezwungen sehen, ernst zu machen und ihre bisherige Zurückhaltung bei dem Thema aufzugeben.

Dementsprechend hat MasterCard auf dem MoWoCo als Teil seiner Vision für mobile Innovation unter anderem eine enge Kooperation mit Boku angekündigt, einem Payment Startup, das von Top-Investoren wie Andreessen Horowitz, Index, Benchmark, DAG, Khosla und NEA unterstützt wird. Gemeinsam wollen die beiden ein neues Endkundenprodukt vorstellen, das Zahlungen, Bonuspunkte, Coupons, Rechnungsverwaltung und weitere Mehrwertdienste in einem kombiniert.

Außerdem stellte MasterCard noch eine weitreichende Kooperation mit Telefónica vor, mit der beide Unternehmen gemeinsam eine mobile Zahlungslösung an die 87 Millionen Movistar-Kunden in Lateinamerika ausrollen wollen. VISA zog nach, indem es eine weitreichende Kooperation mit Vodafone ankündigte. So soll Vodafone mit seinen 40 Millionen Kunden die VISA-Infrastruktur nutzen und an den Endkunden bringen.

Andere mobile Payment-Neuigkeiten gingen neben diesen Ankündigungen fast etwas unter. So demonstriert zum Beispiel Barclays mit der Vorstellung von PingIt, dass auch die Banken zunehmend ihre Rolle beim Mobile-Payment suchen. PingIt lässt Barclays-Kunden (in Großbritannien) ihr Konto mit ihrer Mobilnummer verknüpfen und bis zu 300 britische Pfund pro Tag an andere PingIt-User senden – egal, ob Privatnutzer oder Unternehmen.

Wie wird das mobile Bezahlen der Zukunft aussehen?

Auf dem MoWoCo 2012 wurde deutlich klar, dass noch niemand so richtig weiß, wie das mobile Zahlen in den kommenden Jahren wirklich aussehen wird – weder, was die Technologie (NFC, handsfree, andere Lösungen?) betrifft, noch, was die Integration mit weiteren Mehrwertdiensten betrifft. Im Gegensatz zu früheren Jahren allerdings ist es offensichtlich, dass inzwischen eine kritische Masse an Projekten und auch großen Namen unterwegs ist, um mobiles Bezahlen am Point-of-Sale tatsächlich zeitnah Wirklichkeit werden zu lassen.

In absehbarer Zeit werden wir uns daher vermutlich nicht nur mit einer, sondern gleich mit mehreren unterschiedlichen Lösungen auseinandersetzen (müssen), die uns das mobile Bezahlen schmackhaft machen wollen. Die spannende Frage wird sein, wer es zuerst schafft, ausreichende Akzeptanz von Kunden und insbesondere Akzeptanzpartnern zu gewinnen, um damit eine hohe Reichweite aufzubauen.

Die meisten meiner Gesprächspartner in Barcelona waren ähnlich wie ich der Ansicht, dass das mobile Bezahlen der Zukunft mit anderen Mehrwertdiensten wie Coupons, News und anderen Kundenbindungsinstrumenten gekoppelt und in multifunktionale Wallets eingebunden sein wird. Insbesondere im Verdrängungswettbewerb mit den aktuellen Lösungen wie Debitkarten, Kreditkarten und natürlich Bargeld wird es maßgeblich darum gehen, ausreichend zusätzlichen Mehrwert über die reine Transaktion hinaus zu schaffen – sowohl für Kunden als auch für die Händler.

Und ich habe trotz der riesigen Kundenbasis meine Zweifel, dass das den Kreditkartenunternehmen oder Banken oder Mobilfunkanbietern am besten gelingen wird. Etwas plump formuliert: Einmal Infrastrukturanbieter, immer Infrastrukturanbieter. Daher setze ich meine Chips auf eines oder mehrere der zahlreichen Startups in diesem Bereich und freue mich darauf, den Gang zur Mauer (Geldautomat) hoffentlich schon bald etwas seltener antreten zu müssen.