Das Lendico-Gründungsteam: Philipp Petrescu, Dominik Steinkühler, Christoph Samwer, Clemens Paschke (von links)
Das Lendico-Gründungsteam: Philipp Petrescu, Dominik Steinkühler, Christoph Samwer, Clemens Paschke (von links)

Erfolgreicher Exit oder desperater Notverkauf? Diese Frage stellte sich die Finanzgemeinde, als die ING Diba im Februar die Übernahme des Rocket-Internet-Fintechs Lendico ankündigte. Eine belastbare Antwort auf diese Frage gibt es bis heute nicht. Allerdings deuten inzwischen immer mehr Indizien darauf hin, dass man mit „Antwort B“ (also mit dem Notverkauf) vermutlich nicht so falsch liegt.

So hat die ING Diba, nachdem der Deal geclosed war (was laut Handelsregister am 24. April geschah), im Bundesanzeiger die jüngsten Geschäftsberichte der Lendico Deutschland GmbH offengelegt. Damit lässt sich nun folgende Verlusthistorie ableiten (Anmerkung: Es gab verschiedene Lendico-Gesellschaften, die Deutschland GmbH dürfte aber die operativ wichtigste gewesen sein):

  • 2014: 4.985.671,25 €
  • 2015: 7.830.343,57 €
  • 2016: 9.455.161,45 €
  • 2017: 5.112.848,97 €

Alles in allem summieren sich die Jahresfehlbeträge des Berliner Online-Kreditmarktplatzes von 2014 bis 2017 also auf gut 27 Mio. Euro.

Nun ist der Cashburn für sich genommen natürlich kein Beleg für eine schwache Geschäftsentwicklung. Was aber stutzig machen sollte: Laut den nun offengelegten Geschäftsberichten beschäftigte die Lendico Deutschland GmbH in 2017 im Durchschnitt weniger Mitarbeiter (nämlich 17) als ein Jahr zuvor (da waren es noch 22 gewesen). Das spricht eher gegen ein rasantes Wachstum. Und in Erinnerung ist auch noch, dass Lendico seit der Gründung bis Juli 2017 nach eigenen Angaben gerade einmal Kredite in Höhe von 100 Mio. Euro vergeben hatte. Zur Einordnung: Beim Marktführer Auxmoney waren es allein im vergangenen Jahr mehr als 300 Mio. Euro.

Und noch ein Indiz, das für einen geringen Kaufpreis spricht: Bislang sah es so aus, als sei bei dem Lendico-Deal neben Rocket Internet und der ING Diba noch ein weiterer Akteur im Spiel gewesen – nämlich der britische Hedge-Fonds Arrowgrass, der den Berliner Kreditmarktplatz laut „Handelsblatt“ ja eigentlich schon letztes Jahr übernehmen sollte. Nach Informationen von „Finanz-Szene.de“ ist die damals angekündigte Transaktion allerdings nie vollzogen worden. Womöglich waren die Briten von dem Fintech also doch nicht so „vollständig überzeugt“, wie der damalige Lendico-Chef und heutige Commerzbank-Manager Dominik Steinkühler seinerzeit dem „Handelsblatt“ anvertraute.

War Lendico also letztlich ein Schnäppchen? Weder die ING Diba noch Rocket Internet wollten sich gegenüber „Finanz-Szene.de“ äußern.

Dieser Artikel erschien zuerst im Branchen-Newsletter Finanz-Szene.de.

Bild: Rocket Internet