Billie-Gründer Christian Grobe (links) und Matthias Knecht

Von den diversen deutschen Factoring-Fintechs, die in den letzten Jahren gegründet wurden, scheint zumindest eines durchzustarten – nämlich der Berliner Anbieter Billie. Wie Co-Founder Christian Grobe gestern im Gespräch mit Finanz-Szene.de verriet, hat sein Unternehmen dem mit zehn Millionen Euro dotierten Serie-A-Funding von Ende 2017 nun die zweite Finanzierungs-Runde folgen lassen – und zwar diesmal sogar über 30 Millionen Euro.

Zu den Investoren gehören Creandum, Speedinvest, die Samwer-Investment-Firmen Global Capital Founders und Picus Capital sowie die N26-Gründer und die Raisin-Gründer. Das Geld solle in den „Ausbau des Produktspektrums“ fließen, sagte Grobe. Ziel: „In zwei Jahren wollen wir Europas führender Anbieter für digitale Factoring-Lösungen sein.“

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2016 und 2017 hatte es in Deutschland eine regelrechte Welle von Neugründungen im Factoring-Bereich gegeben. Blickt man heute zurück, fällt die Zwischenbilanz allerdings ernüchternd aus. Der von Rocket Internet gepushte Berliner Anbieter Innolend wurde Anfang 2018 liquidiert; das Schweizer Fintech Advanon, das quasi parallel zum Aus von Innolend angekündigt hatte, nach Deutschland zu expandieren, wurde kurz darauf zum Opfer eines spektakulären Betrugsfalls; das Berliner Factoring-Startup Decimo trat jüngst als Juniorpartner in ein Bündnis mit der Elbe Finanzgruppe ein; und beim einstigen Sebastian-Diemer-Fintech Finiata wird nach einem Mini-Funding in Höhe von 2 Millionen Euro jetzt erst einmal das Geschäftsmodell gedreht.

Und sonst so? Gibt’s noch Flex Payment, Fundflow – und eben Billie. Warum also kriegt Billie 30 Millionen. Euro, während anderen Factoring-Startups der Durchbruch bislang verwehrt geblieben ist?

Schwieriges Terrain

Spricht man mit Branchenkennern (und zwar solchen, die dem Markteintritt der Fintechs durchaus offen gegenüberstanden), dann hört man zuallererst, dass sich die Newcomer allesamt ein schwieriges Terrain ausgesucht hätten – nämlich Factoring für alles, was im weitesten Sinne unter kleine KMUs fällt. Dazu muss man wissen: Factoring, also die Vorfinanzierung von Rechnungen, ist ein Geschäft, in dem die Kunden zumindest auf einen Jahresumsatz in zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe kommen. Ein traditioneller Factoring-Anbieter hat in der Regel mehrere Hundert solcher Kunden – und kann davon, wenn es gut läuft, trotz dünner Margen einigermaßen leben.

Die Strategie der Fintechs lief darauf hinaus, die bestehenden Anbieter nicht in deren Kerngeschäft anzugreifen – sondern sich eKunden zu erschließen, die zuvor noch gar kein Factoring betrieben, beispielsweise Startups, kleine Händler, Handwerker, Kanzleien oder Freiberufler. Die Idee dahinter: Wenn es gelingt, dieses Geschäft zu standardisieren, dann wird es sich eines Tages trotz kleiner Ticketgrößen sehr profitabel betreiben lassen.

Einer, der die Fintechs bei der Umsetzung dieser Strategie von Anfang an eng begleitet, sagt: „Der Gedanke als solcher war ja gar nicht verkehrt. Im Moment deutet aber vieles darauf hin, dass die finanziellen Risiken und prozessualen Schwierigkeiten, die mit diesem Geschäft verbunden sind, unterschätzt wurden.“

Vollwertige Bafin-Lizenz von Anfang an

Was auffällt: Anders als beispielsweise Finiata oder Innolend ging Billie quasi vom Start weg mit einer vollwertigen Lizenz der Finanzaufsicht Bafin zu Werke. Das wirkte anfangs wie ein überflüssiges Accessoire – schließlich lässt sich Factoring auch auf bescheidenerer rechtlicher Grundlage betreiben. Grobe aber sagt im Rückblick: „Es war wichtig, dass wir zunächst auf die Basics geachtet haben, wozu neben den diversen Lizenzen auch das Backoffice und die Prozessautomatisierung gehören.“

Dies sei auch eine Lehre gewesen, die er und sein Mitgründer Matthias Knecht aus dem Aufbau ihres vorherigen Fintechs gezogen hätten – dem nach allem, was man weiß, eher mäßig erfolgeichen Kreditmarktplatz Zencap, der bald nach der Gründung vom britischen Wettbewerber Funding Circle übernommen wurde. „Bei Zencap haben wir uns noch stark auf das Frontend fokussiert. Bei Billie dagegen sind selbst heute noch rund 70 Prozent unserer knapp 60 Mitarbeiter tendenziell eher dem Backend zuzuordnen – einfach weil sich der Erfolg im Factoring-Geschäft unter der Haube entscheidet. Nach außen sehen die meisten Angebote ohnehin nahezu identisch aus.“

Das alles bedeutet nicht, dass Billie schon ein wahrnehmbarer Player wäre. Das annualisierte Factoring-Volumen beziffert Grobe auf momentan rund 250 Millionen Euro – wenn man bedenkt, dass der deutschen Factoring-Markt etwa 250 Milliarden Euro groß sein soll, entspricht das einem Marktanteil von einem Promille. Mit dem 30-Millionen-Euro-Funding allerdings ist die Basis für weiteres Wachstum (bis Jahresende soll die „Run Rate“ bei rund 500 Millionen Euro liegen) erst einmal gelegt. Mal abwarten, wann das nächste Factoring-Fintech mit einer ähnlichen Nachricht ums Eck kommt. Und ob überhaupt.

Bild: Billie