Es klingt wie eine Ironie der Geschichte. Ausgerechnet das wohl eigensinnigste Vehikel der Finanzmärkte erscheint in diesen Tagen als Hort der Berechenbarkeit. Während die politischen und ökonomischen Turbulenzen weltweit für Unruhe an Börsen und bei Währungen aller Art sorgen, gilt die Anarcho-Devise Bitcoin immer mehr Investoren als verlässlicher Hafen.

Just als US-Präsident Donald Trump neue Zölle gegen China verkündet hatte, setzte die Kryptowährung zu einem weiteren Höhenflug an. Zwischenzeitlich kostete der Bitcoin knapp 8400 Dollar, so viel wie seit Juli 2018 nicht mehr. Zwar fielen die Kurse im Laufe der Woche wieder etwas zurück, doch seit Anfang April hat das digitale Geld 75 Prozent zugelegt.

In dieser Welt der Unwägbarkeiten, in der im Weißen Haus ein Präsident sitzt, der nach Lust und Laune Zölle erhebt oder wirtschaftliche Sanktionen verhängt, der ganze Volkswirtschaften von der Leitwährung Dollar abkoppelt und den Notstand ausruft, um unliebsame Firmen aus China auszubremsen, wächst der Wunsch nach einem Anlagevehikel, das weitgehend frei von politischen Eingriffen ist. Und längst nicht nur Donald Trump oder Chinas Präsident Xi Jinping sind für Überraschungen gut. Auch die Notenbanken manipulieren mit ihrer unkonventionellen Geldpolitik die Märkte.

Der schmerzhafte Absturz scheint vergessen

Hier kann plötzlich der Bitcoin punkten, der nach einem festen Computeralgorithmus tickt und mit kryptografischer Technologie verschlüsselt ist. Vergessen scheint der schmerzhafte Absturz im vergangenen Jahr, als die Kryptowährung zwei Drittel ihres Wertes verlor. Im Gegenteil: Anhänger des digitalen Geldes haben einen Bitcoin-Zyklus ausgemacht, der für weiter steigende Kurse spricht.

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Nach Berechnungen des Krypto-Analysten Nik Patel hat der Bitcoin in den vergangenen vier Abschwüngen im Durchschnitt 70 Prozent seines Wertes verloren und damit sogar etwas mehr als im jüngsten Crash. Im darauf folgenden Aufschwung seien die Anleger mit einem Plus von durchschnittlich 617 Prozent verwöhnt worden. Aktuell hat der Bitcoin vom Tief bei 3100 Dollar erst 130 Prozent zugelegt.

Für Fantasie sorgen jetzt insbesondere institutionelle Anleger, die zugreifen. Nach einer Erhebung von Tetras Capital hat inzwischen jeder fünfte Profi-Investor ein gewisses Engagement in Bitcoin. 40 Prozent der Institutionellen können sich vorstellen, in den kommenden fünf Jahren einen Teil ihrer verwalteten Gelder in Kryptowährungen anzulegen.

Es zahlt sich aus, dass Bitcoin und Co. erwachsen geworden sind

Schließlich nützt das der Risikostreuung. Die digitalen Münzen gehorchen ihren eigenen Regeln und entwickeln sich weitgehend unabhängig vom Treiben an den klassischen Finanzmärkten. Groß ins Geschäft eingestiegen ist der Vermögensverwalter Fidelity, der künftig für seine Kunden Bitcoin handeln und aufbewahren möchte.

Jetzt zahlt sich aus, dass Bitcoin und Co. im vergangenen Jahr deutlich erwachsen geworden sind. Die Liquidität hat zugenommen. Problemlos können auch größere Orders abgewickelt werden. Die Terminbörse CME verkündete gerade einen Rekord im Handel mit Bitcoin-Terminkontrakten. Von den Futures kommen zusätzliche Impulse. Viele Investoren haben auf fallende Notierungen gesetzt. Da sich der Bitcoin nun so rasant nach oben entwickelt, müssen die Skeptiker ihre Wetten eindecken und treiben so zusätzlich die Kurse.

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„Ich bin heute optimistischer für den Bitcoin als in meiner gesamten Karriere“, sagt Mike Novogratz, Risikokapitalgeber bei Galaxy Investment Partners. Er rechnet damit, dass Bitcoin auf 20.000 Dollar steigen wird. „Der Bitcoin hat den Krieg der Kryptowährungen gewonnen.“ Tatsächlich hat die bekannteste der digitalen Devisen ihren Marktanteil ausgebaut. Mit einem Wert von 140 Milliarden Dollar steht sie für knapp 60 Prozent des Krypto-Universums, wenngleich einige digitale Münzen seit Jahresanfang noch stärker zugelegt haben als Bitcoin mit seinen 115 Prozent. Litecoin beispielsweise um 220 Prozent.

Auch Tim Draper von DJF Athena sieht für Bitcoin eine glänzende Zukunft. Langfristig könne er fünf Prozent des weltweiten Geldumlaufs ausmachen. Geht die Rechnung auf, hätte der Bitcoin Raum bis 100.000 Dollar.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Tomohiro Ohsumi