Die Brüder und Finanzguru-Gründer Alexander Michel und Benjamin Michel (von links).
Die Brüder Alexander Michel und Benjamin Michel (von links) haben Finanzguru im vergangenen Jahr gegründet.

Das Startup Finanzguru ist gleich aus mehreren Gründen interessant: Zum einen gehört die Frankfurter Firma zu den wenigen Fintechs, an denen die Deutsche Bank beteiligt ist. Zum anderen trat Finanzguru in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ auf und ist einem vergleichsweise großen Publikum bekannt. 

Eine aktuelle Unternehmenspräsentationen von Dwins („Finanzguru“) ist Finanz-Szene.de nun zugespielt worden. Und zwar das Pitch Deck für eine Serie-A-Runde des 2018 gegründeten Unternehmens. Was steht in dem Pitch Deck drin? Und was lässt sich hieraus über Deutschlands Fintech-Gründer lernen? Eine Übersicht.

Was genau macht Finanzguru?

Finanzguru ist eine Mischung aus elektronischem Haushaltsbuch und Vertragsmanager. Die kostenlose App analysiert auf Basis der Kontodaten das Ausgabeverhalten des Nutzers und schlägt diesem beispielsweise einen günstigeren Stromanbieter vor. Einnahmequelle des Startups sind die Provisionen, die die Energieversorger für die Vermittlung neuer Kunden bezahlen.

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Wo steht Finanzguru laut Pitch Deck?

Per 21. Mai – und damit gut ein Jahr nach dem Start – kam Finanzguru dem Pitch Deck zufolge auf 420.000 „aktive Nutzer“. Der aktive Nutzer wird definiert als Anwender, der nicht nur die App runtergeladen, sondern mindestens ein Konto mit der App verknüpft hat. Man mag argumentieren, dass das eine niedrige Schwelle zur Messung von „Aktivität“ ist.

Allerdings geht aus der Präsentation ebenfalls hervor, dass sich die Nutzer im Schnitt 13 mal pro Monat in die App einloggen. Zum Vergleich: Bei der einst als wegweisend geltenden „George App“ der österreichischen Erste Bank waren es laut früheren Angaben mal zehn Aktionen monatlich. In die Banking-App der deutschen ING loggen sich die Kunden nach Institutsangaben rund 30 mal monatlich ein.

Deutlich weniger beeindruckend sind die Umsatzzahlen. Sie beliefen sich laut Pitch Deck 2018 im überschaubaren zweistelligen Cent-Bereich pro User befanden. Hierzu drei Einschätzungen:

  • Wenn man bedenkt, dass die für die Vermittlung eines Stromkunden nach Finanz-Szene.de-Informationen durchaus 50 Euro fließen (jedenfalls soll das bei Verivox, Check24 und Co. der Fall sein), hat Finanzguru im vergangenen Jahr also nur mit einem verschwindend geringen Anteil seiner User tatsächlich schon Geschäft gemacht.
  • Die meisten Nutzer, die sich schon 2018 bei Finanzguru anmeldeten, taten dies im Herbst im Zuge des Auftritt bei „Die Höhle des Löwen“. Da Stromverträge in der Regel nur einmal jährlich kündbar sind, konnte Finanzguru mit einem Großteil der Nutzer also rein logisch noch gar kein Geld verdienen.
  • Das Thema Monetarisierung soll bei Finanzguru 2018 noch keine große Rolle gespielt haben.

Welche Story erzählen die Gründer den Investoren?

Die im Pitch Deck erzählte Geschichte ist die eines Finanz-Startups, das es mit extrem niedrigen Kundenakquisitions-Kosten (deutlich unter einem Euro je User) geschafft hat, erstaunlich schnell auf eine beachtliche Anzahl an Nutzern zu kommen. 

Nun lässt sich einer Grafik im Pitch Deck entnehmen, dass rund die Hälfte der Nutzer im Zuge der „Die Höhle der Löwen“-Reihe zu Finanzguru fand. Selbst um diesen Sondereffekt bereinigt, sind die Zahlen zur Kundengewinnung allerdings durchaus imposant. In diesem Jahr dürfte Finanzguru die Wochenenden eingerechnet etwa 600 bis 700 „aktive Nutzer“ täglich gewonnen haben. Zur Einordnung: Das sind etwas genauso viele „Kunden“, wie die DKB im vergangenen Jahr im Tagesschnitt netto akquiriert haben dürfte.

Und noch ein Vergleich: Bei der Kundenakquise-Maschine N26 waren es nach unseren Berechnungen rund 8.000 pro Tag. Allerdings ist das Banking-Startup auch europaweit mit einem ungleich höherem Marketingbudget ausgestattet.

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Angereichert wird die Geschichte der günstigen Kundenakquise mit der Argumentation, Finanzguru werde einer der großen Profiteure der PSD2-Richtlinie. Hintergrund: Jahrelang agierten Fintechs, die über technische Schnittstellen auf Kontodaten bei Banken zugriffen, in einer rechtlichen Grauzone – auch wenn sie von den Kunden (also von den Kontoinhabern) dazu ermächtigt worden waren.

Mit der zweiten Stufe der neuen Zahlungsdienste-Richtlinie, die im September in Kraft tritt, wird dieses Vorgehen ausdrücklich legitimiert. Das heißt: Der Zugriff auf die Kontodaten wird technisch erleichtert, Banken dürfen sich gegen die – von Kritikern als „Datenräuberei“ bezeichneten – Praktiken nicht mehr wehren.

Wie will Finanzguru Geld verdienen?

Was Finanzguru noch nicht bewiesen hat: dass sich mit der Geschäftsidee wirklich Geld verdienen lässt. Wie wollen die Gründer das ändern? Über neue Produkte (Gasverträge, Kredite) und ein Bezahlmodell sollen die Erträge pro Nutzer schon in diesem Jahr die 1-Euro-Schwelle übersteigen. Für 2020, wenn weitere Produkte wie Krankenversicherung, Kreditkarte oder Anlageprodukte hinzukommen sollen, ist dann der Durchbruch geplant (der Präsentation zufolge würde Finanzguru im Laufe dieses Jahres sogar schon profitabel sein).

Bis 2022 sollen die Umsätze pro Kunde einen wahrnehmbaren zweistelligen Eurobetrag erreichen – und der absolute Umsatz einen sehr wahrnehmbaren zweistelligen Millionenbetrag. Das klingt sehr ambitioniert. Denn die Konkurrenz (Check24, Verivox, Banken, andere Fintechs) im Spannungsfeld von Konto und Produktvergleich ist groß. Und die Monetarisierung eines Vertragsmanagers ist komplexer, als es im ersten Moment scheint.

Wen zählt das Startup zu seinen Konkurrenten?

Der Optimismus der Gründer spiegelt sich auch in der Vision, die sie für ihr Unternehmen entwerfen. Glaubt man dem Pitch Deck, dann sind nicht andere Konto-App-Anbieter wie Numbrs oder Outbank die Benchmark – sondern das ist N26. Dabei geht die Argumentation wie folgt: Die Berliner Smartphone-Bank hatte im Januar mitgeteilt, auf ihren Konten lägen Einlagen in Höhe von insgesamt rund einer Milliarde Euro. Dem stellt Finanzguru Assets in Höhe von gut acht Milliarden Euro entgegen.

Dieses Geld befindet sich den Angaben zufolge auf den 1,3 Mio. Konten, die bereits mit der Finanzguru-App verknüpft wurden – also etwa drei Konten je aktivem Nutzer. Ob sich diese Zahlen wirklich vergleichen lassen, sei mal dahingestellt. Zumal N26 ja schon nachgewiesen hat, zumindest mit einem Teil seiner Kunden echtes Geld verdienen zu können.

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Wie viel Geld will Finanzguru von den Investoren?

Vier Millionen Euro. Das klingt wenig, allerdings lässt sich die gemessen an den großen Visionen bescheidende Summe erklären:

  • Finanzguru ging erst 2018 an den Start. Das Fintech hat zwar schon Seed-Kapital eingeworben (nämlich von der Deutschen Bank und von AWD-Gründer und TV-Investor Carsten Maschmeyer) – die erste richtige VC-Runde steht allerdings erst jetzt an.
  • Der Business-Plan liest sich so, als stünde in den kommenden zwölf Monaten erst einmal die Implementierung der PSD2-Richtlinie an. Die große Wachstumsfinanzierung – die allein schon deshalb nötig wird, weil die Kundenakquise-Kosten steigen dürften, je breiter die Klientel wird – soll offenbar erst danach kommen.

Stimmen die Angaben im Pitch Deck überhaupt? 

Davon gehen wir aus. Allerdings haben wir uns trotzdem nicht nehmen lassen, ein paar der Zahlen einem kleinen Plausibilitäts-Check zu unterziehen.

  • Laut Schätzungen des Analyse-Tools Priori Data kommt Finanzguru bei Apples Betriebssystem iOS bislang auf insgesamt 280.000 Downloads, bei Android auf knapp 500.000 Downloads. Das passt ziemlich exakt zu den Angaben im Pitch Deck, wonach die App bis zum 21. Mai 710.000-mal runtergeladen wurden. Dies ergibt bei einer Conversion Rate von 59 Prozent die 420.000 Nutzer.
  • Im Pitch Deck bezeichnet Finanzguru sich als am schnellsten wachsende unabhängige Finanz-App im deutschen Markt. Tatsächlich kommt der Konkurrent Numbrs laut Schätzungen von Priori Data auf mehr als eine Million Downloads, beim mittlerweile zu Verivox gehörende Widersacher Outbank war schon 2017 von vier Millionen Downloads die Rede. Nun ist aber nicht jeder, der die App runterlädt, auch schon ein Nutzer. Und: Numbrs und Outbank sind deutlich länger am Markt. Die Selbstbeschreibung als am schnellsten wachsender Wettbewerber klingt daher nicht unplausibel.

Dieser Text ist heute Morgen zuerst im Branchen-Newsletter Finanz-Szene.de erschienen.

Bild: Finanzguru