Die digitale Revolution des KMU-Geschäfts (Kleine und Mittlere Unternehmen) ist aktuell der vermutlich wichtigste Trend im deutschen Banking. „Finanz-Szene.de“ skizziert beispielhaft elf Ereignisse aus den vergangenen Monaten, die den Trend (so hoffen wir zumindest) in seiner ganzen Breite abbilden:

11.10.17: Compeon sichert sich 12-Mio.-Euro-Funding

Das Fintech Compeon will das Interhyp-Prinzip (also die Vermittlung günstiger Kredite) aus der Baufinanzierung auf das Firmenkundengeschäft übertragen. Die jüngsten Zahlen deuten an, dass das Geschäftsmodell allmählich Fahrt aufnimmt. So vermittelten die Düsseldorfer allein zwischen Januar und März Finanzierungen im Umfang von mehr als 100 Millionen Euro. Auch andere springen auf das Modell an. So startete das Berliner Fintech Fincompare im vergangenen Jahr mit einem sehr ähnlichen Geschäftsmodell. Die ganz große Frage in diesem Bereich dürfte werden: Sind die KMUs (um ein paar Basispunkte beim Kredit zu sparen) bereit, ihre Bankverbindungen zu fragmentieren?

07.12.17 bzw. 14.12.17: Billie und Finiata vermelden 10-Mio.-Finanzierungen

Sebastian Diemer ist der Gründer des lange Zeit höchstbewerteten deutschen Finanz-Startups – nämlich Kreditech aus Hamburg. Nach seinem Ausscheiden Ende 2015 legte der heute übrigens auch schon Über-30-Jährige zunächst eine kleine Pause ein. Und nun? Versucht er, das Kreditech-Modell (Finanzierungen auf Basis algorithmus-basierter Bonitätsbewertungen) mit seinem Startup Finiata in Form von Factoring auf das KMU-Geschäft zu übertragen. Sollten die Algorithmen wirklich funktionieren (was man noch nicht weiß), dann könnte Finiata bei den Selbstständigen und Freiberuflern einen echten USP besitzen. Auffälligerweise ist Diemer nicht der einzige prominente Fintech-Macher, der sich neuerdings im Bereich Factoring tummelt. So haben die einstigen Zencap-Gründer Matthias Knecht und Christian Grobe das Fintech Billie gestartet (das eine etwas großvolumigere Zielgruppe als Finiata anvisiert).

12.12.17: Nach Holvi und Kontist geht auch noch Penta an den Start

Wer wird das „N26 für KMUs“ (wobei es in diesem Fall eher um die „Ks“ im Sinne von Selbstständigen, Freiberuflern, Startups & Co. geht)? An Anwärtern jedenfalls mangelt es nicht. So tummeln sich ja beispielsweise schon Kontist und Holvi (Sind das die Finnen? Ja …) in dem Beritt, bevor im April mit Penta noch eine weitere Smartphone-Bank an den Start ging. Verwechslungsgefahr besteht da durchaus, zumal die Anbieter irgendwie alle in Berlin sitzen und irgendwie fast alle (oder alle?) in lizenzieller Hinsicht mit der Solarisbank kooperieren. Die Erfolgsaussichten? Mal abwarten. Zumal die etablierten Banken ja auch nicht schlagen, wie zum Beispiel der „vr-finanzguide“ der DZ Bank zeigt.

31.01.18: Amazon sucht Kreditexperten für den deutschen Markt

Aus unserer Sicht kann das eigentlich nur bedeuten, dass der E-Commerce-Riese seine in den USA und Großbritannien bereits erprobten Finanzierungsangebote für Onlinehändler demnächst auch in Deutschland an den Start bringt (wenn dies nicht sogar schon passiert ist). Der Vorteil, den die Amerikaner in diesem Segment gegenüber klassischen Finanzdienstleistern ausspielen können, liegt auf der Hand: „Amazon kennt die Geschäftsentwicklung und die Margen seiner Händler und kann auf dieser Basis relativ präzise vorhersagen, wie sich der Umsatz in den nächsten Monaten entwickeln wird“, so der Payment-Experte Jochen Siegert. Darüber hinaus habe Amazon „Einblick in alle relevanten Prozesse, die zwischen Händler und Kunde stattfinden“. Auf dieser Grundlage das Risiko eines Kredits einzuschätzen, sei „fast schon trivial“. Trotzdem bleibt die große Frage: Wie ernst sind Amazons Banking-Pläne wirklich? Denn mit ihrem Cloud-Service AWS verdienen die Amerikaner (auch) an der (deutschen) Kreditwirtschaft ja angeblich schon ganz gut.

14.02.18: Finleap schickt KMU-Fintech an den Start

Das Infinitec Solutions getaufte Spin-Off soll klassische Banken bei der Digitalisierung ihres KMU-Geschäfts unterstützen. Dabei funktioniert das Tool so ähnlich wie ein „Personal Finance Manager“ im Retailgeschäft – es hilft kleinen und mittleren Unternehmen dabei, ihre Finanzen zu ordnen und auf dieser Basis den Kreditbedarf zu ermitteln. Banken können die Software in ihre IT-Systeme integrieren – und den Kunden dann mithilfe des Tools zu den eigenen Finanzierungsangeboten lotsen. Einer zumindest ähnlichen Idee folgt VR Business Online, ein neues Digitalangebot der Volks- und Raiffeisenbanken.

19.02.18: ING Diba übernimmt Kreditmarktpatz Lendico

Die ING Diba will noch in diesem Jahr mit einem Online-Kredit für kleine und mittlere Unternehmen an den Start gehen – und schluckt zu diesem Zweck den Kreditmarktplatz Lendico. Dabei hat es die Oranje-Bank bei dem Deal weniger auf die (vermutlich eher dürre) Kundenbasis als auf die (angeblich sehr ausgefeilte) Technologie der Berliner abgesehen. Spannend wird sein, bis zu welcher Losgröße der Online-Kredit für KMUs vergeben wird. Geht es also eher um die „Ks“ (worauf wir tippen würden), oder eher um die „Ms“?

27.02.18: Allianz investiert 30 Mio. $ in Working-Capital-Plattform

Wer analysieren will, wie die Allianz ihren Wirkungskreis (so ist jedenfalls unsere Aus-dem-Bauch-heraus-Deutung) mithilfe digitaler Investments auf die Bankensphäre ausweiten will – der sollte nicht nur auf das vielbeachtete Investment bei N26, sondern vielmehr auf das kaum beachtete Investment bei C2FO gucken. Bei dem US-Fintech handelt es sich nach Aussage von Allianz-X-Chef Nazim Cetin (Allianz X ist die Digitaltochter des Versicherers) um eine Plattform die, „Unternehmen nach Bedarf und in Echtzeit Zugang zu Finanzierung von Betriebskapital verschafft“. So ganz haben wir noch nicht verstanden, wie das genau funktionieren soll. Aber es scheint uns, als sei das ein Case, den sich die Business-Development-Menschen in den Banken mal genauer anschauen sollten (wobei: vermutlich tun sie das ja längst).

22.03.18 bzw. 11.04.17: Commerzbank und BNP Paribas digitalisieren KMU-Geschäft

Kurz nach dem Lendico-Deal der ING Diba berichteten die Commerzbank und die deutsche BNP Paribas über eigene Pläne für die Digitalisierung ihres Firmenkundengeschäfts. So bietet die Coba seit einigen Monaten onlinebasierte Betriebsmittelkredite sowie eine digitale Anlage- und Risikoberatung an (eine aus unserer Sicht sehr gute Einordnung zu den Plänen finden Sie bei den Kollegen von „Finance“). Noch nicht ganz so weit und vor allem noch nicht ganz so konkret ist die BNP. Allerdings lassen Aussagen von Deutschland-Chef Diederichs („Wir prüfen ein digitales Angebot für kleinere Firmenkunden“) darauf schließen, dass es in diesem Fall zweifelsohne um die „Ks“ geht. Jedenfalls: Ein Digitalisierungs-Mensch aus einer großen deutschen Bank sagte uns dieser Tage: „Die Finanzmanager auch von großen KMUs haben kein Verständnis mehr, dass die private digitale Kontenführung inzwischen flink und bequem ist – die unternehmerische Beziehung zur Bank hingegen noch per Fax, schriftlich oder telefonisch erfolgt.“

13.03.18: Funding Circle verdreifacht das Kreditvolumen

In Großbritannien ist der KMU-Kreditmarktplatz Funding Circle längst ein ernsthafter Konkurrent für die Banken – in Deutschland hingegen fährt er nach der Übernahme von Zencap 2015 sein Geschäft erst langsam hoch. Immerhin: 2017 konnten die Brit-Berliner das Volumen der vermittelten Kredite (freilich von einem extrem niedrigen Niveau aus) auf rund 55 Mio. Euro verdreifachen. Zudem ist sich Deutschland-Chef Torsten Seeger sicher, dass sein Unternehmen die anfangs hohen Kreditausfallraten in den Griff bekommt (zumal es ja immer heißt, Kredit-Fintech-Startups würden Ausfälle anfangs durchaus bewusst in Kauf nehmen, weil sich nur so die Algorithmen trainieren ließen). Mithin: Funding Circle ist hierzulande noch kein erprobter KMU-Case. Aber ein spannender (wobei der Fall vermutlich ungleich spannender wäre, käme endlich mal eine Kreditklemme. Aber die ist ja nicht in Sicht.)

Dieser Artikel erschien zuerst bei „Finanz-Szene.de“.

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