Höher, immer höher hinaus wollte die ICO-Szene – doch nun ist der Lack ab.

Im Dezember 2017 klingelte mein Telefon. Es war die Zeit des großen Bitcoin-Hypes und das Krypto-Geld saß locker. Ein Gründer, nennen wir ihn Klaus, hatte eine neue Idee. Bahnbrechend, ja, sensationell, sei sie. Er wolle da einen andersartigen ICO machen. „Richtig viel Asche einsammeln“ und dafür Unternehmensanteile in Form von Token abgeben. Die Leute würden ihm die Bude einrennen – und ich sei der Erste, der darüber schreiben dürfe.

Das Problem: Die Idee war alt. Equity Token ist kalter Kaffee. Doch ich beging den Fehler zu fragen, welches Produkt seine Firma denn herstelle. „Ach, das Produkt, das ist doch eher nebensächlich“, antwortete er.

Nun könnte man sich darüber aufregen, dass es Gründer-Klaus hier nur um schnelles Geld ging, dass ihm sein Produkt völlig egal war, dass er kein echter Gründer sei. Nur – er hatte recht. Die Leute rannten ihm bei seinem ICO die Bude ein und das Produkt war Nebensache. Im dazugehörigen Telegram-Channel witzelten Kleinanleger darüber, in was für ein unnötiges Produkt sie investiert hätten. Doch von der bald abzukassierenden Wertsteigerung waren sie felsenfest überzeugt. Da halfen auch keine Fakten. 2017, das war das Party-Jahr im ICO-Geschäft.

Nun ist es 2018. Und langsam stellt sich Katerstimmung ein.

Denn Gier ist kein guter Investmentberater. Die wenigsten ICOs werden ihre Rendite-Versprechen halten können. Über 1.000 Kryptowährungen sind bereits gestorben. Weil sie keiner mehr weiterentwickelt, mit ihnen handelt oder die Gründer mit dem Geld verschwunden sind. Nicht wenige Coins waren sogar nur als Witz-Währung gedacht. Und ein Witz sind die meisten Währungen auch. Coins für Zahnärzte, Jesus, Trump, Putin, Katzen und Whopper werben genauso um Aufmerksamkeit und Millionen wie Währungen, die sich selbst als „Useless Token“ oder „Stupid Coin“ bezeichnen. Viel durchgedrehtes Marketing, sonst nichts.

Dieser Artikel ist die Gegenposition zu diesem Kommentar:

Die verrücktesten Krypto-Coins

Das zeigt sich spätestens, wenn der ICO abgeschlossen und das Geld überwiesen ist. 50 Prozent der aktuell gehandelten Kryptowährungen haben gravierende Sicherheitsprobleme. Mehr als die Hälfte aller Projekte scheitern schon in den ersten vier Monaten nach dem ICO, 70 Prozent der in ICOs ausgegebenen Token sind bis heute nicht an Kryptobörsen gelistet. Seit Monaten verlieren die Altcoins gravierend an Wert – und zwar fast flächendeckend.

Was das für die Finanzierungsform der ICOs bedeutet? Nichts Gutes. Zwar sind die Summen, die zuletzt eingesammelt wurden, noch gigantisch. Doch die monatlichen Volumina stagnieren zuletzt. Echte Geschäftsmodelle sind eher die Ausnahme – und der Ruf ist mies: Betrügerische Exit Scams mehren sich. Die US-Börsenaufsicht friert Konten ein und statuiert Exempel, um all die schwarzen Schafe in Angst und Schrecken zu versetzen.

Die Finanzierungsform droht am eigenen Erfolg zu ersticken. Zu lasch sind die Kontrollen gewesen, zu sinnbefreit die Geschäftsmodelle, zu leichtsinnig haben Kleinanleger investiert. Die einst wichtigsten Märkte, China, Südkorea und die USA, sind von den Finanzaufsichten kaltgestellt. FOMO, die Furcht ein gutes Investment zu verpassen, wie es in der Kryptoszene heißt, hat die Märkte erst erhitzt und schlägt nun in FUD um: Furcht, Unsicherheit und Zweifel finden sich in den sonst beratungsresistenten Telegram-Kanälen der Krypto-Kleininvestoren.

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Das ist vielleicht nicht das Ende der Finanzierungsform ICO. Aber es ist das Ende der Wild-West-Stimmung. Wenn ICOs neben VC-, Crowd- und Business-Angel-Finanzierung weiter fortbestehen werden, dann nur in regulierter Form unter der strengen Aufsicht von Bafin und SEC. Doch genau das zog ja viele Kleininvestoren an: keine Besteuerung, unkompliziertes Wetten mit kleinen Beträgen und ein bisschen Krypto-Anarchismus gepaart mit Staatsverachtung. Je solider ICOs als Investmentform nun also aufgestellt werden, desto unattraktiver werden sie für die kleinen Glücksritter, die derzeit den Markt bevölkern. In anderen Worten: Die Party ist vorbei, jetzt kommt die Putzkolonne. Die Gäste mögen doch bitte nach Hause gehen.

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