Das Fincompare-Führungsteam Sarp Demirel, Sven Romberg, Gründer Stephan Heller, Paul Weber und Christoph Ranaweera (von links)

Die ING Groep – zu der auch die ING Diba gehört – landet in Deutschland ihr nächstes Investment. Nach Informationen des Branchen-Newsletters Finanz-Szene.de beteiligen sich die Niederländer an der neuen Finanzierungsrunde des erst im vergangenen Jahr gegründeten Berliner Fintechs Fincompare, das auf die Vermittlung von Firmenkunden-Krediten spezialisiert ist.

Die Serie-A-Finanzierung ist insgesamt 10 Millionen Euro schwer, wovon die ING Groep 7 Millionen übernimmt. Den Rest teilen sich diverse Altinvestoren, darunter der Versicherungskonzern Uniqa und der österreichische VC Speedinvest. „Das Geld wird in den Ausbau unserer IT-Plattform, die Vergrößerung des Teams und das weitere Wachstum fließen“, sagte Fincompare-Gründer Stephan Heller im Gespräch mit Finanz-Szene.de.

Um die strategische Relevanz des Deals zu erkennen, muss man ein wenig zurückblicken: Vor rund zehn Jahren schluckte die ING Groep den Münchner Baugeld-Vermittler Interhyp, über den heute in Deutschland private Immobilien-Finanzierungen im Umfang von rund 20 Milliarden Euro jährlich abgeschlossen werden, ein Marktanteil von stolzen 8,4 Prozent. Davon wiederum profitiert die ING Diba, die dank ihres Schwesterunternehmens in den vergangenen Jahren fast aus dem Nichts zu einem der größten deutschen Hypothekenfinanzierer aufgestiegen ist.

Das Fintech will zum Hausbank-Ersatz werden

Im Februar dieses Jahres kündigte die ING Diba schließlich die Übernahme des Berliner Rocket-Internet-Fintechs Lendico an, eines Marktplatzes für KMU-Finanzierungen. Branchenkenner gehen davon aus, dass die größte deutsche Onlinebank in erster Linie an der Technologie von Lendico interessiert ist und diese nutzen dürfte, um demnächst mit einem Digitalkredit für Gewerbetreibende und kleine Mittelständler an den Start zu gehen. Die Idee könnte sein, dass sich die ING mit Fincompare einen Vertriebskanal für ihre KMU-Finanzierungen zulegt, ähnlich wie das mit Interhyp beim Baugeld der Fall war.

Darüber hinaus wären – zumindest theoretisch – auch strategische Synergien zwischen Interhyp und Fincompare denkbar. Über die Tochter Prohyp kooperieren die Münchner mit tausenden Maklern hierzulande. Warum sollten die nicht neben den Immobilienkrediten eines Tages auch KMU-Finanzierungen vermitteln? Ein Fingerzeig, der in diese Richtung deutet: Tom Peeters, ehemaliger Strategiechef der ING Diba und inzwischen Vorstand bei Interhyp, soll ins Board von Fincompare einziehen.

Fincompare-Chef Heller indes betonte im Gespräch mit Finanz-Szene.de, dass sein Unternehmen „in jedem Fall unabhängig“ bleibe. Der ING Diba würden trotz der Partnerschaft mit der niederländischen Mutter keinerlei Vorteile auf dem Fincompare-Markplatz eingeräumt. Ohnehin scheinen Hellers Ambitionen auf mittlere Sicht weit über die eines reinen Kreditvermittlers hinauszugehen: „Unsere strategische Vision ist es, Fincompare zur digitalen Hausbank kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland zu machen“, sagte der 32-Jährige. Das bedeutet: Eines Tages sollen die Kunden Fincompare nicht mehr wie ein Vergleichsportal wahrnehmen, sondern als ihren natürlichen Ansprechpartner bei allen Fragen rund um ihre Finanzierung.

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Diese Vision ist freilich mit Unsicherheiten behaftet. Denn bislang schrecken die meisten KMUs davon zurück, ihre traditionelle Hausbank-Beziehung zugunsten einer Online-Vermittlung aufzugeben. „Das liegt unter anderem daran, dass die Firmen einen Fragmentierung ihrer Bankbeziehungen befürchten“, sagt ein Manager einer deutschen Großbank. Seine Begründung: Eine Baufinanzierung brauchen die meisten Menschen nur einmal im Leben – ein Unternehmen hingegen ist auf seine Hausbank quasi laufend angewiesen. Eine solche Verbindung riskiert man nicht mal eben für ein paar Hundert Euro Finanzierungsvorteil. Zumal: Auch bei den meisten Hausbanken sind die Zinskonditionen angesichts der EZB-Niedrigzinspolitik momentan ja nicht wirklich schlecht.

Die Folgen dieser „Analog-Affinität“ vieler mittelständischer Betriebe bekam im Februar das Frankfurter KMU-Vergleichsportal Fintura zu spüren. Es konnte seine Investoren nicht mehr von einer Anschlussfinanzierung überzeugen – und wird nun abgewickelt. Fintura hatte mit vielerlei Problemen zu kämpfen. So sind KMU-Kredite schwerer zu standardisieren als Ratenkredite oder selbst Baufinanzierungen. Zudem wurde Fintura zum Opfer sogenannter adverser Selektion. Das Portal lockte vor allem die Klientel an, die bei der Hausbank eher keinen Kredit mehr bekommt. Vor allem aber, so schildern es Beobachter des Unternehmens: Fintura hielt seine Klientel offenbar für digitalaffiner, als die es in Wirklichkeit war.

Nur mit Technologie kann „das angestrebte exponentielle Wachstum kommen“

Mehr Erfolg als Fintura hat mit einem ähnlichen Geschäftsmodell bislang das Düsseldorfer Fintech Compeon, das im ersten Quartal nach eigenen Angaben Finanzierungen im Umfang von mehr als 100 Millionen Euro vermittelte – und damit ungefähr so viel wie Fincompare eigenen Angaben zufolge seit dem Start Anfang 2017 insgesamt (wobei Compeon – gegründet 2012 – schon deutlich länger im Markt ist). Compeon setzt sehr viel stärker auf die menschliche Beratungskomponente, als das Fintura tat. Gründer Frank Wüller meinte hierzu im vergangenen Oktober im Interview mit Finanz-Szene.de: „Es gibt praktisch kein Unternehmen, das einen sieben- oder achtstelligen Kredit aufnimmt, ohne dass es Kontakt zu einem menschlichen Berater gegeben hat.“

Menschliche Berater gibt es natürlich auch bei Fincompare. Trotzdem baut Heller deutlich stärker auf die technologische Komponente seines Geschäftsmodells – „denn nur daraus kann das angestrebte exponentielle Wachstum kommen, ansonsten ist man nichts anderes als die moderne Version einer Corporate-Finance-Boutique.“ Dass die KMUs dauerhaft in der analogen Welt verhaftet bleiben, glaubt Heller nicht.

„Wir müssen nicht auf die Unternehmen achten, sondern auf die Unternehmer dahinter. Das sind alles Menschen, die privat seit Jahren ein iPhone nutzen, die längst wissen, welche Vorteile die digitale Welt bietet. Was fehlt, das sind bislang auf der B2B-Seite die entsprechenden Banking-Angebote. Genau dort wollen wir die Unternehmer in den nächsten Jahren mit unserer User Experience abholen.“ Natürlich müsse man dabei manchmal auch behutsam vorgehen: „Wenn einer Unternehmer sagt, kann ich Ihnen das und das Dokument nicht auch per Fax schicken – dann sagen wir: Klar, machen Sie das, das laden wir dann für Sie hoch.“

Für die Zukunft prophezeit Heller eine Dreiteilung des KMU-Finanzierungsmarktes: „Alles bis 150.000 bis 250.000 Euro wird automatisiert werden, alles zwischen 250.000 und drei Millionen wird halbautomatisiert sein – nur was darüber liegt, bleibt tendenziell ‚Old Business‘.“ Hellers Ziel: „Das erste und das zweite Segment wollen wir eines Tages dominieren.“ Dabei werde der Wettbewerb nicht unbedingt über den Preis entschieden, „sondern in erster Linie über die Prozessgeschwindigkeit“. In diesem Zusammenhang sei auch der geplante KMU-Instant-Kredit der Solarisbank zu sehen, der irgendwann im Laufe dieses Jahres via Fincompare angeboten werden soll.

Dieser Text erschien heute Morgen zuerst im Branchennewsletter Finanz-Szene.de.

Bild: Fincompare