Weiß er es so genau? N26-CEO Valentin Stalf

Was wissen wir wirklich über N26, das prominenteste und vermutlich auch höchstbewertete deutsche Finanz-Startup? Klar, die Kundenzahlen der 2013 gegründeten Berliner Smartphone-Bank sind imposant, mehr als eine Million sollen es mittlerweile sein. Dann findet sich auf der Website eine Angabe über die bislang eingeworbenen Fundingmittel, 215 Millionen seien es alles in allem, in Dollar gerechnet. Und schließlich verrät N26 noch, wie viele Mitarbeiter man mittlerweile habe, nämlich rund 430 (bis Jahresende sollen noch weitere 200 hinzukommen, hat Gründer Valentin Stalf neulich in einem Interview erzählt).

Aber sonst? Erträge, Gewinne, Verluste oder irgendetwas anderes Greifbares? Fehlanzeige, mal abgesehen von den kargen Angaben, die sich einmal jährlich aus dem Bundesanzeiger herausklauben lassen. Dabei gibt es ja genügend Fragen, die sich die Branche schon seit Langem stellt. Zum Beispiel: Wie hoch ist der Anteil jener Kunden, die N26 tatsächlich als Hauptbankverbindung nutzen? Versuch einer Annäherung:

  • Zusätzlich zu den schon genannten Zahlen hat N26 jüngst eine weitere veröffentlicht, nämlich die der monatlichen Transaktionsvolumina. Bei mehr als einer Milliarde Euro sei man da mittlerweile angekommen, hieß es. Mehr als eine Milliarde Euro?! Das war scheinbar eine dieser typischen Fintech-PR-Zahlen: schön, aber eigentlich kaum greifbar. Wobei: Lässt sich aus dieser Zahl womöglich doch etwas Handfestes ableiten?
  • Frage an N26: In der Milliarde müssten doch vermutlich auch die Gehaltseingänge eingerechnet sein, oder? Antwort: In der Milliarde seien sämtliche Transaktionen eingerechnet. Also: Ja.
  • Annahme: So ein durchschnittlicher N26-Kunde dürfte kein Einkommenskrösus sein, aber doch ein hipper Vernünftigverdiener. Also mal konservativ geschätzt: 2.000 Euro bis 2.500 Euro netto im Monat sollten da doch reinkommen, oder?
  • Im N26-Blog haben wir neulich gelernt, dass der N26-Kunde sein Geld zu 37 Prozent für Lebensmittel (ohne Restaurants) ausgibt, zu 18 Prozent für Besuche in (normalen) Restaurants und zu 11 Prozent für Besuche in Fast-Food-Restaurants. Das deckt sich, nebenbei bemerkt, mit unserer persönlichen Wahrnehmung, dass einige Vertreter der Berliner Fintech-Szene inzwischen ein paar Kilo mehr mit sich herumtragen als noch vor ein, zwei Jahren. Tun wir selber übrigens leider auch.

Das sind die Fintech-Schwergewichte in Europa

  • Jedenfalls: Trotz des leichten Bauchansatzes bei manchen mutmaßlichen N26-Kunden hielten wir es für unplausibel, dass der durchschnittliche N26-Kunde wirklich zwei Drittel seines Geldes – mit Verlaub – verfrisst. Und tatsächlich: Auf Nachfrage zeigte sich, dass die bankeigenen Blogger nur die Kartenumsätze gewertet hatten. Mit anderen Worten: Der N26-Kunde, so hipp und verfuttert er auch sein mag, verbringt nicht sein komplettes Leben beim schicken, WLAN-tauglichen Koreaner in Berlin-Mitte, sondern: Er muss auch irgendwie wohnen. Und also zahlt er vermutlich auch so Dinge wie Miete, Wasser oder Strom …
  • Das aber wiederum bedeutet – immer vorausgesetzt, wir haben es mit der Hauptbankverbindung zu tun -, dass von den 2000 bis 2500 Euro, die jeden Monat reinkommen, auch ein guter Teil wieder rausfließt.
  • Mit anderen Worten: Ein Kunde, der bei N26 sein Hauptkonto hat, dürfte sicherlich auf ein monatliches Transaktionsvolumen von 3.500 bis 4.000 Euro kommen.
  • Das hieße aber notwendigerweise, dass bei einem Transaktionsvolumen von einer Milliarde Euro allerhöchstens 250.000 bis 300.000 Kunden das N26-Konto als Hauptbankverbindung nutzen. Also nur 25 bis 30 Prozent (die übrigen Kunden haben wir aus der Rechnung jetzt einfach mal nonchalant ausgeklammert).

Sind wir uns bei dieser Rechnung sicher? Nein, das sind wir aufgrund der vielen Annahmen, die wir treffen mussten, nicht. Allerdings haben wir uns bei verschiedensten Leute aus der Branche rückversichert, ob die Kalkulation einigermaßen plausibel sei. Und das einhellige Feedback lautete: Ja.

Bleibt die Frage: Wären 25 bis 30 Prozent denn viel oder wenig? Unsere Einschätzung: Es wäre nicht viel, es wäre aber auch nicht wirklich wenig, zumal der Anteil tendenziell steigen dürfte, weil wir vermuten, dass Kunden mit mehreren Konten ihre Aktivitäten im Laufe der Zeit eher zu N26 hinverlagern als wegverlagern dürften. Und zu fragen wäre natürlich auch: Wie wichtig ist der Faktor „Hauptbankverbindung“ heutzutage überhaupt noch?

Dieser Artikel erschien zuerst bei Finanz-Szene.de.

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