Nikolas Samios investiert mit Proptech1 in neue Geschäftsmodelle der Immobilienwelt.
Nikolas Samios investiert mit Proptech1 in neue Geschäftsmodelle der Immobilienwelt.

Im Immobilienmarkt geht es immer um gigantische Summen: 200 Billionen Euro stecken weltweit in dieser Anlageklasse. Allein in Deutschland wechseln jährlich Immobilien im Wert von 64 Milliarden Euro den Besitzer. Bislang ist die Branche noch wenig digitalisiert. Weil das Geschäft so gut läuft, haben viele große Unternehmen nicht den Druck, sich zu verändern. Seit ein paar Jahren versuchen Startups trotz der veränderungsresisten Branche, diesen großen Markt zu erschließen. 

Um diese neuen, digitalen Geschäftsmodelle in der Immobilienwelt zu finanzieren, ist Nikolas Samios Anfang des Jahres mit dem Wagniskapitalgeber Proptech1 Ventures gestartet. Zu seinen Geldgebern gehören 15 Immobilienunternehmen, die den jungen Unternehmen den Marktzugang ermöglichen sollen. Szene-Köpfe wie Christian Vollmann und Thermondo-Gründer Kristofer Fichtner unterstützen die Portfolio-Unternehmen zusätzlich. Zu den ersten Investments gehört beispielsweise Inpera, eine Online-Plattform für Baumaterialen. 

Im Interview spricht der Proptech-Investor Nikolas Samios über den Markt und ein Unternehmen, das die Branche mit einem einfachen Konzept wachgerüttelt hat.

Nikolas, der Immobilienmarkt ist sehr speziell. Die Lehren aus E-Commerce und Fintech lassen sich nicht einfach auf diese Branche übertragen. Wo siehst du überhaupt Angriffspunkte für Technologie?

Das ganze Immobilienthema ist so gigantisch, dass selbst schon die einzelnen Abschnitte interessant sind. Etwa die Finanzierung, der Bau, die Vernetzung, der Betrieb oder die Vermietung. In den vergangenen 50 Jahren wurde in diesen Feldern einfach so viel Geld verdient, dass bisher praktisch nicht auf das Thema Digitalisierung, Kundenorientierung und Prozessqualität geachtet werden musste.

Kannst du ein Beispiel geben?

Gerade hat ein Fonds aus London hier in Berlin ein ganzes Portfolio von Häusern gekauft – inklusive dem, in dem wir unser Office haben – und verkauft die Wohnungen in dem Portfolio jetzt einzeln. Die machen mit einem solchen ,Aufteiler-Geschäft‘ circa 20 Prozent Gewinn, ohne einen Eimer Farbe in die Hand zu nehmen. Immobilien, insbesondere aus Deutschland, sind in der Eurokrise und in der Zeit der niedrigen Zinsen außerdem zur Fluchtwährung Nummer eins geworden. Dadurch sind die Preise entsprechend stark gestiegen.

Wo können Startups jetzt angreifen?

Das ist einfach. Startups sollten sich einen Teilbereich aussuchen, der wichtig ist und dessen Ablauf mit moderner Technologie effizienter gemacht werden kann. Ein Beispiel ist BrokerTech, also digitale Makler: Das Schöne ist, hier verkauft das Startup keine Schuhe mit einem Warenkorb von 80 Euro und fünf Prozent Marge, sondern jemand verkauft eine Wohnung für im Schnitt 250.000 Euro. Und davon bekommst du etwa fünf bis sieben Prozent als Umsatz. Es gibt auch große Immobilienportfolios für 100 Millionen Euro und mehr, das ist quasi die B2B-Seite des Themas. Schafft es ein Startup, hier ein paar Prozent Effizienz reinzubringen, gibt es sehr attraktive Erlöse. Das ist beispielsweise das Modell von 21st Real Estate.

Wie sehen konkrete Beispiele aus?

Ein konkreter Ansatzpunkt ist das User-Interface des Mietens, denn das ist völlig kaputt. Der Prozess, eine Wohnung oder auch ein Büro zu finden, ist für beide Seiten viel zu ineffizient. Im schlimmsten Fall hat man eine Massenbesichtigung mit 50 Leuten, vor allem bei Wohnungen in den Top-Städten. Wenn du dann die Wohnung oder das Büro bekommen hast, gibt es die nächsten Probleme: Geht etwas kaputt, kämpfst du mit der Hausverwaltung, die ihr Telefon so schaltet, dass du nicht durchkommst. Dann muss dort wieder per Telefon ein Handwerker beauftragt werden, der dann wieder per Telefon mit dem Mieter den Termin vereinbaren muss. Startups können sich darum kümmern, diese Abläufe komplett zu digitalisieren, beispielsweise mit einer verhältnismäßig simplen App.

Der Bauprozess ist ein weiteres Beispiel: Dort haben sich die Arbeitsabläufe seit 100 Jahren nicht großartig verändert. Es wird zwar heute alles digital geplant, aber danach fällt das Projekt in ein analoges Loch: Die größte Innovation am Bau ist tatsächlich, dass die Leute heute ein Handy mit WhatsApp haben und sich Fotos von Mängeln zuschicken können. Aber sowas wie ein zentrales Trouble-Ticket-System wie Redmine, was in der IT völlig selbstverständlich ist, gibt es praktisch nicht. Oder wenn es um die Materialbeschaffung geht, ist das ganze E-Commerce-Thema noch komplett offen. Es gibt so gut wie keinen Online-Prozess, sondern alles läuft übers Telefon, Fax und im besten Fall E-Mail. Wer es schafft, einen dieser Bereich zu besetzen, hat einen Multimilliardenmarkt vor sich. Denn der Markt ist eben schon da und muss nicht erst geschaffen werden.

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Doch der wirtschaftliche Druck ist in der Branche noch nicht da, sich zu verändern.

Das geht gerade los. Die Immobilienbranche ist sehr stark vom Zinsniveau abhängig, welches mittelfristig steigt. Es passiert viel über geliehenes Geld von der Bank.

Wenn die Branche so gut verdient, warum ist das dann ein Problem?

Nehmen wir einem Besitzer von 100 Immobilien. Der baut nicht, der macht keine spektakulären Sachen mit den Häusern oder Wohnungen. Er vermietet sie einfach langfristig und schaut, dass der Leerstand möglichst gering ist. Die Immobilien sollen laufend Mieteinnahmen einspielen. So ein Player hat vielleicht eine Rendite von fünf Prozent auf das eingesetzte Eigenkapital. Wenn jetzt aber die Kosten für die Kredite steigen, nimmt ihm das ein oder zwei Prozentpunkte seiner Marge weg. Das ist ein substanzieller Unterschied. Er muss also versuchen, effizienter zu arbeiten oder seine Wertschöpfungstiefe auszubauen.

Und die anderen großen Player?

Es ist deutlich erkennbar, dass die Immobilienbranche aufwacht. Es gibt Generationenwechsel in den Vorständen und der Geschäftsführung. Die Neuen sind in der Regel digitalaffiner. Diverse große Player stellen gerade ihren ersten Chief Digital Officer an. Viele Unternehmen denken zurecht, dass sie eben jetzt in Innovation investieren müssen, solange es ihnen im Kerngeschäft noch gut geht. Im Banking oder Versicherungsbereich passierte vor fünf bis sieben Jahren das Gleiche. Bei Medien und dem Handel vielleicht schon vor zehn Jahren. Wir sehen oftmals ganz ähnliche Muster.

Woran erkennt man, dass sich die Branche bewegt?

 

Nikolas Samios investiert mit Proptech1 in neue Geschäftsmodelle der Immobilienwelt.

Woran erkennt man, dass sich die Branche bewegt?

Es gibt noch nicht sehr viele Deals. Aber die Zahl steigt. Einige der Investments haben Leuchtturmcharakter und animieren andere Unternehmen dazu, sich selber eine Digitalstrategie zu überlegen. Etwa wenn Union Investment in Architrave investiert, Patrizia in Evana oder die Berlin Hyp in 21st Real Estate. Die Immobilienunternehmen machen diese Deals ganz bewusst publik, damit sie zeigen, wie innovativ sie sind. Hundert andere Immobilienleute, die noch etwas dösig am Rand stehen, fragen sich dann, was da passiert. Unsere These ist, dass sich die Branche wie das Banking oder das Versicherungswesen verändert. Und die Immobilienbranche hat unglaublich tiefe Taschen. 

Was war die Reaktion der Branche auf Player wie den Coworking-Anbieter Wework?

Wework ist als totaler Außenseiter an den Immobilienplayern vorbeigezogen. Die fragen sich jetzt, warum sie nicht selber darauf gekommen sind. Vereinfacht gesagt: Den doppelten Preis pro Quadratmeter verlangen, ein paar Pseudo-Designmöbel in die Räume stellen und kürzere Vertragslaufzeiten anbieten. Wework denkt über seine Büromieter wie über Konsumenten. Der gewerbliche Real-Estate-Markt wird verbraucherorientierter. Auch das Thema Marke bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Die bisherigen Immobilienanbieter hatten sich mit diesem Thema noch gar nicht richtig beschäftigt.  

Werden sich denn auch die Häuser selbst grundlegend verändern? Es gibt ja zum Beispiel Konzepte von kleinen, mobilen Häusern auf den Dächern.

Natürlich gibt es viele innovative Neubauten. Wenn du als Startup also eine Technik entwickelst, mit der man Neubauten energieeffizienter macht, ist das toll und trägt sich vielleicht auch. Wenn du aber etwas entwickelst, was sich elegant nachträglich in bestehende Immobilien einbauen lässt, hast du den vielleicht 100-fachen Markt.

Ein Beispiel: Wir haben in Simplifa investiert, eine Firma, die das Thema Aufzugsbetrieb und -wartung digitalisiert. Aufzüge in Deutschland sind im Schnitt bis zu 35 Jahre alt und werden nie komplett ausgetauscht, sondern wie ein Flugzeug immer wieder mal modernisiert. Der von Simplifa angebotene Service funktioniert sowohl mit diesen alten Aufzügen als auch mit neuen, digitalen Fahrstühle. Dadurch ist der Markt sehr viel größer.

Wir wollen nicht wie Google X in Moonshots investieren, die in 50 Jahren die Welt verändern, sondern uns an Startups beteiligen, die in spätestens drei bis vier Jahren kommerziell richtig gut laufen. 

Makler-Startups wie Maklaro, McMakler und Homeday sind schon länger am Markt. Vor zwei Jahren, als das Bestellerprinzip geändert wurde, gab es einen regelrechten Hype. Wie siehst du das Segment?

Nach dieser Gesetzesänderung haben viele gesagt, dass die Startups den Maklern die Butter vom Brot nehmen. Mittlerweile machen alle Startups von damals ungefähr das Gleiche: Sie haben Makler angestellt oder arbeiten mit Maklern zusammen. So hardcore-disruptiv, wie von einigen angekündigt, ist das Ganze also auch nicht. Es geht bei Proptechs eben sehr oft darum, mit der Industrie den Status quo zu verändern und nicht pauschal gegen sie zu arbeiten. Das Immobilienmaklermodell ist quasi E-Commerce mit einem Warenkorb von 250.000 Euro. Bisher gibt es dort keinen klaren Marktführer und das Rennen ist noch völlig offen.

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Es geht also darum, einen kleinen Schritt im Prozess zu finden und diesen effizienter zu machen. Danach müssen die Startups ihr Produkt allerdings an eine schwierige Zielgruppe vertreiben. Zum Beispiel Vermieter und Baufirmen.

Das ist richtig. Vieles ist B2B und da kannst du in der Regel keine Werbung bei Google Adwords schalten und damit den Umsatz verdoppeln. Das Startup muss die Branche verstehen und sich in einer smarten Art und Weise vernetzen, etwa über eine Beteiligung durch einen strategischen Investor.

Nehmen wir noch mal das Beispiel E-Commerce. Im Vergleich dazu ist es schwieriger für die Immobilienunternehmen, in andere Länder zu expandieren, weil die Märkte sich stark unterscheiden.

Das stimmt je nach Themenfeld, weil sich etwa die Regulatorik regional unterscheidet. Allerdings hat ein deutsches Proptech-Startup den Vorteil, dass sehr viele Trends tatsächlich aus Deutschland kommen. Hier werden viele Standards gesetzt, zum Beispiel beim Thema Energieeffizienz, der Statik oder der Qualität von Gebäuden. Da muss niemand ins Silicon Valley oder nach Südkorea schauen. Auch der deutsche Immobilienmarkt an sich riesig. Das heißt, dort kann man sich erst einmal austoben. Die europäischen Märkte ticken auch nicht komplett anders als Deutschland. Im Proptech passiert also vieles lokal, auch für spätere strategische Beteiligungen und Exits. Denn viele große Unternehmen sitzen im deutschsprachigen Raum. Die brauchen Innovationen und müssen über kurz oder lang zukaufen. Gerade bei europäischen Proptechs wird es daher mehr Exits an europäische Unternehmen geben als an beispielsweise amerikanische.

Bild: Proptech1