Alexander Huber ist Marketingchef von One, das in Lichtenstein eine Versicherungslizenz besitzt.
Alexander Huber ist Marketingchef von One, das in Lichtenstein eine Versicherungslizenz besitzt.

Im Banking hat es ein Startup bereits geschafft. N26 konnte mit seiner Bank-App viele junge Kunden gewinnen. Das Thema Versicherungen ist sehr viel schwieriger, weil die Kunden sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen wollen. Digitalunternehmen wie One Insurance, Getsafe und Coya versuchen sie trotzdem zu erreichen – mit massiven Werbekampagnen. Sie bieten zum Beispiel Haftpflicht- und Hausratversicherungen an.

Genau eine Kennzahl ist aus diesem Grund wichtig: die Customer Acquisition Costs, also die Kosten, um einen Kunden durch Marketing zu gewinnen. Im Gründerszene-Interview spricht der Marketingchef und Mitgründer der One-Versicherung, Alexander Huber, erstmals über die Kundenzahlen des jungen Unternehmens und Marketingstrategien. Bislang gewinnt das Insurtech-Startup die meisten Kunden über altbekannte Wege. Wo steht One ein Jahr nach dem Start?

Alex, ihr seid vor einem Jahr mit aggressivem Marketing gestartet. Wie läuft es bislang?

Ich weiß nicht, ob man das als aggressiv bezeichnen kann. Wir haben etwas gemacht, das man im Marketing Frontloading nennt. Um vom Start weg unsere Marke zu etablieren und Vertrauen aufzubauen, haben wir mehr Geld in die Hand genommen und später die Ausgaben verringert. Mittlerweile liegen die Marketingkosten, um einen Kunden zu gewinnen, zwischen 30 und 35 Euro.

Gleich zum Start gab es eine Marketingaktion, bei der die Kunden ein Jahr lang keine Beiträge für eure Hausratversicherung bezahlen mussten. Bei der Konkurrenz ist das als aggressives Vorgehen angekommen. Habt ihr diese Marketingausgaben mit eingerechnet?

Es handelte sich damals um eine Promo-Aktion von Wefox, dem Versicherungsmakler der Unternehmensgruppe. One und Wefox gehören beide zur Wefox Group. Diese Marketingaktion lief für zwei Monate unabhängig von unseren eigenen Werbekampagnen. Ich kann darüber also nichts sagen.

Die Wefox Group befindet sich gerade im Fundraising. Mehr als 100 Millionen Euro will das Versicherungsstartup einsammeln. Bisher haben Geldgeber wie Salesforce und Target Global in das Berliner Unternehmen investiert. Im Sommer wurde Wefox vom US-amerikanischen Konkurrenten Lemonade verklagt und einigte sich später außergerichtlich

Also trägt am Ende die Muttergesellschaft die Marketingkosten?

Für diese spezifische Aktion trägt Wefox die Kosten. Das lohnt sich für das Unternehmen, weil es dem Kunden später noch andere Produkte verkaufen kann. Die 30 bis 35 Euro beziehen sich jedoch auf unseren eigenen Direktkanal. Zum Beispiel Kunden, die wir über Soziale Netzwerke direkt gewinnen konnten. Bislang kommen knapp 90 Prozent der Kunden über Maklerplattformen wie Check24 oder Wefox. Im Übrigen arbeiten Wefox und One völlig unabhängig voneinander und haben dementsprechend ihre eigenen Marketingbudgets und Werbekampagnen laufen.

Wie viel Kunden habt ihr insgesamt?

Wir haben nach einem Jahr auf dem Markt mehr als 70.000 Kunden. Durch unsere Technik brauchen wir dafür nur vier Sachbearbeiter.

Müssen die Kunden eure App verwenden?

Unser Service ist darauf ausgelegt. Wenn es zum Beispiel darum geht, seinen Schaden erstattet zu bekommen, funktioniert das über die App sehr viel einfacher. Unsere Kunden können aber auch, gerade bei größeren Schäden, jederzeit bei uns anrufen.

Lest auch

Laut dem Schätzungs-Tool von Priori Data kommt ihr auf 23.000 Downloads. Wie lässt sich diese große Differenz zwischen Downloads und Kunden erklären?

Die Schätzung ist nicht ganz korrekt. Aber es stimmt, nicht alle Kunden nutzen die App. Kunden, die beispielsweise über Makler zu uns kommen, sind oft älter und nicht alle wollen die Daten selber in der App eintragen. Du musst bedenken, dass wir uns auf einem neuen Terrain bewegen. Wir sind zuversichtlich, dass die Akzeptanz für eine App auch bei älteren Menschen Schritt für Schritt steigen wird.

Versicherungs-Startups sind angetreten, um den teuren Vertriebskanal über Makler oder Plattformen wie Check24 zu umgehen. Wie wird sich der Verkauf von Versicherungen in den kommenden Jahren verändern?

Durch den demographischen Wandel wird es sicherlich noch einige Jahre dauern, bis die Menschen ihr Verhalten verändert haben. Versicherungen sind allerdings ein typisches Push-Produkt. Für manche Versicherungen bedarf es viel Beratung, daher hat der Makler auch weiterhin eine Daseinsberechtigung. Aus Marketingsicht gehören Versicherungen zu den schwierigsten Produkten, die man vertreiben kann. Mit diesem Problem kämpfen besonders unsere Berliner Wettbewerber, die gerade unglaublich viel Geld in Marketing stecken.

Für Versicherungsprodukte ist es allgemein möglich, dass mehr als 100 Euro an Marketingausgaben nötig sind, um einen Kunden zu gewinnen. Die günstigste Haftpflichtversicherung kostet bei One pro Jahr 27 Euro. In diesem Fall muss der Kunde bei Marketingkosten von etwa 35 Euro mehr als ein Jahr bleiben, damit One mit ihm Geld verdient.

Wie lässt sich dieses Vertriebsproblem umgehen?

Wir wollen die Versicherung von One bei anderen Unternehmen integrieren. Zum Beispiel, wenn du online ein Fahrrad kaufen möchtest, bekommst du direkt eine Fahrradversicherung angeboten. Auch klassische Versicherer müssen dringend anfangen in digitalen Ökosystemen zu denken. Sonst sieht ihre Zukunft düster aus. Ansonsten suchen wir unsere Zielgruppen in sozialen Netzwerken – und setzen den Fokus nicht nur auf Millennials in Berlin, sondern versuchen auch junge Kunden abseits der großen Städte zu finden. Wenn man unsere Marketingkampagnen neben die der Wettbewerber legt, sieht man, dass sie unsere Alleinstellungsmerkmale kopiert haben. Das macht uns auch ein Stück weit stolz.

Das US-Startup Lemonade ist schon vor euch gestartet – und gilt als Vorbild für das Segment.

Ja, Lemonade ist auch ein Vorbild für uns. Die ganze Markenkommunikation ist wirklich gut.

Wie soll sich euer Produkt weiterentwickeln?

Wir werden unser Produktangebot um sogenannte Kurzzeitversicherungen erweitern, bei denen das Smartphone für die Datenerfassung eine große Rolle spielt. Die Versicherung wird sich auf die individuelle Situation des Kunden einstellen. Schon bald starten wir mit einem Produkt namens Travel Light: Wer beispielsweise zum Flughafen fährt, erhält eine Reiseversicherung via Push-Nachricht angeboten. Über das GPS des Smartphones erkennt die App, dass sich der Kunde im Flughafen befindet und bietet eine Schadens- und Diebstahlabsicherung für die Dauer seiner Reise an. Wird im Urlaub beispielsweise der Laptop geklaut, können unsere Kunden schon in 24 Stunden das Geld erstattet bekommen.

Alles soll per App funktionieren. Wie kann der Kunde nachweisen, dass sein Laptop geklaut wurde?

Er muss einfach unserem Chatbot ein paar Fragen beantworten und einen Bericht von der Polizei fotografieren und in der App hochladen. Das Ganze funktioniert auch über die Webseite oder per Hotline.

Das verleitet auch zu Betrug. Habt ihr damit zu kämpfen?

Natürlich gab es Betrugsfälle. Es sind rund ein Dutzend pro Monat. Gerade bei einem jungen Anbieter wollen es die Leute erst einmal versuchen. Wir hätten aber mit weitaus mehr gerechnet.

Ein Hauptargument für One ist die schnelle Bearbeitung der Versicherungsfälle. Wie viele Erstattungen funktionieren denn bereits automatisiert?

60 Prozent hatten wir uns zum Ziel gesetzt und dort sind wir ungefähr. Die meisten Schäden sind Elektronikgeräte in einem Wert von unter 100 Euro. Einmal ist die Küche eines unserer Kunden abgebrannt. Zum Glück ohne dass Personen zu Schaden gekommen sind. Das hat etwa 30.000 Euro gekostet. Für diese Fälle arbeiten wir mit einem Partner zusammen, der vor Ort die Kunden betreut und Schäden beurteilt.

Bild: One