Der Erfolg wird kommen. Die Frage ist nur: wann?

Ein Kommentar von Julian Leitloff, Gründer von Fractal Blockchain

Als der Neue Markt 2001 zusammenbrach, hatten es viele schon immer gewusst: Dieses Internet ist eine große Blase und produziert vor allem abstruse Unternehmensbewertungen. Die gleichen Skeptiker pilgern heute nach San Francisco, um den Spirit dieser Region zu verstehen. Sie posten ein Selfie mit einem gelben Google-Fahrrad auf Facebook. Was sie dabei gerne vergessen: Zahlreiche der wertvollsten Unternehmen entstanden im Neuen Markt, Amazon wurde 1994 gegründet, Google im Jahr 1997. Sie haben ihr Versprechen, die Welt zu verändern, eingelöst. Wenn auch erst etwas später als gedacht. 

Geschichte wiederholt sich nicht, aber die Parallelen sind eindeutig. Auch im Blockchain-Bereich gibt es starke Übertreibungen, es existiert eine Technologie die unglaubliches Potential besitzt. Sie hat ebenfalls unglaublich viele Kinderkrankheiten. Gleichzeitig ist das Umfeld heute anders – Informationen verbreiten sich viel schneller und die Welt ist globaler als noch vor 20 Jahren. Außerdem sind heute aus der Erfahrung heraus, selbst konservative Investoren viel eher bereit auf neue Technologie zu setzen. Das alles führt dazu, dass bei Initial Coin Offerings – kurz ICOs – so viel Geld eingesammelt wird.

Eine Szene finanziert sich selbst

So war das anfangs gar nicht gedacht. Die ersten ICOs entstanden als Notwehr gegenüber klassischen Wagniskapitalgebern, die nicht bereit waren Open-Source-Blockchain-Projekte zu finanzieren. Um sich trotzdem finanzieren zu können, fingen Projekte an, ihre ersten Coins zu verkaufen – eine Szene finanzierte sich selbst. Viele der heute steinreichen Blockchain-Gründer haben in harter Arbeit ein Open-Source-Projekt gestartet, obwohl es damals nicht zwangsläufig die Aussicht auf Millionengewinne gab.

Dieser Artikel ist eine Erwiderung auf den Gründerszene-Kommentar:

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Open-Source-Projekte waren schon immer wertvoll für ihre Nutzer, man denke etwa an Wikipedia oder Linux. Allerdings sind sie selten ergiebig für ihre Unterstützter. Die Blockchain-Technologie ändert das. Plötzlich gibt es einen großen Anreiz Open-Source-Projekte zu starten, die eine öffentliche Infrastruktur schaffen und kostenlos Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die wir alle brauchen. Blockchains sind große Anreizmaschinen, damit wir uns beispielsweise gegenseitig unser Wlan zur Verfügung stellen oder uns Speicherplatz teilen. ICOs machen das erst möglich.

Echte Blockchain-Projekte versuchen einen weltweiten Standard zu setzen und den Anreiz zu schaffen diesen Standard zu nutzen. Dafür muss ein Coin einen Wert besitzen. Die Bewertung dieser neuen Coins mag erst einmal unvorstellbar hoch erscheinen. Doch sollte es tatsächlich gelingen einen Standard für den Datenaustausch zu schaffen, der weltweit genutzt wird, werden die Coins weit mehr wert sein als die einzelnen Unternehmen, die ihn nutzen. Man stelle sich vor, Facebook, Google und Co. würden alle ein Blockchain-Protokoll verwenden und die Daten dezentral speichern, sie wären dann nur noch Apps, die auf diesem Protokoll laufen. Während Unternehmen nach ihrem abgezinsten Kapitalfluss bemessen werden, ist der Wert der Coins wie bei Währungen auch zu berechnen: Je mehr Nutzung, desto höher die Bewertung.

Längst deutet sich ein neuer Anwendungsfall an: Anteilsscheine und Kreditverträge können über Coins (auch Tokens genannt) verbrieft werden. Was bisher auf ein Stück Papier verbannt wurde, wird in Software-Code in einen Token geschrieben. Solche sogenannten klugen Verträge („Smart Contracts“) sind ihrer Papiervariante deutlich überlegen: Sie sind einfach handelbar, transparent, ihre Regeln werden direkt ausgeführt und müssen nicht erst durch einen Anwalt interpretiert und vor Gericht durchgesetzt werden. Durch den Hang zur Standardisierung zeichnet sich ab, dass diese Art der Verträge zur rechtlichen Lingua Franca für die Finanzierung werden könnte.

Nach der Ernüchterung kommt der Erfolg

Egal was der ICO-Markt in dieser jungen wilden Phase gerade macht – die grundlegenden technischen Vorteile dieser Finanzierungsform gehen nicht mehr weg. Und sie werden mehr gebraucht denn je, zum Beispiel damit wir die Hoheit über unsere eigenen Daten aus den Händen der Social-Media-Konzerne oder Suchmaschinen-Anbietern zurückerlangen.

Auch wenn heute viele der ICOs scheitern, wird es langfristig großen Erfolge geben, die auf die ganze Finanzierungsform abfärben. Nationale Regulierungen, wie Kritiker argumentieren, werden auf einen internationalen Markt kaum eine Chance haben, die Anleger abzuschrecken. Denn es wird immer den Anreiz geben, für ein bestimmtes Land besonders freundlich für eine innovative Finanztechnologie zu sein. 

Heute ist die Finanzierungsform noch betrugsanfällig. Doch abgesehen vom nationalen Rechten, die ein Anleger hat, werden Rechte zusätzlich im Smart Contract definiert. Betrug ist auch auf der Blockchain ein Betrug. Weil der Bereich noch so jung ist, gibt es noch keine rechtskräftigen Verurteilungen.  Forensiker der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden arbeiten dran, diese transparente Transaktionshistorie zu analysieren.

Auch wenn wir noch einmal eine ähnliche Ernüchterung wie 2001 erleben werden: Diese Technologie verändert die Welt und das Google von morgen ist vielleicht schon dabei. Es könnte nur sein, dass es auch diesmal wieder etwas länger dauert, als uns versprochen wurde.

Bild: Getty Images / Alan Crowhurst / Freier Fotograf