Viralhit von Rise: der Traum vom schnellen Geld.

Ein verwahrloster Mann läuft auf dem Gehweg in einen Banker hinein. Erst ärgert er sich, doch dann entdeckt er den gelben Kleinwagen, der dem Anzugträger gehört. Er fängt an zu lachen, steigt in seinen Lamborghini und braust davon. Auf dem Luxusauto prangt das Logo des Münchner Startups Rise.

Diesen kurzen Videoclip sollen sich mehr als 20 Millionen Menschen angeschaut haben, heißt es von den Machern. Die Werbebotschaft ist eindeutig: Mit Rise kann einfach jeder reich werden. „Investieren wie ein Milliardär“, ist als Erstes auf der Homepage des Unternehmens zu lesen. „Passives Einkommen. Für immer.“

Mit solchen Aktionen pries das Unternehmen in den vergangenen Wochen offensiv sein Initial Coin Offering (ICO) an. Die Pläne des Startups: Ohne Mindestanlagesumme sollen vor allem Kleininvestoren die Möglichkeit erhalten, ihr Geld wie „milliardenschwere Hedge Funds“ zu vermehren, tönt Rise in einer Pressemitteilung. Alles verpackt in einer App. Dahinter stecke die „bewährte Trading-Technologie von Quantumrock, dem Anbieter von Finanzprodukten zur Bafin-lizensierten Vermögensverwaltung“, heißt es in der Mitteilung weiter. Dank Künstlicher Intelligenz übertreffe Quantumrock mit seinen Anlagen bereits seit 2012 die globalen Märkte.

Die Pläne für den Rise-ICO sind entsprechend groß: Insgesamt 120 Millionen Dollar will das Startup von Anlegern einwerben. Mit dieser Summe kalkuliert es seine Ertragsmodelle. Gelingt das Vorhaben, wäre es einer der größten deutschen ICOs überhaupt. Insgesamt 19.000 Nutzer tauschen sich in der Telegram-Gruppe des Unternehmens bereits über das potenzielle Investment aus.

„Irreführende“ Werbeaussagen?

Doch ist das Angebot seriös? Wolf Brandes sieht Unternehmen wie Rise kritisch. „Bei Produkten des Grauen Kapitalmarktes wird häufig mit sehr hohen Renditen geworben, ausreichende Risikohinweise fehlen jedoch oft“, sagt der Verbraucherschützer aus Hessen. Beim Grauen Kapitalmarkt handelt sich um unregulierte Finanzunternehmen. In einer Beispielrechnung, die auf der Homepage Rise.eco zu sehen war, stieg der Wert der Anlage in fünf Jahren um 675 Prozent, aus 1.000 Dollar sollten 7.750 Dollar werden. Selbst im schlechtesten Szenario sagte Rise eine Rendite von 100 Prozent voraus. Dies sei fernab jeder Marktentwicklung, sagt Brandes. Vom Unternehmen heißt es dazu: „Risikohinweise und Berechnungsmethoden sind ausführlich an verschiedenen Stellen erläutert sowie anwaltlich abgestimmt.“

Wegen des aggressiven Marketings des Startups beschäftigt sich unterdessen auch die Finanzaufsicht mit Rise. Das Unternehmen dürfe nicht damit werben, dass es mit Quantumrocks einen Bafin-lizensierten Partner habe, heißt es von einer Sprecherin der Behörde. Dies sei für Verbraucher „irreführend“ und rufe falsche Vorstellungen über Art und Umfang der Aufsicht hervor – um das Unternehmen seriöser wirken zu lassen. Man habe „die erforderlichen Schritte eingeleitet“, um dies zu unterbinden, teilt die Bafin mit.

Bekannte Köpfe der Kryptoszene involviert

Zu dem fragwürdigen Marketing kommen fragwürdige Berater. Nach Informationen von Gründerszene helfen bei dem Rise-ICO Unternehmer mit, die keine Unbekannten sind. Vielmehr sind mindestens vier Personen beteiligt, die seit Mai 2018 mit dem Startup Envion in einen der größten Skandale der deutschen Kryptoszene verwickelt sind.

Anfang des Jahres hatten sie Envion mit aufgebaut und einen beeindruckenden ICO hingelegt: 100 Millionen Dollar bekam das Startup. Es sollte damit portable Container herstellen, in denen Kryptowährungen gemined werden können. Doch die Produktion lief nie an. Die Gründer und der Geschäftsführer zerstritten sich, es ging bis vor Gericht. Mindestens ein Verfahren läuft noch. Seither bangen die 30.000 Anleger um die Millionen, doch ob sie ihr Geld wiederbekommen, ist ungewiss.

Für Rise kümmern sich die Envion-Macher nun vor allem um die Werbung. Laurent Martin steckte bereits bei Envion hinter der erfolgreichen Marketing-Strategie, die die Millionen einbrachte. Er bespielte die Social-Media-Kanäle. Nun organisiert der deutsch-amerikanische „ICO-Consultant“ für Rise vor allem Events und Konferenzen. Martin tue dies im Auftrag der Berlin Technology Group (BTG), sagt Rise-CEO Stefan Tittel. Das Unternehmen helfe Rise beim ICO. Martin habe er als „vernünftigen und hart arbeitenden jungen Mann“ kennengelernt, sagt Tittel. Erst nachträglich habe er von der Envion-Verbindung erfahren und sei weiterhin mit seiner Arbeit zufrieden.

Auch Michael Luckow, Gründer von Envion, und mindestens zwei weitere Mitglieder aus dem ehemaligen Kernteam des Startups sind im Hintergrund an den Vorbereitungen des ICOs beteiligt – ebenfalls für die Berlin Technology Group, wie Gründerszene-Recherchen zeigen. Das Unternehmen aber bestreitet dies: Die Envion-Macher seien „keine Angestellten der BTG und stehen in keiner vertraglichen Verbindung zur BTG“. Von Rise heißt es: Bei der Berlin Technology Group handele es um einen Partner fürs Marketing, die Verbindung zu den weiteren ehemaligen Envion-Mitarbeitern kenne man nicht.

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„Für Anleger ist es wichtig, alle Beteiligten vor dem Investment zu kennen“

Es ist eine Verbindung, über die das Startup Rise vor dem ICO offenbar ebenfalls lieber nicht sprechen wollte. So sind neun Berater auf der Homepage des Startups zu finden. Vom Marketing-Manager Laurent Martin ist allerdings weder dort noch im Whitepaper die Rede. „Für uns war das ehrlich gesagt nicht wesentlich“, sagt Tittel. Verbraucherschützer Brandes sieht das allerdings ganz anders: „Gerade beim Grauen Kapitalmarkt ist es wichtig, alle Beteiligten vor dem Investment zu kennen, damit Anleger sich ein Bild machen können, ob Interessenskonflikte vorliegen.“

Beim aggressiven Marketing ist Rise unterdessen zurückgerudert: Die schwindelerregenden Renditekalkulationen sind von der Homepage verschwunden, auch das Whitepaper ist online nicht mehr zu finden. Mit seinem Security-Token in Deutschland betrete das Unternehmen „Neuland“, sagt Rise-CEO Stefan Tittel, deswegen würden die Modelle noch angepasst. Auch die „Risikopotentiale“ sollten beim Renditerechner künftig „ganz deutlich“ werden.

Für die Überarbeitung hat das Unternehmen nun erst einmal Zeit: Am vergangenen Wochenende gab Rise zur Überraschung der Investoren bekannt, dass es seinen ICO auf das kommende Frühjahr verschiebt. Die fallenden Kurse auf dem Kryptomarkt seien dafür verantwortlich. Druck von der Finanzaufsicht habe es nicht gegeben, versichert der Rise-Chef: „Das Feedback der Bafin zu unserem Modell war in Summe positiv“, findet Stefan Tittel.

Diese Kalkulation war auf der Rise-Homepage zu finden.
Diese Kalkulation war auf der Rise-Homepage zu finden.

Bilder: Rise (Screenshots)