Savedroid-CEO Yassin Hankir (rechts) mit COO Marko Trautmann (links), CTO Tobias Zander (Mitte) und Chief Pet Officer Lila (mit Halsband)

Kein deutsches Fintech ist so umstritten wie das Frankfurter Startup Savedroid. Als sich der Gründer im April scheinbar mit dem Geld der Investoren aus dem Staub machte, war der Skandal da. Erst später kam raus: alles nur inszeniert, PR auf Kosten der Geldgeber. Seitdem gelobt der Gründer Yassin Hankir Besserung. Man wolle an einem seriösen, vertrauenswürdigen Geschäftsmodell arbeiten.

Peniswitze auf Kosten der Kunden

Doch wie mehrere ehemalige Mitarbeiter gegenüber Gründerszene übereinstimmend berichten, war der PR-Stunt nicht der einzige seltsame Einfall von Hankir. Er habe ebenfalls überlegt, zum Ende des ICOs die Website von Savedroid durch das Bild eines Penis zu ersetzen. In der Kryptoszene gilt das als Symbol für einen Exit Scam. Dabei machen sich Gründer meist mit Millionensummen aus dem Staub und betrügen ihre Investoren. Nicht, dass sich Yassin Hankir wirklich ins Ausland absetzen wollte. Die Penis-Website sollte seine Investoren nur erschrecken und international Aufmerksamkeit wecken.

Auch an anderer Stelle habe Hankir Savedroid-Fans mit Peniswitzen beglücken wollen, sagen die Ex-Mitarbeiter. Wenn der Kunde sich beim Token-Kauf umentscheide und den Bezahlvorgang abbreche, solle ihm eine Nachricht eingeblendet werden, so der angebliche Plan des Fintech-CEOs. Der Inhalt: Er, der Kunde, würde sich nur nicht zum Kauf entscheiden, weil er einen kleinen Penis habe – so die Auskunft ehemaliger Mitarbeiter. Diese Ideen seien Hankir jedoch vom Team ausgeredet worden. Gegenüber Gründerszene weist Hankir diesen Vorwurf als „völlig haltlos zurück“.

Wenig später konnte sich das Team laut den Schilderungen der Mitarbeiter jedoch gegen Hankirs Ideen nicht mehr durchsetzen. Was folgte, war der bekannte PR-Stunt: ein inszenierter Exit Scam, Bloomberg, FAZ, ARD, Handelsblatt, SZ, Wirtschaftswoche, Alphaville und Gründerszene berichteten. 24 Stunden hielt Hankir das Theater durch, Gründer und Team flüchteten in die Nachbarstadt – aus Furcht vor Racheakten der Investoren. Im Netz brach sich die Wut der scheinbar Betrogenen Bahn, Mordaufrufe inklusive. Die Staatsanwaltschaft schaltete sich wegen Betrugsverdacht ein. Dann beendete Hankir die Farce: Alles nur ein Gag, um auf schwarze Schafe in der Szene aufmerksam zu machen, sagte er. Die Fintech-Szene war trotzdem nicht amüsiert. Später entschuldigte sich Hankir für die Aktion. 

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Gegenüber Gründerszene wollte Hankir zu den aktuellen Vorwürfen nicht Stellung beziehen. Fragen ließ er unbeantwortet, stattdessen ein Statement, warum Savedroid ein „sehr attraktiver Arbeitgeber“ sei, aus dem wir im Folgenden zitieren.

Update, 23.08.2018: Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Artikels wollte Savedroid doch noch Stellung beziehen. Wir haben die Position von CEO Yassin Hankir nachgetragen. 

Eine andere Version der Geschichte als der CEO erzählen die ehemaligen Mitarbeiter und Geschäftspartner von Savedroid, mit denen Gründerszene in den vergangenen Monaten sprach. Sie zeichnen ein düsteres Bild des Frankfurter Fintechs. Aus Gründen des Quellenschutzes verzichten wir auf namentliche Nennungen.

Ausbeutung und Fake-Bewertungen?

„Es war schmuddelig, die Arbeitsatmosphäre deprimierend“, so beschreibt ein Ex-Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz. Savedroid sei in eine ehemalige, fensterlose Fabrikhalle mit schlechten Sanitäranlagen und ohne Warmwasser umgezogen. Obwohl Savedroid als Fintech eigentlich mit sensiblen Daten hantiere, hätten Mitarbeiter auf ihren privaten Laptops arbeiten müssen. CEO Hankir hingegen lobt das „stylische und etwas ungewöhnliche Büro“, das in „einer der angesagtesten Pop-up-Locations“ Frankfurts liege. Man möge sich selbst ein Bild des Büros machen, sagt Hankir und verweist auf die Website des Vermieters. Der „Teamspirit“ sei stark. Mitarbeiter hätten die freie Wahl, ob sie eigene oder Firmen-Rechner nutzen wollen. Das stünde nicht im Widerspruch zu den zertifizierten Datenschutzanforderungen. 

Nach außen war von schlechter Stimmung tatsächlich lange nichts zu merken. Auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu reihte sich bis Ende 2017 eine positiver Fünf-Sterne-Kommentar an den anderen. Den Grund beschreibt ein ehemaliger Mitarbeiter so: „Als ich mich bei Savedroid bewarb, hatte das Unternehmen fünf Sterne. Ich dachte, das sei ein guter Laden. Aber in der Begrüßungsmappe, die ich am ersten Tag bekam, wurdest du aktiv aufgefordert, Savedroid gut zu bewerten.“ Gezwungen worden sei man aber nicht. CEO Hankir weist diese Darstellung hingegen zurück. Mitarbeiter seien nicht zu guten Bewertungen aufgefordert worden. Man „informiere“ neue Mitarbeiter nur über alle öffentlichen Kanäle, die Savedroid habe.

Von Mitarbeiter-Seite heißt es , dass sich die Teamstimmung stark geändert habe. 2017 sei der „Startup-Spirit“ noch da gewesen. Im Februar 2018 scheint die Stimmung auch auf Kununu dann gekippt zu sein. Seitdem häufen sich Negativ-Kommentare über die schlechte Arbeitssituation, „Überstunden ohne Ende“, Ausbeutung und ausstehende Gehälter. Auch die angebliche Fake-Bewertungspraxis wird angesprochen.

6 Marketing-Stunts, die gründlich daneben gegangen sind

Gegenüber Gründerszene klagen Ex-Mitarbeiter zudem immer wieder über die tiefe Kluft zwischen Gründern und Teams. Die Atmosphäre sei schrecklich gewesen, man sei wie ein „Loser“ behandelt worden, erzählt einer und ein anderer berichtet über die dreimonatige ICO-Zeit: „Oft kamen Leute dazu, viele angestammte Mitglieder gingen.“ Angestellte seien schlecht behandelt worden, nicht selten habe Savedroid nur den Mindestlohn gezahlt. „Es war immer: Ihr müsst härter arbeiten. Verschwendet keine Zeit. Wir müssen Geld verdienen“, erzählt ein Ex-Mitarbeiter gegenüber Gründerszene, „Und wir haben wie verrückt gearbeitet, Tag und Nacht. Ich habe viele, viele Überstunden in der Zeit gemacht. Aber es war ihnen nicht genug.“

Bis heute erzählen ehemalige Mitarbeiter von ausstehenden Löhnen. Trotz Verträgen seien Überstunden nicht wie vereinbart in Kryptowährungen vergütet worden. Gegenüber Gründerszene bestätigt CEO Hankir, dass es in der ICO-Phase zu „deutlich längeren“ Arbeitszeiten gekommen sei. Er wolle das nicht „beschönigen“. Das sei aber ein „inhärenter Bestandteil der Startup-DNA“. Die Überstunden seien freiwillig gewesen und seien „wie vorab vereinbart, auch vergütet“ worden. Kein Mitarbeiter hätte für Mindestlohn gearbeitet, Savedroid bezahle „attraktive Vergütungspakete“. Offene Gehaltsforderungen gebe es nicht. Ex-Mitarbeiter, mit denen Gründerszene gesprochen hat, widersprechen dem. 

Um die Stimmung im Team zu heben, hätten die Gründer im Mai eine Ferienfahrt nach Thailand für das Team gebucht, so die ehemaligen Mitarbeiter. Bezahlt worden sei der Trip aus den Geldern der ICO-Investoren. Aus Sicht von Yassin Hankir ist diese Darstellung „inhaltlich komplett falsch“. Solche Team-Fahrten ins Ausland unternähme Savedroid regelmäßig mindestens einmal im Jahr. Bezahlt worden sei der Trip aus „Mitteln der Eigenkapitalerhöhungen“. 

Mit KryptΩ-Ads gegen Facebooks Algorithmus

Nach Meinung der ehemaligen Mitarbeiter habe sich die Kluft zwischen Team und Gründern sich im Verlauf des Savedroid-ICOs verschärft. Hankir habe sein Startup zunehmend „dikatorisch geführt“. Der weist diese Schilderung gegenüber Gründerszene als „völlig haltlos“ zurück. Entscheidungen seien bei Savedroid von den laut Geschäftsordung relevanten Gremien getroffen – und nicht von Einzelpersonen. Man pflege einen „respektvollen und offenen Austausch“, jeder dürfe Kritik äußern. 

Ex-Mitarbeiter nennen als Anlass für die sinkende Moral hingegen besonders ein Ereignis: So habe im März Googles und Facebooks Entscheidung, Krypto-Werbung von ihren Plattformen zu verbannten, Savedroid schwer getroffen. Der Traffic sei von rund 2,4 Millionen Aufrufen täglich um 95 Prozent auf 100.000 Klicks eingebrochen. Die Zahl der täglich verkauften Token sei entsprechend gesunken. Um doch noch Reichweite zu generieren, hätten die Gründer das Marketing-Team angewiesen, viele Facebook- und Google-Ads zu buchen. Denn bis diese vom Algorithmus blockiert werden, vergeht Zeit. Savedroid habe täglich bis zu fünfstellige Beträge für Ads ausgegeben, erzählt ein Ex-Mitarbeiter. Doch auch die IT-Konzerne hätten dazugelernt. Savedroid habe daraufhin mithilfe des Berliner Unternehmens Paranoid Internet von Krypto-Interpreneur Dennis Weidner versucht, Ads am Sperr-Algorithmus vorbeizuschleusen. So habe man beispielsweise das Wort „Krypto“ mit „Ω“ statt mit „o“ geschrieben. Lange geholfen habe aber auch das nicht. Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Artikels weist CEO Hankir Zahlen und Behauptungen zurück: Sowohl die absolute Höhe der genannten Zahlen wie auch deren prozentualer Rückgang seien falsch. Man optimiere täglich die Marketing-Ausgaben, die beschriebene Anweisung an das Team habe es nicht gegeben. 

Bild: Savedroid

Savedroid-CEO Yassin Hankir (rechts) mit COO Marko Trautmann (links), CTO Tobias Zander (Mitte) und Chief Pet Officer Lila (mit Halsband)

Die Stimmung im Savedroid-Team sei derweil immer angespannter gewesen, berichten Ex-Mitarbeiter. Kurz vor Ende des Tokenverkaufs seien die Sales-Mitarbeiter angewiesen worden, Groß-Investoren des ICOs zu kontaktieren und zu weiteren Investments zu überreden. Dabei habe man hohe Boni und Renditen versprochen. So sei eine Wertsteigerung der Savedroid-Token von 500 Prozent und mehr innerhalb weniger Monate prognostiziert worden, erzählen ehemalige Mitarbeiter. Des Weiteren sei ein gefälschtes Bild herausgeschickt worden, das zeigte, dass Savedroids Token auf der bekannten Kryptobörse Binance gehandelt werden solle. Nach der Veröffentlichung des Artikel äußerte sich Savedroid-Gründer Hankir auch hierzu: „Diese Behauptungen sind völlig haltlos.“ Renditen seien nicht versprochen worden. Hätten Käufer eine große Zahl der SVD-Token kaufen wollen, hätte Savedroid Nachlässe von 20 Prozent angeboten. Im Pre-Sale hätte der Bonus bei 30 Prozent gelegen. Bestätigen könne er die Existenz einer gefälschten Nachricht zu einem Binance-Listung. Das sei jedoch von „anonymen Personen“ gestreut worden und nicht von Savedroid selbst. Das Unternehmen habe solchen „Fake News“ stets widersprochen, wenn man davon erfahren habe. 

Nach Angaben von Ex-Mitarbeitern überlegte die Startup-Führung zwischenzeitlich, den Rapper Kollegah als Testimonial zu gewinnen. Gekauft worden seien während der ICO-Kampagne aber letztlich nur Youtube-Influencer, die über den Savedroid-Coin berichtet und ihre Reviews abgegeben hätten. Bezahlt worden sei in Kryptowährungen. CEO Hankir sagte gegenüber Gründerszene, dass eine Marketing-Agentur Savedroid Rapper als Testimonials angeboten habe. Savedroid habe das abgelehnt. Man nutze aber – wie andere Unternehmen auch – Influencer für Werbezwecke. 

Ebenfalls Werbung für Savedroid gemacht habe der Journalist Roland Klaus. Wie Gründerszene bereits im März berichtete, hatte dieser wiederholt wohlwollend über Savedroid auf Wallstreet-online.de geschrieben, dies aber nicht als Werbung gekennzeichnet, obwohl er Mitglied des Beratergremiums des Startups ist. „Ich sehe das nicht als Werbung“, so Klaus damals gegenüber Gründerszene. Leser könnten die Verbindung zwischen ihm und Savedroid durch Google leicht selbst herausfinden. Sowohl Gründer Hankir als auch Klaus widersprachen damals dem Verdacht der bezahlten Schleichwerbung.

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Seit dem Ende des ICOs hat sich bei Savedroid einiges getan. Mindestens acht Mitarbeiter, also knapp die Hälfte des Teams, hätten das Unternehmen seitdem verlassen, berichten die Ex-Mitarbeiter. CEO Hankir verweist hingegen auf die „sehr hohe Anzahl von Bewerbungen, die wir ständig erhalten“, und ergänzt: „Leider können wir von den vielen Topbewerbern nur einen kleinen Bruchteil einstellen.“

Außerdem sei er „überglücklich“ angesichts der Geschäftsentwicklung. So kündigte das Fintech vor wenigen Tagen im Handelsblatt an, ein Wallet für Kryptowährungen zu entwickeln. Savedroid arbeite an einer App für Sparpläne in Kryptocoins, sagt Hankir, seit Juni laufe der Praxistest. In die App sei „viel Herzblut hineingeflossen“, so der CEO gegenüber Gründerszene, man habe eine „zufriedene und stabile Nutzerbasis“. Verfügbar ist das Angebot aus regulatorischen Gründen nur im Ausland. Allerdings sollen bereits 5.000 Nutzer die App installiert haben. Außerdem sei eine Kreditkarte geplant, mit der Kunden Kryptowährungen in Euro und Dollar tauschen könnten, erzählte CEO Hankir dem Handelsblatt. 

Ex-Mitarbeiter zweifeln an Expertise

Die Ex-Mitarbeiter zweifeln allerdings an, ob das Savedroid-Team die Expertise für eine sichere Software hat. Es mangele Gründern und Mitarbeitern an Blockchain-Expertenwissen, so die übereinstimmende Einschätzung. Bei Savedroid habe zumindest bis zum Ende des ICOs niemand gewusst, wie man ein Wallet baut oder einen Token-Handel programmiert. 

Für CEO Hankir hat das Savedroid-Team hingegen die nötige Erfahrung. Man habe mit CTO Tobias Zander einen „nachgewiesenen IT-Security-Experten“, Apps seien TÜV-zertifiziert, das Team dank Workshops inhaltlich weitergebildet. Savedroid könne „auf ein starkes Netzwerk externer Experten“ zugreifen und hätte eine Blockchain-Expertin an Bord. 

Ex-Mitarbeiter berichten allerdings, dass die Team-Seite von Savedroid meist nicht auf dem aktuellen Stand sei und häufig Angestellte zeige, die längst nicht mehr für das Unternehmen arbeiten. Erst auf mehrmalige Aufforderung lösche Savedroid die Bilder. Laut Aussage des Savedroid-Chefs zeige die Website derzeit jedoch das korrekte Team an. „Wir beschäftigen ein hoch qualifiziertes und international aufgestelltes Team von 20 erfahrenen und hoch motivierten Mitarbeitern aus zehn verschiedenen Ländern.“ Mit Danko Nikolic habe man zuletzt etwa einen „der führenden Experten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz“ gewonnen. Savedroid könne auf einer „starken Community von mehr als 35.000 ICO-Teilnehmern“ aufbauen. Menschen zu helfen, sei für ihn und das Team, so Hankir, „tägliche Motivation, gute Arbeit abzuliefern“.

Die Gegenseite sieht das jedoch anders: Während des ICOs sei nicht am Produkt gearbeitet worden, so ein ehemaliges Teammitglied: „Sales war das Einzige, was zählte.“ Laut CEO Hankir  ist auch das falsch. Allerdings gibt er zu, während des ICOs, „die Arbeit an unser Spar-App wegen limitierter Ressourcen deutlich reduziert“ zu haben. Man sei den eigenen Qualitätsansprüchen nicht gerecht geworden und hätte sich bereits bei den Nutzern entschuldigt. 

Die ehemaligen Savedroid-Mitarbeiter, mit denen Gründerszene gesprochen hat, zeigen sich am Ende erleichtert, nicht mehr für das Frankfurter Fintech tätig zu sein. Trotzdem hätten sie sich nach dem PR-Stunt vor Freunden und Bekannten rechtfertigen müssen. „Es tut mir leid für das Team, das immer versucht hat, Yassin zu bremsen“, sagt einer. Dass er nun über die Geschehnisse spreche, sei kein Zurück-Treten. „Es geht mir nicht um Rache. Es geht darum, das Richtige zu tun und Menschen zu erzählen, was bei Savedroid geschieht.”

Er sei froh, das Startup verlassen zu haben. Seine Zeit bei Savedroid sei so gewesen „wie im Kinofilm Wolf of Wall Street“.

Bild: Savedroid