Der Este Taavet Hinrikus hat Transferwise in London gegründet.
Der Este Taavet Hinrikus hat Transferwise in London gegründet. Es ist mit mehr als drei Milliarden Euro bewertet.

Die Digitalwährung Libra bestimmte die Diskussion der vergangenen Wochen: Denn Facebook steht hinter dem Kryptoprojekt und könnte damit zum wichtigen Finanz-Player aufsteigen. Nutzerinnen und Nutzer des sozialen Netzwerkes sollen schon bald mit der Währung Geld hin- und herschicken können – auch über Ländergrenzen hinweg. Genau das ist das Geschäft des gehypten britischen Fintech Transferwise. Es will Auslandsüberweisungen günstiger und einfacher anbieten als Banken. 

Im Interview spricht der Transferwise-Gründer Taavet Hinrikus über die Pläne von Facebook und warum er mit seinem Unternehmen Banken nicht ersetzen will. 

Taavet, Facebook hat vor Kurzem die Kryptowährung Libra vorgestellt. Eine Hauptfunktion: Geld über Ländergrenzen hinweg zu überweisen. Habt ihr Angst vor Libra?

Nein, wir freuen uns darauf. Die Leute besitzen bislang kein Libra und wenn sie die Währung erhalten, können sie nichts damit machen. Sie müssen also Libra kaufen und verkaufen. Deswegen ist Libra etwas Gutes für uns. 

Um den Währungstausch anzubieten?

Wenn jemand zum Beispiel Libra von Deutschland nach Indien schicken will, wird Transferwise den Währungstausch (etwa von Euro in Libra, Anm. der Red.) ermöglichen.

Führt Transferwise denn Gespräche mit den Libra-Machern?

Es ist eine kleine Welt, jeder spricht mit jedem. Hinzu kommt: Auch wenn Libra unglaublich erfolgreich wird, wird das global nur ein kleiner Teil des Geldes sein. Mehr Währungen auf der Welt bedeuten mehr Arbeit für uns. Es gibt aber noch ein großes Fragezeichen, ob Libra relevant wird.

Facebook plant eine eigene Wallet mit dem Namen Calibra. Wird diese den Währungstausch nicht dominieren?

Es ist ein offenes Projekt und deswegen gibt es Möglichkeiten für viele Player, ein Teil davon zu werden. Wie es alles konkret aussehen wird, weiß noch niemand.

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In einigen Märkten lässt sich beobachten, wie ein Digitalunternehmen weite Teile des Marktes dominiert, ein sogenannter Winner-takes-it-all-Markt. Ist das bei dem Geschäft mit Währungstausch auch der Fall?

In den Winner-takes-it-all-Märkten gibt es Netzwerk-Effekte. Im Kommunikationsmarkt ist das zum Beispiel sichtbar. Ich war einer der ersten Mitarbeiter von Skype, dort konnte man beobachten: Je mehr Leute sich anmelden, desto wertvoller wird das Netzwerk. Ein Faxgerät ist ein nutzloses Stück Technologie. Nur wenn viele Leute es verwenden, taugt es etwas. Facebook ist ein weiteres Beispiel. Es weiß so viel über eine Person, dass es die Werbung genau zuschneiden kann. Bankgeschäfte funktionieren so nicht. Es gibt dort wenige Funktionen, die besser werden, wenn ein Unternehmen mehr Nutzer hat.

Die Challenger-Banken wie N26, Revolut und Monzo behaupten, dass sie zum Beispiel mit mehr Kunden Rückschlüsse über das Ausgabeverhalten ziehen können. Sie wollen dann zum Beispiel einen günstigeren Stromanbieter empfehlen.

Das hat bislang noch nicht funktioniert. Es gibt keinen Grund zu sagen, dass du ein besseres Geschäft aufbaust, wenn du mehr Kunden hast. Ich glaube, daran wird sich grundsätzlich nichts ändern. Die Technologie für die Geldüberweisungen von Transferwise war aufwendig zu bauen, aber sie wird nicht besser, jedes Mal wenn ein Kunde unseren Service verwendet.

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Ihr bietet mittlerweile auch ein Konto mit Mastercard an. Wollt ihr Unternehmen wie N26, Monzo und Revolut damit Konkurrenz machen?

Nein, N26 und Co. entwickeln einen Bankersatz. Mit einer Kreditkarte, einem Account, Kreditangeboten und Analysen darüber, wie viele Kaffees man bei Starbucks gekauft hat. Das machen wir nicht, wir sind ein Partner der Banken. Das Multi-Währungskonto ist zum Beispiel für jemanden, der in Berlin lebt, aber noch ein Bankkonto in Großbritannien oder den USA besitzt und mit diesem zusätzlichen Konto nicht happy ist. Oder einem Freelancer, der von Bali aus arbeitet und Auftraggeber in Deutschland und den USA hat. Wir helfen den Kunden, ein internationales Leben zu führen. (…) Wir wollen nicht die Bank ersetzen, sondern sind Partner von internationalen Playern. N26 und Monzo gehören übrigens auch dazu. (…)

Als Revolut angefangen hat, war der Währungstausch eine Hauptfunktion.

Sie haben eine Reisekreditkarte, das stimmt. Es gibt Überschneidungen zwischen unseren Angeboten, aber nur kleine. Revolut hat verkündet, dass sie ein Bankersatz sind. Ich glaube, es war clever für Revolut (mit der Reisekreditkarte, Anm. d. Red.) auf den Markt zu kommen. Sie haben die Karte günstig angeboten und pro Kunde Geld verloren. Es war der Weg auf den Markt, aber es ist nicht der Hauptfokus.

Investoren mögen große Ambition. Steht ein vollständiges Banking-Angebot auf eurer Roadmap?

Wir haben aktuell fünf Millionen Kunden. Es gibt 200 Millionen Menschen, die im Ausland leben oder arbeiten. Wenn wir alle 200 Millionen erreicht haben, dann schauen wir, was als nächstes kommt.

In einer aktuellen Finanzierungsrunde haben einige Gesellschafter ihre Anteile an Transferwise verkauft, ein sogenannter Secondary-Deal. Was war der Grund für diese Finanzierung?

Wir bauen das Unternehmen jetzt seit acht Jahren auf und in dieser Zeit haben wir Geld von Investoren erhalten. (…) Gleichzeitig haben wir Mitarbeiter von Banken, Google und Facebook abgeworben (…) und ihnen Stockoptions gegeben. Acht Jahre nach dem Start geht es dem Unternehmen gut. Der eine Weg, um Investoren und frühe Mitarbeiter auszuzahlen, ist an die Börse zu gehen. Aber wir wollen Transferwise noch viel größer machen. 

Und nicht an die Börse gehen…

Ein Börsengang würde uns nicht helfen, das Unternehmen schneller aufzubauen. Wenn du als Unternehmen so viel Geld wie Uber brauchst, dann bekommst du das nur an den öffentlichen Märkten. Aber wir sind seit zwei Jahren profitabel, wir brauchen kein Geld. Ein Börsengang wäre eine große Ablenkung für uns. Eines Tages werden wir an die Börse gehen. Das Secondary-Fundraising war ein Weg, den Investoren und frühen Angestellten einen Gewinn zu ermöglichen.

Du hast selber auch Anteile verkauft. Was war der Grund für dich persönlich?

Um zu diversifizieren. Es ist das Einmaleins der persönlichen Geldanlage. Im Silicon Valley gibt es den Traum, dass ein einfacher Angestellter zum Millionär werden kann. Bei einigen unserer frühen Angestellten ist das der Fall. Ich bin froh, dass wir zeigen: Es ist auch in Europa möglich.

Bild: Transferwise