Trustbills-Gründer und -Geschäftsführer Jörg Hörster

Wir investieren nicht direkt im Fintechs – das war lange Zeit die Digital-Doktrin der Deutschen Bank. Vor ziemlich genau zwei Jahren vollzog das wichtigste Geldhaus der Republik dann jedoch die Kehrtwende. Der Anlass hieß: Trustbills, ein 2015 gegründetes Hamburger Startup, das sich auf die Finanzierung von Handelsforderungen spezialisiert hat und bei dem kurz zuvor (ebenfalls als erste Fintech-Beteiligung überhaupt) bereits die DZ Bank eingestiegen war. Dieses Unternehmen, so dachte man, muss etwas Besonderes haben – wenn zwei der größten deutschen Banken es zu ihrem Premieren-Investment im Fintech-Bereich machen. Doch nun hat Trustbills nach exklusiven Informationen von „Finanz-Szene.de“ plötzlich Insolvenzantrag gestellt.

Auch wenn der Fall vertrackt ist, scheint eines festzustehen: Die Ursache für die Insolvenz liegt nicht im operativen Geschäft. Stattdessen gibt es  innerhalb des Eignerkreises offenbar verschiedene Meinungen um den künftigen Kurs von Trustbills. Größter Gesellschafter mit einem Anteil von 62,5 Prozent ist die FinTech Studio GmbH (ehemals Maravon GmbH), hinter der der Trustbills-Gründer und -Geschäftsführer Jörg Hörster steht. Die DZ  Bank hält 25 Prozent, die Deutsche Bank die restlichen 12,5 Prozent. Offenbar haben sich Hörster auf der einen und die beiden Frankfurter Großbanken auf der anderen Seite derart zerstritten, dass letztere nicht mehr bereit waren, die Trustbills GmbH weiter zu finanzieren.

Die Folge: Vergangene Woche stellten Hörster und sein Mitgeschäftsführer Johannes Ulbricht beim Amtsgericht Bielefeld (wo Hörster privat und geschäftlich oft zugegen ist) Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Wie aus dem Insolvenzregister hervorgeht, wurde der Gütersloher Jurist Moritz Sponagel am Donnerstag zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt. Auf Anfrage von „Finanz-Szene.de“ teilten Hörster und Ulbricht am Ostermontag mit: „Die Trustbills GmbH durchläuft derzeit einen Restrukturierungsprozess und ein zukunftsorientiertes Insolvenzverfahren. Das operative Geschäft wird davon jedoch nicht tangiert.“

Das Geschäftsmodell von Trustbills läuft darauf hinaus, Lieferanten-Forderungen über eine Auktionsplattform handelbar zu machen. Die Idee von Deutscher Bank und DZ Bank war es, sich nicht nur finanziell an Trustbills zu beteiligen, sondern auch eigene Firmenkunden an die Plattform zu vermitteln. In Finanzkreisen heißt es, diese Idee sei lange Zeit durchaus mit Leben gefüllt worden. Tatsächlich finden sich auf der Website von Trustbills Referenzfälle von Volks- und Raiffeisenbanken, die – vermittelt offenbar über die genossenschaftliche DZ Bank – erfolgreich mit Trustbills kooperieren. Ein Beispiel ist die Heidenheimer Volksbank, die lobt:

„Wir sehen Trustblls als zukunftsweisendes und strategisches Instrument zur Kundenbindung, mit welchem wir uns erfolgreich als erster Ansprechpartner in Finanzfragen bei unseren dynamisch wachsenden Unternehmen positionieren können, ohne das Eigenrisiko zu erhöhen. Es hat sich darüber hinaus herausgestellt, dass der Bedarf an unseren bankeigenen Mitteln konstant hoch blieb, da sich durch die höheren Umsatzerlöse unseres Kunden auch ein höherer Vorfinanzierungsbedarf über unsere Betriebsmittellinie ergab.“

Auch aus der Branche heißt es, die Firma werde im Markt durchaus wahrgenommen. Insofern komme der Insolvenzantrag eher überraschend.

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Was in diesem Zusammenhang interessant ist: Wie „Finanz-Szene.de“ im Oktober in einer großen Analyse („Das ultimative Lehrstück über die Schlacht zwischen Banken und Fintechs“) aufgezeigt hatte, arbeitet die Deutsche Bank an einer eigenen Plattform-Lösung für die Handelsfinanzierung. Das Projekt trägt den Namen „Trade Information Network“. Aus Insiderkreisen ist nun zu hören, die Deutsche Bank könnte das einstige Vorzeige-Fintech mittlerweile als Widersacher wahrnehmen – und habe darum gar kein gesteigertes Interesse daran, dass Trustbills reüssiert.#

Es gibt allerdings auch Branchenkenner, die dieser Einschätzung widersprechen. Zwar würden Trustbills und das „Trade Information Network“ im gleichen Markt agieren, die Konzepte stünden allerdings – so die Wahrnehmung von außen – nicht in Konkurrenz zueinander, sondern seien womöglich sogar komplementär. Tatsächlich wird in Finanzkreisen die Vermutung, speziell die Deutsche Bank habe ihr Interesse an Trustbills verloren, zurückgewiesen. Stattdessen ist zu hören, die beiden beteiligten Großbanken seien vom Konzept des Hamburger Finanz-Startups „unverändert überzeugt“. Probleme gebe es lediglich auf Gesellschafterebene. Weder die Deutsche Bank noch die DZ Bank wollten über Ostern auf Anfrage von „Finanz-Szene.de“ Stellung nehmen.

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Wie geht es nun weiter? Angeblich gibt es Geldgeber, die bereit wären, den Gesellschafterkreis zu erweitern – oder gar für die Deutsche Bank oder die DZ Bank einzuspringen. Allerdings ist keineswegs sicher, dass die beiden Frankfurter Institute bei Trustbills überhaupt aussteigen wollen. Das eigentliche Geschäft jedenfalls läuft weiter. Es wird nicht über die insolvente Trustbills GmbH, sondern über deren Tochter Trustbills Marketplace GmbH betrieben. Da die wesentlichen Ausgaben wie Löhne und Gehälter über die Mutter laufen, droht bei der operativen Gesellschaft Insidern zufolge vorläufig keine Infolvenzgefahr.

In der Mitteilung Hörsters und Ulbrichts an „Finanz-Szene.de“ heißt es: „Nach einer erfolgreichen Testphase in 2018 mit einigen namhaften Kunden ist die Trustbills-Plattform in 2019 aus ihrer Beta-Phase herausgetreten. Seitdem stiegen die Tagesumsätze schnell und stetig. Durch das Interesse institutioneller Investoren an der neuen (alten) Asset-Klasse Handelsforderungen, stehen Forderungsverkäufer eine Forderungsankaufs-Volumen von derzeit knapp 1 Mrd. Euro (outstanding) zur Verfügung.“ Und weiter, so als wären die Deutsche Bank und die DZ Bank bereits aus dem Gesellschafterkreis ausgeschieden: „Trustbills dankt beiden Bankhäusern, dass sie mitgeholfen haben, den Trustbills-Plattform-Teilnehmern einen neuen Markt zu erschließen.“ Klingt wie das letzte Wort. Das allerdings ist noch lange nicht gesprochen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Finanz-Szene.de.

Bild: Trustbills