Knapp 600 Mitarbeiter sind in den Ident-Centern von Webid-Chef Frank Jorga beschäftigt.
Knapp 600 Mitarbeiter sind in den Ident-Centern von Webid-Chef Frank Jorga beschäftigt.

Frank Jorga hat ein Gefühl dafür, wie es der Fintech-Branche gerade geht. „Die Gewinner kristallisieren sich zurzeit heraus“, sagt der Chef des Berliner Ident-Startups Webid. Er weiß Bescheid, denn bei Finanz-Apps wie Bankkonten oder Trading-Angeboten ist in Deutschland immer noch eine Identifikation der Nutzer per Video nötig, sie müssen ihren Personalausweis in die Kamera halten und einige Fragen beantworten. Der Anbieter Webid erledigt diesen Service zum Beispiel für die Deutsche Bank oder für das Anlagestartup Trade Republic.

So merkt der Geschäftsführer in der Coronakrise, wie groß die Nachfrage der Nutzer nach bestimmten Angeboten ist. Bei Trade Republic beispielsweise wollten sich kürzlich so viele Kunden anmelden, dass Webid nicht hinterher kam (Finance Forward berichtete). Bei anderen Angeboten, beispielsweise Autofinanzierungen im Netz, läuft es dagegen schleppender.

Dieser Artikel ist heute Morgen zuerst auf dem Finanzportal Finance Forward erschienen. Hier geht’s zu den Kollegen.

Für jede Video-Identifikation erhält Webid im Durchschnitt 5,60 Euro. Und das Geschäft lohnt sich: Als eines der wenigen deutschen Fintech-Unternehmen macht es Gewinne – und wächst dabei weiter. Mit Finance Forward hat der Geschäftsführer über aktuelle Geschäftszahlen gesprochen und was er mit seinem Startup jetzt noch vorhat.

Umkämpfter Markt

Der Markt für Video-Identifikationen ist in Deutschland hart umkämpft. Zu den großen Anbietern gehören Idnow aus München und ein Service der Post. Alle drei Unternehmen trafen sich in den vergangenen Jahren wegen Patentstreitigkeiten auch vor Gericht. Erst kürzlich konnte Webid einen jahrelangen Streit gegen den Konkurrenten Idnow vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gewinnen.

Auch beim Geschäft kämpfen die Anbieter um die Marktführerschaft in Deutschland. Idnow mache einen zweistelligen Millionen-Umsatz, heißt es aus München. Mehr Details will das Startup nicht verraten. Im vergangenen Jahr sammelte es in einer Finanzierungsrunde 40 Millionen Dollar ein

Jorga beschreitet mit seiner Firma einen anderen Weg: Webid hat längere Zeit kein Geld von Wagniskapitalgebern aufgenommen und wirtschaftet profitabel. Er spricht offen über seine Geschäftszahlen.

Der Umsatz soll auch in diesem Jahr weiter wachsen

Im vergangenen Jahr machte Webid einen Umsatz von etwa 14 Millionen Euro, circa drei Millionen Euro mehr als noch im Vorjahr. Der Jahresabschluss wird zurzeit noch geprüft. Für dieses Jahr sind 20 Millionen Euro anvisiert. „Durch die Coronakrise beobachten wir einen Zulauf“, sagt Jorga. Der April war mit 2,1 Millionen Euro Umsatz der stärkste Monat in der Geschichte der neun Jahre alten Firma.

2019 ist der Gewinn gesunken

Ungefähr eine Viertelmillion Gewinn machte Webid im vergangenen Jahr, 2018 waren es 1,1 Millionen. Die Firma habe insgesamt mehr als eine Million in den Aufbau einer technischen Plattform gesteckt, sagt der Gründer. Dort könnten sie verschiedene andere Dienstleister andocken. Durch eine Kooperation mit dem Fintech Authada sind Webid-Kunden beispielsweise in der Lage, sich mit dem elektronischen Personalausweis zu identifizieren.

Kredite von sechs Millionen Euro auf der hohen Kante

Ebenfalls eine Besonderheit für ein junges Unternehmen: Webid hat mehrere Kredite aufgenommen, insgesamt würden dem Unternehmen sechs Millionen Euro zur Verfügung stehen, sagt Frank Jorga. Damit hat Webid zum Beispiel die Expansion in die USA vorfinanziert. Bislang war es nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv, ein Großteil des Geschäftes macht das Unternehmen hierzulande.

In den USA beschäftigt es mittlerweile eine Handvoll Mitarbeiter. Eine Finanzierungsrunde in den kommenden Monaten könnte das Wachstum dort beschleunigen. „Wir sind sehr wählerisch bei der Auswahl der Investoren, weil wir nicht darauf angewiesen sind“, sagt Jorga. Die letzte Kapitalerhöhung liegt bereits fünf Jahre zurück.

Weniger Abhängigkeit von Video-Ident

Etwa die Hälfte der Erträge stammen aktuell noch aus der Video-Identifizierung, doch Webid bietet noch weitere Produkte an: Zum Beispiel eine Lösung für digitale Unterschriften. Der globale Markt befindet sich zurzeit im Umbruch, auch große Tech-Firmen wie Apple stoßen in das Segment. Die große Frage wird sein, wer künftig die Identität der Nutzer auf einer technischen Plattform organisiert, damit sie sich nicht bei jeder Anmeldung neu identifizieren müssen. Der Dienst Verimi arbeitet zum Beispiel daran, aber auch Startups wie Fractal und Passbase.

Webid hat diesen Trend erkannt, die Plattform ist zum Beispiel mit Verimi vernetzt. „Wenn jemand sich dort schon einmal identifiziert hat oder in unser Datenbank ist, können wir den Prozess beschleunigen“, sagt Jorga, dann reiche es zum Beispiel, sich per Sprache zu erkennen zu geben. Schon bald sollen die ersten Anwendungen mit Partnern starten.

„Gerade in den ersten Wochen lief nicht alles reibungslos“

Erstmal muss das Startup jedoch die Herausforderungen der Coronakrise bewältigen, nicht jeder Mitarbeiter konnte einfach ins Homeoffice wechseln. „Wir lassen nur erfahrene Kollegen von Zuhause arbeiten“, sagt Jorga, so könne das Unternehmen sicherstellen, dass alle Sicherheitsvorkehrungen beim Datenschutz eingehalten werden. Fast 600 Mitarbeiter sind in den Ident-Center beschäftigt, etwa 80 im Rest der Firma.

„Gerade in den ersten Wochen lief nicht alles reibungslos“, sagt der Geschäftsführer. „Mittlerweile können wir die Nachfrage wieder ohne lange Wartezeiten bedienen.“ Für viele Fintechs wie N26, Revolut oder Trade Repulic ist der Ident-Service entscheidend. Funktioniert nicht alles schnell und reibungslos, springen sie wieder ab. In der turbulenten Zeit werden Unternehmen wie Webid auf die Probe gestellt. Doch Jorga sieht seine große Chance, denn viele potentielle Kunden hätten plötzlich den Wert des Services verstanden. „Was sonst teilweise Monate gedauert hat, bis es von Unternehmen eine Entscheidung gab, geht jetzt plötzlich ganz schnell.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Finance Forward.

Bild: WebID