So könnte der Wohnblick mit Aldi-Supermarkt in Berlin-Lichtenberg aussehen.
So könnte der Wohnblock mit Aldi-Supermarkt in Berlin-Lichtenberg aussehen.

Ein Discounter wird zum Großbauherrn: In den nächsten Jahren will Aldi Nord bis zu 2000 Wohnungen in Berlin errichten, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Das Besondere dabei: Die geplanten Mehrfamilienhäuser sollen auf zentral gelegenen Grundstücken in der Innenstadt gebaut werden, auf denen bereits Aldi-Märkte stehen.

Diese alten Märkte werden abgerissen, neu gebaut und mit darauf liegenden mehrstöckigen Wohnblöcken ergänzt. Auf Projektskizzen sind simple, aber moderne Bauten zu sehen, mit einem großzügigen Discounter im Erdgeschoss. Und, typisch für den Discounter: Die Wohnungen sollen günstig vermietet werden. 

„Grundstücke einstöckig zu bebauen ist eigentlich Flächenverschwendung“, Jörg Michalek, Geschäftsführer der ALDI Immobilienverwaltung, bei der Vorstellung zweier Pilotprojekte in Berlin. Berlin wachse extrem schnell, bis 2030 werde die Bevölkerungszahl um weitere 300.000 Einwohner steigen, lauten die Prognosen. „Das ist im übrigen Deutschland eine ganze Großstadt“, so Michalek. Die Verdichtung der Wohnbebauung in der Innenstadt sei eine Möglichkeit, die zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum zu decken.

„Wir können eben rechnen“

In den Stadtbezirken der Hauptstadt zeige man sich begeistert von dem Vorhaben, sagte der Aldi-Nord-Manager. Denn die Wohnungen werden zu vergleichsweise günstigen Preisen vermietet. Geplant ist ein Sozialwohnungs-Anteil von 30 Prozent. Diese sollen zu 6,50 Euro pro Quadratmeter nettokalt vermietet werden. Aber auch die anderen Wohnungen werden mit einem Preisdeckel versehen: Mieten von höchstens zehn Euro nettokalt werden verlangt.

Für viele andere Wohnungsbauer müsste sich das wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen. Denn seit Jahren beklagt die deutsche Immobilienbranche hohe Bau- und Grundstückskosten, komplizierte Bauregeln und schleppende Genehmigungsverfahren. Unter diesen Umständen sei preisgünstiges Bauen und Vermieten kaum noch möglich, heißt es stets. So starten die meisten frei finanzierten Neubauprojekte in den Großstädten auch bei mindestens zwölf Euro pro Quadratmeter. Kreative Lösungen mit Mischnutzung und niedrigen Mieten oder Kaufpreisen sind die absolute Ausnahme.

Die neuen Filialen sollen 400 Quadratmeter größer sein als die bisherigen.
Die neuen Filialen sollen 400 Quadratmeter größer sein als die bisherigen.

Aldi zeigt nun, dass es offenbar doch anders geht. „Wir können eben rechnen“, sagte Michalek. Auch über langsame Genehmigungsverfahren könne man sich nicht beklagen. Im Gegenteil: Der Bauantrag sei zügig bearbeitet worden, sagte der Manager, und der erste Bau im Stadtteil Lichtenberg könne bereits im Laufe des nächsten Jahres fertiggestellt werden.

Bei diesem ersten Projekt sollen etwa 50 Wohnungen entstehen, bei einem weiteren in Berlin-Neukölln weitere 50 Einheiten, in unterschiedlichen Größen und Zuschnitten. Weitere 15 Standorte befinden sich in konkreter Planung. Insgesamt seien 2000 Wohnungen in der Hauptstadt möglich, auf etwa 30 Discounter-Märkten.

Tatsächlich werden sich fast alle Neubauten sogar innerhalb des S-Bahnrings befinden – einer bei vielen Wohnungssuchenden in Berlin berüchtigten und unüberwindbaren Preisgrenze. Innerhalb dieser Zone bieten andere private Vermieter selbst im Bestand kaum noch Wohnungen für weniger als zwölf oder gar 14 Euro an.

In jedem Fall müssten die vorhandenen Discount-Gebäude aber zunächst abgerissen werden, sagte Michalek. „Sie können auf einem Aldi heutigen Standards keine Wohnungen bauen, das geht statisch nicht“, erläuterte der Manager.

Aldi wäre allerdings nicht Aldi, wenn hinter alldem nicht ein lohnendes Geschäft stünde: Die neu errichteten Märkte unter den Mietwohnungen werden viel größer als die bisherigen. Bei den beiden Pilotprojekten werden also aus 800 Quadratmetern Ladenfläche rund 1200 Quadratmeter. Das bedeutet ein größeres Sortiment, mehr Kunden, mehr Umsatz – eine Mischkalkulation, die allerdings auch andere Projektentwickler anstellen könnten.

Aldi besitzt die Grundstücke schon seit Ewigkeiten

Über Bau- und Investitionskosten – ebenfalls typisch Aldi – wollte man allerdings nichts sagen. Der Discounter profitiert zudem davon, dass die Grundstücke bereits seit langem im Unternehmensbesitz sind und er damit, im Gegensatz zu anderen Entwicklern, nicht die heutigen Mondpreise zahlen muss.

Die Grundstücke bleiben im Aldi-Besitz. Nur ob man auch direkt selbst vermietet oder das Vermietungsgeschäft an einen Profi abgibt, sei noch offen. Dass bei dem ganzen Umbau viele vorhandene Parkplätze verloren gehen, stört den Discounter nicht: „Es gibt in Berlin einen Trend zur fußläufigen Kundschaft“, sagte Michalek. Also würden sowieso weniger Flächen für Autos benötigt.

Grundsätzlich könne man sich auch vorstellen, in anderen Städten die Markt-Flachbauten durch Discounter-Wohnungs-Kombinationen zu ersetzen. Dafür allerdings müsse die Bevölkerungszahl signifikant zunehmen, sagte Aldi-Nord-Sprecher Florian Scholbeck. Eine Voraussetzung, die das Ruhrgebiet beispielsweise zurzeit nicht erfülle. In Hamburg dagegen sei die Situation anders. Und in München stellte Aldi-Süd vor kurzem bereits ein Pilotprojekt fertig. „Wir schließen nicht aus, dass wir auch in andereen Ballungszentren Wohnungen bauen“, sagte Michalek.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Welt.de.

Bilder: Aldi Nord