Die Bitterliebe-Gründer wollen Kräuterschnaps hip machen. Unser Autor ist weniger begeistert.

Großmutter will es immer gewusst haben: Ein Kräuterschnaps nach dem Essen regt die Verdauung an und hebt die Stimmung. Und wenn der Alkoholgehalt fürs Wohlbefinden nicht ausreicht, braucht es eben noch einen zweiten.

Mit der Idee, mehr Alkohol und Bitterstoffe in einen Kräuterschnaps zu gießen und das Wohlbefinden zu steigern, treten die Gründer Andre Sierek und Jan Stratmann bei der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ an. Unser Geschmackssinn für Bitteres komme schließlich viel zu kurz, heißt es von den Machern. Unser Autor hat die Tropfen von Bitterliebe zwei Wochen lang ausprobiert – aber besser fühlt er sich nicht.

Bitterer Nachgeschmack für 17 Euro pro Flasche

Die „wundersame Naturkraft“, die schon der mittelalterlichen Universalgelehrten Hildegard von Bingen bekannt gewesen sei (heute eher bekannt für Klangschalen-Therapien und Sauna-Aufgüsse), führe zu mehr Wohlbefinden, heißt es vom Unternehmen. Kardamom, Ingwer, Curcuma, Artischocke, Fenchel und viele andere Naturprodukte, die einen bitteren Nachgeschmack haben, sollen dafür sorgen. Dass diese Nahrungsmittel dazu beitragen, ein gesünderes Leben zu führen, ist unstrittig. Nur die Art, wie die Tropfen von Bitterliebe schmecken, beworben werden und uns für rund 17 Euro pro Flasche helfen sollen, ist eher wunderlich.

Auf der Webseite finden sich gleich drei Versprechen: gut für Naschkatzen, toll nach dem Essen und insgesamt gut für den Wohlfühl-Faktor.

Lecker Eis! Schade nur, dass die Tropfen bloß beim Wohlfühlen, nicht aber beim Abnehmen helfen.

1. Auf der Webseite zu sehen: Eine Riesenportion Eis mit Waffeln. Dazu der Text: „Da unsere Geschmäcker heutzutage zu einem großen Teil auf süßes Essen getrimmt sind, braucht es Bitterstoffe um eine gesunde Balance zu erhalten.“ Nein, es braucht einen maßvolleren Umgang mit zuckerhaltigen Getränken und Speisen. Ungesundes Zeug zu konsumieren, um es dann mit bitteren Tropfen zu behandeln, ist vergebene Müh.

2. Ebenfalls auf der Webseite: Eine riesiger Fleisch-Burger mit Pommes und einem Bier. Dazu der Text: „Bitterliebe gehört auf den Esstisch, genauso wie Salz und Pfeffer.“ Dass man sich nach einem solchen Essen schwer, müde und vielleicht auch unwohl fühlt, hat aber eher etwas mit ungesunder Ernährung zu tun. Und obendrauf bittere Tropfen zu kippen, um zehn Minuten lang mit einem schlechten Geschmack im Mund herumzulaufen – dann doch lieber Omas Magenbitter.

3. Auch auf der Webseite zu sehen: Eine junge Frau hebt die Arme gen Himmel und steht auf offener Wiese. Dazu der Text: „Entdecke die wundersame Kraft der Bitterstoffe und fühle Dich einfach besser.“ Einfach mal so – weil bitter einfach lustig macht?

Nicht viel mehr als ein Plazebo

Ohne dem Produkt und seinen Machern eine stimmungshebende Wirkung absprechen zu wollen, gehört das Produkt ins gleiche Regal neben Edelsteine und Räucherstäbchen. Wer dran glaubt, wird sich besser fühlen – das hat schon tausende Jahre lang mit dem Glauben ans Göttliche geklappt und wird auch mit Bitterliebe funktionieren. Der bittere Nachgeschmack ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Aber auch die ersten Absacker bei Oma schmeckten am Anfang nicht sonderlich und taten trotzdem gut. Wer sich neben der Einnahme der Tropfen ausgewogen ernährt, Sport treibt oder meditiert darf sich auf eine wundersam wohltuende Wirkung einstellen – nur ob es dann an Bitterliebe lag, das weiß wohl Gott allein.

Die Bitterpower GmbH ist 2018 mit der Marke Magenfreude an den Markt gegangen. Anfang 2019 erfolgte die Umbenennung auf den Namen Bitterliebe. Nach eigenen Angaben konnte das Startup zu dem damaligen Zeitpunkt bereits auf 10.000 Kunden zurückblicken. Neben den Tropfen werden auch Pulver und Tees angeboten. Mit dem Pitch vor den DHDL-Löwen erhoffen sich die Macher nicht nur ein Investment, sondern auch die Laden-Präsenz bei stationären Händlern.

Bild: TVNOW / Bernd-Michael Maurer