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Wegen der Corona-Pandemie wird mehr Wein für Zuhause gekauft – auch online. Das freut Winejump-Gründer Thomas Winther (links) und Christian Fricke von Wine in Black.
Wegen der Corona-Pandemie wird mehr Wein für Zuhause gekauft – auch online. Das freut Winejump-Gründer Thomas Winther (links) und Christian Fricke von Wine in Black.

Einen besseren Zeitpunkt für den Launch seines Startups hätte sich Thomas Winther kaum aussuchen können. Am 2. März, wenige Tage vor Beginn der Coronakrise, ging der Däne mit Winejump online. Über den Online-Marktplatz können Kunden ihren Wein direkt bei Winzern aus dem europäischen In- und Ausland ordern. Pro verkaufter Flasche erhält Winejump einen Euro.

Dass das Coronavirus nur wenige Wochen nach dem Start halb Europa lahmlegte, kann Winther rückblickend wohl als glücklichen Zufall verbuchen. Gastronomien sind vorerst geschlossen, Weinproben in größeren Gruppen untersagt – viele Winzer und deren Kunden sind plötzlich auf Online-Alternativen wie Winejump angewiesen.

Das macht sich für das Startup bezahlt: „Die Zahl der Weingüter, die ihren Wein auf unserer Plattform verkaufen, ist seit dem Start von 150 auf 330 gestiegen“, rechnet Winther im Gespräch mit Gründerszene vor: „Ein Zuwachs von 15 Prozent – jede Woche.“ Der Gründer ist froh, dass sich aktuell viele Winzer bei ihm melden, um auf seiner Plattform gelistet zu werden. Eigentlich hatte er Geld eingeplant, um diese anzuwerben. Zahlen zu seinen bisherigen Umsätzen nennt Winther nicht. Nur so viel: „Wir erfüllen die selbst gesteckten Ziele.“

Onlinekäufe von Wein noch eine Randerscheinung

Die Zahlen spiegeln den gegenwärtigen Trend im Weinhandel wider. Denn in der Corona-Krise wird weniger außer Haus getrunken und dafür mehr für zu Hause gekauft – auch online. „Wir profitieren davon, dass die Menschen nicht unterwegs sind und in Restaurants oder Bars ein schönes Glas Wein genießen können“, sagt Christian Fricke, Geschäftsführer des Onlineshops Wine in Black.

Seit im März ein bundesweites Kontaktverbot verhängt wurde, verzeichnet das Berliner Startup deutlich mehr Umsatz als zu dieser Jahreszeit üblich. „Natürlich haben wir vor Ostern immer einen Anstieg der Bestellungen und auch etwas größere Warenkörbe, wir würden aber circa 30 bis 40 Prozent allein den Effekten der Corona-Krise zuschreiben“, so Fricke. Auch beim Online-Marktplatz Vivino zeigt man sich auf Anfrage erstaunt von der Bestellflut: Am 22. März, dem Tag, an dem Bundeskanzlerin Merkel das Kontaktverbot ankündigte, sei der Händlerumsatz im Jahresvergleich um 287 Prozent gestiegen.

Vergorener Traubensaft zeigt sich als krisenfestes Konsumgut, neben Klopapier und Mehl. Und künftig auch als Dauerbrenner unter Onlinebestellern? Bisher sprechen Marktdaten klar dagegen. Zwar wurden 2018 mit Weinen in Deutschland rund sieben Milliarden Euro umgesetzt. Laut aktueller „Deutscher Wein“-Statistik wird Wein allerdings zu 78 Prozent im klassischen Lebensmittelhandel eingekauft, davon zur Hälfte bei Discountern. Der Onlinehandel dagegen kam 2018 auf einen Marktanteil von gerade einmal vier Prozent. Wie kann das sein?

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Bild: Winejump/Wine in Black

Typische Käufer von höherwertigen Weinen sind meist über 50 Jahre alt und wenig mit Onlineshopping vertraut.
Typische Käufer von höherwertigen Weinen sind meist über 50 Jahre alt und wenig mit Onlineshopping vertraut.

Lieferung problematisch

Die Gründe sind naheliegend: Schon die Bestellung weniger Weine auf einmal erhöht das Versandgewicht deutlich, zudem müssen die Flaschen bruchsicher verpackt werden. Die Kosten geben viele Händler trotz guter Margen an ihre Kunden weiter. Diese wiederum haben wenig Lust, dass das schwere Paket bei ihrer Abwesenheit möglicherweise bei der Postfiliale oder einem Paketshop landet und dort abgeholt werden muss. Und: Typische Käufer gerade für höherwertige Weine sind meist über 50 Jahre alt und nicht so stark mit Onlineshops vertraut.

Ausgerechnet die Corona-Pandemie könnte das nun ändern. „Viele Menschen bestellen erstmals online und merken, wie bequem und einfach das ist“, argumentiert Johan Brenner vom schwedischen Risikokapitalgeber Creandum, der unter anderem in das Wein-Startup Vivino investiert ist. Verbraucher würden die große Auswahl an online verfügbaren Produkten und die besseren Preise zu schätzen wissen. „Ein weiterer Vorteil sind die maßgeschneiderten Vorschläge, die Wein-Firmen ihren Kunden auf der Grundlage ihres Geschmacks und vorhergegangenen Kaufaktivitäten geben“, so Brenner.

Ob die vielen Neukunden der Wein-Startups mehr als nur einmal bestellen, muss sich allerdings noch zeigen. Die coronabedingten Belastungen der Zulieferer sind hoch. Medienberichten zufolge produzieren Hersteller von Kartonverpackungen für den Weinversand bereits „am Limit“. Die starke Belastung der Paketdienste führe außerdem zu längeren Lieferzeiten.

Das bestätigt auch Heini Zachariassen, Gründer des Onlineshops Vivino: „Die Coronakrise hat dazu geführt, dass wir in einigen Fällen nicht so schnell auf Kundenanfragen reagieren konnten wie üblich“, sagt Zachariassen zu Gründerszene. Auch bei Wine in Black und Winejump komme es vereinzelt zu Lieferengpässen. Dennoch sehen sich die Unternehmen gut aufgestellt: „Selbst in den am stärksten betroffenen Gebieten Norditaliens mit hoher Abriegelung wegen Corona mussten wir nicht eine einzige Bestellung stornieren“, sagt Winejump-Gründer Thomas Winther.

„Die Chance, ein Unicorn zu werden“

Für Christian Fricke von Wine in Black hat die momentane Bestellflut letztlich auch mit Glück zu tun. „Wir haben einfach Schwein gehabt, dass uns die Krise bislang nicht so direkt betroffen hat wie Unternehmen aus anderen Branchen“, sagt Fricke. Auch bei Winejump will man trotz guter Geschäfte nicht von einem Traumstart sprechen. „Wir hätten uns gewünscht, in den ersten Wochen sehr viel mehr mit Winzern und Weinliebhabern in ganz Europa in Kontakt zu treten, zum Beispiel auf Messen, um Feedback einzuholen“, sagt Winther. Speziell beim Thema Wein sei der persönliche Kontakt mit Herstellern sehr wichtig. „All diese Veranstaltungen wurden abgesagt, überall, sodass wir unsere Interaktionen mit den Kunden auf soziale Medien verlagern mussten.“

Trotzdem glaubt der Däne, dass am Onlinekauf von Wein künftig kein Weg vorbeiführt. „So wie die Coronakrise das Kaufverhalten vieler Menschen ändert, wäre ich nicht überrascht, wenn sich der Online-Weinmarkt in Deutschland in den nächsten fünf Jahren verdoppeln würde“, sagt Winther. Den ambitionierten Zielen seiner frisch gestarteten Firma würde das jedenfalls helfen. Der Gründer sagt selbstbewusst: „Winejump hat die große Chance, ein Unicorn-Startup zu werden.“

Bild: Winejump/Wine in Black
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