Primärer Anspruch an das Design: Die Flasche muss auf Instagram-Fotos gut aussehen

Über 100.000 Kunden sollen bereits regelmäßig die Limonade von Dirty Lemon bestellen. Das wäre selbst für eine kleine Getränkemarke noch nicht der ganz große Wurf. Aber wie die Leute an die Brause kommen, ist außergewöhnlich: 90 Prozent der Bestellungen landen über SMS-Nachrichten direkt beim Unternehmen. Aber warum? 

„Als wir Dirty Lemon gegründet haben, hatten wir ein simples Ziel: Ein gesundes Getränke-Angebot mit einer neuartigen Distributionsstrategie zu verbinden. Und das in einer Branche, die es nicht mehr schafft, eine Verbindung zu modernen Konsumenten aufzubauen“, sagt Dirty-Lemon-Gründerin Sommer Carroll gegenüber Forbes. Sie und Zak Normandin haben das Unternehmen 2015 in Brooklyn gegründet. Mittlerweile verkauft Dirty Lemon acht verschiedene Wellness-Limonaden. Dabei reitet das Unternehmen auf der Trendwelle rund um Detox-Getränke. Die Sorten heißen unter anderem Ginseng, Sleep, Rose oder Collagen.

Bestellen beim Bot

Die hochwertig gestylten Flaschen kosten im Sechser-Pack 65 US-Dollar, also mehr als zehn Dollar die Flasche. Um das von Kunden verlangen zu können, reicht es aber nicht, die Verpackung schön zu gestalten und etwas von Detox zu erzählen. Die Gründer setzen auf den Luxus-Eindruck durch eine gewisse Exklusivität und Branding. Der Schein von Luxus und dem Kundengefühl, dass man ganz anders behandelt wird, ergibt sich durch den außergewöhnlichen Retail-Ansatz. „Wir benutzen SMS als die grundlegende Plattform, um unser Produkt zu verkaufen“, sagt Co-Gründer Normandin. „Wir haben dahinter eine Technologie gebaut, die es den Kunden erlaubt, jederzeit Fragen zu stellen und Bestellungen abzugeben.“ Pro Monat würden so Zehntausende Fragen beantwortet, was die Marke eher als Partner auf Augenhöhe erscheinen lasse.

So sieht eine Bestellung per SMS aus

Hersteller, die ihre Produkte ohne Zwischenhändler an ihre Kunden verkaufen, liegen derzeit im Trend. Der Rasier-Abo-Service Dollar Shave Club wurde schon 2016 für etwa eine Milliarde US-Dollar von Unilever gekauft. Das Brillen-Startup Warby Parker wird mit 1,75 Milliarden US-Dollar bewertet. Wie diese Unternehmen behält Dirty Lemon ohne den Umweg über Zwischenhändler einen größeren Teil der Marge.

 

Datenhoheit ist Trumpf

Statt die Flaschen also in die Supermärkte dieser Welt zu stellen und beim aufgerufenen Preis vielleicht auch krachend zu scheitern, müssen Erstbesteller erstmal auf der Webseite von Dirty Lemon vorbei schauen. Dort wählt der Kunde wie in jedem Onlineshop die gewünschten Produkte aus und legt sie in den Warenkorb. Um jetzt aber eine Bestellung durchzuführen, wird die Telefonnummer verlangt. Ist die angegeben, muss die Nummer über einen SMS-Code bestätigt werden, danach wartet die Adresseingabe und die Hinterlegung der Zahlungsmethode. Ab jetzt kann der Kunde jederzeit per SMS seine Bestellung abgeben. Die muss nur jedes Mal neu bestätigt werden, die restlichen Daten sind bereits hinterlegt.

Gründer Zak Normandin erzählt in einem MSNBC-Beitrag, dass die Fragen der Nutzer ganz direkt vom Bot beantwortet werden können. Fragt der Kunde etwa nach dem Status seiner Bestellung per SMS, weiß der Bot direkt die Antwort, ohne weitere Fragen zu stellen. Aber auch für das Marketing ist der Kanal und die Datenhoheit nützlich. Zur Einführung der neuen Geschmacksrichtung Rose richteten die Gründer einen Pop-Up-Store voller Rosen in New York ein. Die mehr als 20.000 Kunden der US-Metropole wurden per SMS eingeladen, vorbeizuschauen und den neuen Geschmack zu probieren. „Das ist eine clevere Art, neue Produkte zu testen, bevor wir sie national ausrollen“, sagt Gründer Normandin.

Mehr als 100.000 Flaschen hat Dirty Lemon seit dem Start 2015 verkauft

Im Mai 2018 sorgte Dirty Lemon für Aufsehen, als es die beliebte Wetter-App Poncho übernahm. Die App hatte Nutzern zu einer gewünschten Zeit per E-Mail oder SMS aktuelle Wetter-Aussichten geschickt. Direkt danach wurde die App eingestellt und das Entwickler-Team bei Dirty Lemon integriert. „Die Partnerschaft bringt unsere Vision von einer unkomplizierten Konversations-Plattform weiter voran“, so Normandin. 

Das geplante Insta-Produkt

„Jeder Kunde wurde bisher über Social Media und Word-Of-Mouth akquiriert. Sie sprechen über uns und – noch wichtiger – sie bestellen immer wieder“, sagt Normandin. „Als wir die Verpackung von Dirty Lemon gestaltet haben, ging es nur darum, wie das Produkt in einem Foto aussehen würde.“ Folgerichtig findet das digitale Marketing des Unternehmens vor allem auf Instagram statt. Der Kanal von Dirty Lemon hat auf der Plattform über 100.000 Abonnenten und mischt clever Brand-Inhalte mit Memes. Das Ziel sei es, so eine gut verdienende vor allem weibliche Zielgruppe zwischen 25 und 50 Jahren zu erreichen, so die Gründer

In vielen Instagram-Beiträgen sind weibliche Influencer mit einer Dirty-Lemon-Flasche zu sehen. Offenbar setzt das Unternehmen hier auf Instagrammer, die noch nicht zu den ganz großen Zählen, deren Accounts oft zwischen 15.000 und 25.000 Follower haben. Dazwischen finden sich immer wieder witzige Posts über Ben Affleck, Fotos aus TV-Shows und Bilder aus den 90ern. Einige der Posts kommen auf über 3.000 Likes, andere verhungern bei 400. Insgesamt scheint die Mischung des Contents bei der Zielgruppe aber anzukommen. Hinzu kommen „instagrammbare“ Aktionen wie der mit Rosen geschmückte Pop-Up-Store oder eine Bar namens Drug Store, in der nur Dirty Lemon serviert wird.

Tausende Fotos seien nach den Aktionen auf Instagram aufgetaucht. „Es reicht nicht, einfach ein Produkt zu haben, was in den Regalen gut aussieht. Die Zukunft des Handels ist, dass Brands eine größere Kontrolle darüber gewinnen, wie sie dem Konsumenten präsentiert werden“, sagt Normandin. „Wenn wir Geld für Kundenaktivierung ausgeben, sehen wir dank der Ein-Kanal-Distribution direkt den Return On Invest. Das ist schwierig, wenn du deine Produkte auch noch im Supermarkt verkaufst.“

Das Vogue-Design der Limonade

Die Vogue und Promis kommen

Normale Influencer reichen dem Unternehmen offenbar schon lange nicht mehr. Zu den Fans der Limonade gehören unter anderem die Schauspielerinnen Kate Hudson, Mindy Kaling oder Model Karlie Kloss. Anfang 2018 startete dann noch eine öffentlichkeitswirksame Aktion: Eine Limonaden-Kollektion in Zusammenarbeit mit der Vogue. Zur Präsentation sang US-Sängerin Cardi B, pinke und goldene Glitterflaschen gab’s zum Start. Aktuell können Kunden eine komplett schwarze Vogue-Limo kaufen. „Vogue war der richtige Partner für uns, weil Dirty Lemon als Brand nah dran ist an der Fashion-Industrie. Wenn du dein Haus verlässt, schnappst du dir Schlüssel, Tasche und eine Flasche Dirty Lemon, weil das etwas darüber aussagt, wer du bist“, sagt Gründer Normandin.

Als nächstes stehe die Entwicklung weiterer Getränke auch in anderen Kategorien an. Das Team entwickle ein Sprudelwasser und verschiedene alkoholische Produkte. Darüber hinaus sei der Start in Großbritannien geplant, bisher können nur Kunden in den USA und Kanada problemlos über SMS bestellen. Wer aus Deutschland an das Getränk kommen will, muss per E-Mail anfragen. Damit es mit der Skalierung weiter klappt, scheint das Unternehmen aber auch nicht mehr nur auf Word-Of-Mouth und Social Media zu setzen. Auch auf amazon.com hat Dirty Lemon mittlerweile einen eigenen Brand-Shop gestartet.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei OMR.com.

Bilder: Brad Barket / Getty Images, Dirty Lemon