Domino’s hat seinen eigenen Lieferdienst für Pizzen

Wertzuwächse von fast 2.000 Prozent – solch eine Entwicklung kennt man mittlerweile vor allem von den Aktien großer Tech-Firmen. Doch der US-Pizzeriakette Domino’s ist es innerhalb der vergangenen zehn Jahren gelungen mit ihrer Börsenkursentwicklung, die vier Tech-Größen Google, Apple, Facebook und Amazon abzuhängen. Der Erfolg basiert vor allem auf einer schlauen Digital-Marketing- und E-Commerce-Strategie – obwohl das Internet einst für einen Tiefpunkt der Unternehmensgeschichte gesorgt hatte.

Redakteure großer US-Blogs und Medien konnten es kaum glauben: Erstmals war der News-Seite Quartz im März 2017 aufgefallen, dass Domino’s Pizza die vielbeachteten großen Tech-Konzerne in Sachen Kursentwicklung innerhalb der vergangenen zehn Jahre „outperformt“ hat. Es folgten Berichte bei Business Insider, der LA Times und Anfang dieses Jahres Recode – anlässlich der Ankündigung von Domino’s CEO Patrick Doyle, nach acht Jahren Tätigkeit für das Unternehmen im Juni zurückzutreten. Recode visualisierte die Entwicklung der Aktienpreise in einer anschaulichen interaktiven Grafik:

„Unsere Pizza schmeckt nicht“

Tenor der Berichterstattung: Grundlage des Erfolgs von Domino’s war zum einen eine Neuerfindung der eigenen Produkte im Jahr 2009, zum anderen eine radikale Digital- und E-Commerce-Strategie. Dabei hatte das Unternehmen kurz zuvor mit dem Internet noch eine äußerst unangenehme Erfahrung gemacht: Im April 2009 landete ein Video auf Youtube und anderen Video-Plattformen, das zeigt wie zwei Domino’s-Mitarbeiter sich Käse in die Nase steckten und diesen später für Sandwiches verwendeten. Angeblich seien diese nie bei Kunden gelandet, hieß es später. Doch da war der Schaden schon geschehen: Die Videos wurden millionenfach gesehen, sorgten für eine massive Berichterstattung und eine veritable Unternehmenskrise.

Ende des Jahres 2009 suchte Domino’s einen Neuanfang: Im Rahmen einer groß angelegten Kampagne räumte das Unternehmen ein, dass seine bisherigen Produkte ihre Kunden offenbar nicht zufriedengestellt haben. Im Kampagnen-Video zum „Pizza Turnaround“ gaben Mitarbeiter ungeschöntes Kunden-Feedback wieder: „Die Verpackung schmeckt besser als die Pizza“, „Schlimmste Pizza, die ich je hatte“ und „Absolut geschmacksfrei“ lauteten einige der Urteile. Im gleichen Atemzug gab das Unternehmen bekannt, die Rezeptur und Karte komplett überarbeitet zu haben.

Für den radikalen Schnitt verantwortlich war der damalige US-Chef J. Patrick Doyle. Im März 2010 wurde Doyle zum CEO des Unternehmens befördert. Er gilt gemeinsam mit Russell Weiner, der zuvor für Pepsi tätig war und 2008 bei Domino’s den Posten des Marketingchefs übernommen hatte, als Architekt des Turnarounds von Domino’s Pizza.

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Schon vor der Neurezeptur galt Domino’s als verlässlicher Pizzalieferant. Nachdem Doyle die komplette Unternehmensführung übernahm, arbeitete die Kette daran, den Kunden in den damals neu entstehenden Digitalkanälen maximale Convenience zu bieten und so viele Hürden auf dem Weg zum Kauf als möglich abzubauen. Denn ein Großteil der von Domino’s verkauften Pizzen werden geliefert. Die Restaurants sind nicht wirklich dazu gedacht, dass die Kunden sich dort aufhalten und essen – höchstens, um ihre Pizza in Empfang zu nehmen.

Frühe Investitionen in die digitalen Kanäle

Im Jahr 2008 hatte Domino’s bereits die Möglichkeit zur Bestellung übers Netz eingeführt. Zwei Jahre später fällte das Unternehmen die strategische Entscheidung, eine eigene Order-Plattform zu entwickeln. Innerhalb der nächsten fünf Jahre brachte das Unternehmen eigene Mobile Apps zum Bestellen in den Markt. 

Im Jahr 2013 führte Domino’s die Möglichkeit ein, sich als Kunde ein ausführliches Profil einzurichten. Kunden können seitdem mit fünf Klicks (statt wie bisher mit bis zu 25) ihre zuletzt bestellte Pizza erneut ordern. Wenig überraschend gingen die Conversion Rates deutlich in die Höhe, wie Chief Digital Officer Dennis Maloney in einem Gastbeitrag im „Think with Google“-Blog schreibt. 

Ein Jahr später erweiterte Domino’s den digitalen Kaufprozess um einen Tracker, der den Kunden jederzeit mitteilt, an welchem Schritt des Herstellungs- und Auslieferungsprozesses („Zubereitung“, „im Ofen“, „Lieferung“) sich seine Bestellung gerade befindet. Ein Jahr später folgte das Kundenbindungsprogramm „Piece of the Pie“, das Bestandskunden mit Rabatten und Sonderangeboten zu Wiederbestellungen verleiten soll.

Heute gehen nach Unternehmensangaben bei Domino’s mehr als 60 Prozent der Bestellungen digital ein. Die Mobile Apps rangieren in den App Charts dauerhaft einige Plätze über denen der Mitbewerber. Nach Schätzungen des Berliner App-Analytics-Dienstleisters Priori Data wurde die App von Domino’s im Heimatmarkt USA 10,5 Millionen Mal heruntergeladen, die vom Mitbewerber Pizza Hut nur 6,4 Millionen Mal.

„Ein Tech-Unternehmen, das zufällig Pizzas verkauft“

Von den 800 Mitarbeitern am Hauptsitz von Domino’s in Ann Arbor, Michigan, arbeiten heute angeblich 400 im Bereich Software und Analytics. „Wir sind im gleichen Maß eine Tech-Firma, wie wir eine Pizza-Firma sind“, zitiert Harvard Business Review den noch amtierenden CEO Patrick Doyle. Heute treffe das Unternehmen viele Entscheidungen datenbasiert, wie Marketingchef Russell Weiner gegenüber Fast Company im Jahr 2014 erklärte: „Auch wenn Marketing immer noch einen bauchgetriebenen, nicht-greifbaren Aspekt hat, gibt uns Digital die Möglichkeit, deutlich wissenschaftlicher an die Sache heranzugehen. Wenn wir uns dazu entscheiden sollten, morgen unsere Homepage umzubauen, tun wird das nicht einfach nur, weil wir dazu Lust haben, sondern weil wir es A/B-getestet haben und wissen, dass unsere Franchise-Nehmer dadurch mehr Geld verdienen werden“, so Marketingchef Russell Weiner gegenüber Fast Company.

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Gleichzeitig hat Domino’s Pizza innerhalb der vergangenen Jahre immer wieder PR-Geschichten über neue Bestell- und Ausliefertechnologien lanciert: Eine App, mit der Kunden ihre zuletzt bestellte Pizza innerhalb von 30 Sekunden erneut ordern können, indem sie einfach nichts tun. Die Möglichkeit, über Twitter alleine durch das Posten des Pizza-Emojis zu bestellen. Die Voice-basierte Bestellmöglichkeit „Dom“. Ein eigenes Auslieferautomodell mit Warmhalteofen. Die meisten der Innovationen dürften für das Unternehmen wirtschaftlich kaum Relevanz haben. Der Konzern signalisiert den Kunden durch die Berichterstattung darüber aber immer wieder: Wir tun alles, um Euch die Bestellung so leicht wie möglich zu machen.

Erst im Februar konnte der scheidende CEO Patrick Doyle seinen vermutlich finalen Triumph verkünden: Domino’s und die Franchise-Nehmer des Unternehmens sollen 2017 Pizza im Wert von 12,2 Milliarden US-Dollar verkauft haben, Pizza Hut im Wert von 12,03 Milliarden US-Dollar. Damit hat Domino’s den Konkurrenten überholt und ist – so wie von Doyle vor Jahren als Ziel ausgegeben – der weltgrößte Pizza-Verkäufer.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei OMR.com.

Bild: Domino’s