Ein Beitrag von Torben Lux, Redakteur bei OnlineMarketingRockstars.de.

Über eine Milliarde Views und rund 15 Millionen Likes, und zwar innerhalb von nur drei Wochen mit insgesamt 40 Videos – so lautet die beeindruckende Statistik des von Buzzfeed betriebenen Koch-Verticals „Tasty“ auf Facebook. Die Seite steht an der Speerspitze eines neuen Foodtrends in dem sozialen Netzwerk. Wir erklären das Phänomen und werfen einen Blick auf die deutschen Vorreiter.

„Stuffed Steak Rolls Full Recipe“, „Broccoli Tots Full Recipe“ und „Loaded BBQ Chicken Nachos Full Recipe“ – so heißen einige der erfolgreichsten Videos von Buzzfeeds Food-Ableger Tasty. Die erst im Juli 2015 gegründete Facebook-Seite hat aktuell über 47 Millionen Fans. Laut dem auf soziale Netzwerke spezialisierten Statistikdienst Socialbakers kommen auf Basis der letzten sechs Monate pro Woche rund 1,2 Millionen neue hinzu. So hat sich die Anzahl der Fans von noch unter 20 Millionen Ende 2015 bis heute mehr als verdoppelt.

Natürlich ist das Format auch auf Instagram (2,9 Millionen Abonnenten), Pinterest (knapp 300.000 Follower) und Twitter (171.000 Follower) vertreten; seit dem 22. Januar 2016 gibt es auch einen Youtube-Kanal mit immerhin mehr als 155.000 Abonnenten und rund zwölf Millionen Views.

Ende 2015 startete zudem ein britischer Ableger (Proper Tasty, 8,6 Millionen Fans), seit Februar gibt es auch eine brasilianische Version (Tasty demais, 2 Millionen Fans). Auch Buzzfeed Deutschland veröffentlicht auf der eigenen Facebook-Seite in unregelmäßigen Abständen Food-Videos, die beiden erfolgreichsten zu Raffaello-Wodka und Burger-Dogs mit Käsefüllung kommen auf jeweils etwa fünf Millionen Views. Ein weiteres, international erfolgreiches Format ist das von ehemaligen MTV-Leuten betriebene Tastemade mit aktuell fast 14 Millionen Followern.

Thai-Style Larb Lettuce CupsFULL RECIPE: http://bzfd.it/1UrAXE1

Posted by Tasty on Tuesday, March 29, 2016

Extreme Reichweiten aber nur wenige Klicks auf Links und schwierige Monetarisierung

Das neue „Social Flagship“ vom einst als reinem Viral-Portal gestarteten Buzzfeed hat längst auch die Fan-Anzahl der eigenen Hauptseite (6,9 Millionen Fans) inklusive großer vertikaler Themenseiten wie Buzzfeed Food mit 20,4 Millionen Fans bei Facebook übertroffen. Nach all diesen Wachstums-Superlativen dürfte klar sein: Einfacher, leicht und vor allem schnell zu konsumierender Food-Content im Videoformat ist aktuell, besonders in den USA, nahezu eine Garantie für Reichweite. Einen riesigen Beitrag dazu dürfte Facebooks Video-Strategie leisten. Clips werden mit einer erhöhten Priorität gegenüber reinen Textbeiträgen in die Newsfeeds der User gespült, starten dann automatisch (Autoplay) und schon nach drei Sekunden Watchtime wird ein View generiert. Was für „alte“ Food-Publisher wie chefkoch.de (weiter unten noch mehr zum Portal von Gruner + Jahr) früher reines SEO war, ist heute Video-Content bei Facebook.

Das New York Magazin beispielsweise beschreibt das Phänomen der kurzen Clips als „Salbe für alle Krankheiten“; auch wenn man nie ein Rezept nachkoche, helfe das Anschauen doch, den Montag zu überstehen. Und auch wenn Publisher wie Buzzfeed diesen Hype und die massiven Reichweiten noch nicht direkt auf Facebook monetarisieren können, wird es diese Möglichkeit mittel- bis langfristig geben – Facebook testet bereits seit knapp einem Jahr mit Partnern wie der NBA und Fox Sports ähnliche Monetarisierungsmodelle, wie man sie bereits von Googles Videoplattform Youtube kennt. Dann dürfte Tasty nicht mehr nur in Sachen Reichweite ein Schwergewicht sein.

Bis dahin bleibt es bei Verlinkungen zu den Rezepten auf Buzzfeed.com oder Plattformen wie Pinterest. Die Klickzahlen auf diese Links sind dabei allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest im Vergleich zu den Abrufzahlen gering. Das deutet zumindest einer der eher selten eingesetzten Bitly-Links an. Fügt man ein „+“ zum Link hinzu, lassen sich die Klick-Statistiken einsehen. Fast 13.000 User wollten demnach bisher wissen, „wie man Steak aufrollt und zu einem total leckerem Essen macht.“ Meistens nutzt Buzzfeed einen eigenen Shortener, bei dem die Klick-Statistiken nicht einsehbar sind.

Bild pusht neues, eigenes Facebook-Food-Format „Futtern“ massiv

Derweil haben natürlich auch andere Publisher den Erfolg von Tasty realisiert und wollen ein Stück vom riesigen Food-Traffic-Kuchen abhaben. Hierzulande und ganz aktuell fällt in diesem Zusammenhang die Bild auf. Seit vergangener Woche pusht Axel Springers Nachrichtenportal über die bisher bekannten Facebook-Seiten Bild, Bild Ratgeber, Bild Lifestyle und Bild Video ihre neueste Fanpage „Futtern“, die stark an das internationale Vorbild „Tasty“ erinnert. Zwar veröffentlichte die Seite schon im Dezember zwei Videos, vermutlich testweise, doch erst die seit dem 14. März erscheinenden Clips werden von den großen Schwesternseiten geteilt. Die sieben neuen Videos kommen entsprechend auch schon auf deutlich höhere Abrufzahlen, ein Rezept für eine Mini-Lasagne wurde bisher über eine halbe Million Mal angeschaut, insgesamt kann Futtern aktuell zwei Millionen Views und knapp 44.000 Fans vorweisen.

Durch Shares über die reichweitenstarke Facebook-Seite der Bild werden die Video von Futtern gepusht.
Durch Shares über die reichweitenstarke Facebook-Seite der Bild werden die Video von Futtern gepusht.

Andreas Rickmann, Social Media-Chef bei Bild scheint mit den Zahlen zufrieden zu sein. Auf Anfrage von Online Marketing Rockstars sagt er: „Wir freuen uns sehr über die ermutigenden Zahlen zum Start. Das Potenzial von Food-Content ist bekanntermaßen groß, wir experimentieren bei ‚Futtern‘ bewusst mit einem beweglichen und agilen Team im Bereich neuer Plattformen. Wir zeigen hier Kochrezepte in plattformoptimierten Videos, die jeder ohne großen Aufwand nachmachen kann. Auf dem Kanal geht es uns darum, neue Zielgruppen auf Plattformen wie Facebook anzusprechen.“

Was das Team in Sachen Monetarisierung mittel- bis langfristig plant, bleibt Spekulation. Auch hier dürfte sich Bild aber an „Tasty“ orientieren und für weiterführenden Content zum Video wie zum Beispiel Rezepte auf die eigene Homepage verlinken. Weitere deutsche Beispiele für eine erfolgreiche Food-Video-Strategie auf Facebook sind unter anderem mit knapp 250.000 Fans Kuqui von Mediakreis aus der Schweiz (betreiben unter anderem auch die Facebook-Seite von Prinz Marcus von Anhalt) und Geniale Tricks von den heftig.co-Machern. Die Seite mit rund 1,8 Millionen Fans veröffentlicht zwar nicht ausschließlich Food-Videos, die erfolgreichsten Beiträge drehen sich aber nahezu alle um schnelle, einfache Rezepte. Gründer Peter Schilling verriet gegenüber Online Marketing Rockstars erst kürzlich, dass das Unternehmen immer stärker auf Video-Content setze und inzwischen auch einen Koch für Food-Content suche.

Hamburger Food-Startup setzt auf eigene, aufwendige Video-Produktionen

Einen etwas anderen und auch konkreteren Ansatz verfolgt das Team von Foodboom aus Hamburg. Das auf Food-Videos spezialisierte Startup will nach eigenen Angaben nahezu von Anfang an kostendeckend produziert haben – vor allem durch Native Advertising, also Produktplatzierungen innerhalb der Clips.

Sebastian Heinz ist einer der Geschäftsführer des jungen Unternehmens, das auch Kochschule.de, eine Plattform für Kochkurse betreibt. „Unser Geschäftsmodell basiert auf Native Advertising sowie Shopping-Integration. Unsere Partner kommen da vor allem aus dem Geräte- und natürlich Lebensmittelbereich“, erklärt er im Gespräch mit Online Marketing Rockstars. Gerade bei Facebook habe der Aufbau von Reichweite super funktioniert.

Heinz sagt: „Wir haben, ohne großartig Budgets in Marketing zu stecken, innerhalb von nur zwei Monaten über 200.000 Likes auf unserer Facebook-Seite sammeln können. Den Traffic werden wir jetzt auf andere Kanäle wie Youtube, App und eine eigene Plattform konvertieren. Langfristig haben wir aber ganz klar die Shopping-Integration im Kopf – dann können sich die User Zutaten aus den Videos direkt in den Warenkorb eines Supermarkt-Online-Lieferservice legen.“

Gemeinsam haben Hannes Arendholz und Sebastian Heinz die Foodboom GmbH gegründet.
Gemeinsam haben Hannes Arendholz und Sebastian Heinz die Foodboom GmbH gegründet.

Das zehnköpfige Team von Foodboom produziert alle Videos im eigenen, 500 Quadratmeter großen Kochstudio im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort. In den nächsten Wochen und Monaten sollen 20 neue Mitarbeiter eingestellt werden – darunter weitere professionelle Köche, Produzenten und Video-Cutter. Laut Sebastian Heinz sei ein langfristiges Überleben im boomenden Food-Content-Bereich nur mit einer eigenen Produktion möglich: „Wir können natürlich nur flexibel Native Advertising anbieten und in gleichbleibender Qualität produzieren, wenn wir alles selber machen. Diese gesamte Kompetenz in dem Bereich wird am Ende entscheiden, wer erfolgreich ist und bleibt. Klar, am Anfang kann man sicher als One-Man-Show mit einem Smartphone Videos produzieren. Treue Zuschauer, welche die Marke wahrnehmen und gute TKPs gibt es aber nur mit einer guten, hochwertigen Produktion, sowohl was die Videotechnik, als auch das Kochen selber angeht.“

Außerdem brauche Foodboom schon jetzt mindestens eine Person im Community Management; nur durch das schnelle Reagieren auf Fragen könne man eine starke Marke aufbauen. Heinz betont: „Und darauf kommt es an, sonst ist man nur ein weiterer Anbieter von Videos, die im Newsfeed untergehen.“ In wenigen Wochen wird Foodboom laut Heinz eine Series-A-Finanzierungsrunde abgeschlossen haben – ob durch einen Finanzinvestor oder ein Verlagshaus, wolle er noch nicht verraten, deutet aber gleichzeitig an, dass aus der Verlagsbranche großes Interesse komme.

Eatsmarter hält sich mit kurzen Facebook-Videos noch zurück

Trotz des enormen Hypes rund um das Phänomen der kurzen Food-Clips auf Facebook springt noch nicht jeder Publisher auf den Zug auf. Ein Beispiel ist das 2010 vom Verleger Dirk Manthey (früher Verlagsgruppe Milchstraße) gegründete Portal Eat Smarter, das wenige Monate nach Launch auch auf ein Print-Magazin übertragen wurde.

Während die verkaufte Auflage pro Quartal laut IVW im letzten Jahr von 111.898 auf 145.849 gesteigert werden konnte und man im AGOF-Ranking aller digitalen Gesamtangebote (also inklusive Nutzer der Website, App etc.) mit 3,07 Millionen Unique User immerhin auf Platz 88 landet, halten sich die Macher in Sachen Facebook-Videos noch zurück – trotz fast 270.000 Fans. „Natürlich haben wir das Thema bei uns intensiv diskutiert“, sagt Martin Kaltwasser, Objektleiter von eatsmarter.de. „Und die Produktion wäre auch definitiv billiger, als die unserer klassischen Videos. Der entscheidende Punkt ist aber die Monetarisierung. Die Reichweiten sind gut, eine harte Trafficwertung fehlt aber noch.“

Martin Kaltwasser, Objektleiter von eatsmarter.de
Martin Kaltwasser, Objektleiter von Eatsmarter.de

Kaltwasser, bis 2011 noch Objektleiter von lecker.de und Mitbetreiber von feine-macarons.de , sieht bisher keine deutlichen Wachstumsraten bei Fans und Shares: „Im Vergleich zu einem normalen Post sind die Views natürlich sehr hoch, trotzdem wird der Link zur Seite aber nicht häufiger geklickt. Die wichtige Frage ist doch, ab wann die hohen Abrufzahlen mehr bringen als reine Reichweite. Wo und wann ist der Tipping Point erreicht?“. Sowieso habe Eatsmarter ein etwas anderes Modell, als einige Konkurrenten. Martin Kaltwasser sagt: „Unser Claim ‚Deutschland isst gesünder‘ erklärt unseren Markenkern ja schon sehr gut. Die neuesten, wirklich hilfreichen Tricks gegen Bauchfett teilen sich allerdings schlechter, als ein Rezept für ungesunde Bacon-Burger.“ Vielleicht wird Pinterest als Kanal für Eatsmarter ja auch deshalb immer relevanter, 20 Prozent vom Social Traffic sollen bereits von der Plattform kommen, nur Facebook sei noch stärker. Im zweiten Quartal will das von Sevenone Media vermarktete Unternehmen dann laut Kaltwasser den amerikanische Markt angreifen und ein entsprechendes Portal launchen.

Supermärkte als weitere Konkurrenz zu klassischen Food-Publishern

Wie umkämpft der Markt rund um Food-Content alleine in Deutschland ist und um welches genutzte und teils ungenutzte Vermarktungspotenzial es hier geht, zeigt zusätzlich ein schneller Blick in verschiedene Ranglisten und Rankings. So sind neben Eat Smarter noch chefkoch.de von Gruner + Jahr ( Platz 7, 17,64 Mio. Unique User pro Monat), kochbar.de von RTL Interactive (Platz 41, 5,56 Mio. UUs/Monat), essen-und-trinken.de ebenfalls von Gruner + Jahr (Platz 45, 5,16 Mio. UUs/Monat) und lecker.de von Bauer Media (Platz 74, 3,74 UUs/Monat) in den Top 100 digitalen Gesamtangebote der AGOF vertreten.

Allem Anschein nach nicht ganz ausgeschöpftes Vermarktungspotenzial kommt dann aber schon beim Blick in Apples App Store zu Tage. Während mit Chefkoch immerhin eine der großen AGOF-Seiten in der Kategorie „Essen und Trinken“ unter „gratis“ in den Top 5 vertreten ist, tauchen unter „umsatzstärkste“ ganz neue, bisher nicht erwähnte Player auf: „Die offizielle Thermomix App“, „Jamies Rezepte“, „Women’s Health: 1500 Kalorien Tag“, „Die perfekte Eieruhr“ und „Steak Master“.

Eine zusätzliche Google-Suche zum relevanten Begriff „Rezepte“ zeigt zwar ebenfalls „alte Bekannte“ wie Chefkoch, Eatsmarter & Co., bringt aber ebenfalls neue Publisher zum Vorschein. Neben brigitte.de sind das vor allem der Discounter Aldi Süd und Edeka, die hier offenbar gute SEO-Arbeit leisten. Letztere haben nebenbei mit dem eigenen Koch-Kanal auf Youtube „yumtamtam“ einen Content-Marketing-Volltreffer gelandet. Seit dem Start im April 2015 wurden die Videos des Channels über 21 Millionen Mal angeschaut und fast 100.000 Abonnenten generiert. Zur Reichweitensteigerung werden im extra dafür geschaffenen Format „zu Gast“ regelmäßig Social Influencer wie der vegane Promi Attila Hildmann oder Youtuber MrTrashpack eingeladen. Die Produktion dürfte zwar etwas aufwendiger als die typischen Clips zu One-Cup-Rezepten sein, beweist aber erneut, welche Reichweiten-Power im Moment in Food-Videos schlummert.

 Dieser Artikel erschien zuerst auf OMR.com.

TITELBILD: OMR; Hinweis: Axel Springer ist Gesellschafter der Business Insider Deutschland GmbH, dem Medienhaus von Gründerszene. Weitere Informationen zu Business Insider findet ihr hier: www.businessinsider.de/informationen/impressum