Der erste Lidl-Markt in den USA eröffnete am 18. Juni in Virginia Beach
Der erste Lidl-Markt in den USA eröffnete am 18. Juni in Virginia Beach

Der Juni des ablaufenden Jahres könnte im Rückblick als ein folgenschwerer Monat für den US-Lebensmittelmarkt gesehen werden. Erst kündigte der deutsche Discounter Aldi an, fünf Milliarden Dollar in den Ausbau seines US-Geschäfts zu stecken. Wenige Tage später eröffnete Lidl seine erste Filiale in den USA. Nur fünf Tage danach wurde bekannt, dass der Handelsgigant Amazon die Supermarktkette Whole Foods übernimmt. Drei Meilensteine für den Lebensmittelmarkt der Vereinigten Staaten. Während noch nicht klar ist, in welche Richtung Amazon mit seiner ersten Offline-Übernahme steuert, lieferten die US-Expansionen der beiden deutschen Discounter bereits einigen Gesprächsstoff – denn sie verliefen bislang durchaus unterschiedlich. 

Für Lidl war der nordamerikanische Markt neu. Die ersten Filiale eröffnete der Discounter in Virginia Beach, inzwischen ist das Netz auf fast 50 Märkte gewachsen, alle an der Ostküste. Doch das Wachstum verlief nicht problemlos. Schon wenige Monate nach dem Start berichteten Medien über überraschend leere Lidl-Märkte. Das Marktforschungsinstitut Inmarket teilte mit, dass viele Kunden, die zunächst von den Konkurrenten Walmart und Kroger zu den neun Lidl-Filialen in Virginia und Carolina gegangen waren, inzwischen wieder bei den US-Marken einkaufen. Zudem sei der Marktanteil von Lidl hier von elf Prozent im Juni auf acht Prozent im August gesunken. 

Es hat sich außerdem gezeigt, dass Lidl einen mächtigen Gegenspieler in den USA hat: Die Handelsgewerkschaft United Food & Commercial Workers Union (UFCW). Mit hetzerischen Plakaten und einer Mini-Demonstration hatten Gewerkschaftler Lidl bei der Markteröffnung in New Jersey begrüßt. „Do not patronize“ (Deutsch: „Fördern Sie (das) nicht“ oder „Do not let your $ go to Germany“ („Lassen Sie Ihre Dollar nicht nach Deutschland gehen“) stand auf den Spruchtafeln. Hinter den Demonstranten stand eine rund drei Meter hohe Figur einer bissigen Ratte, die offenbar den deutschen Discounter darstellen sollte, um zu zeigen, dass sie keine „non-union supermarkets“ in der Gegend wollen, wie auf der Homepage der Gewerkschaft steht. Konkrete Forderungen oder Beanstandungen sind allerdings nicht bekannt. Lidl teilte mit, dass kein Arbeitnehmervertreter an sie herangetreten sei.

Inzwischen hat Lidl nach dem holprigen Start Berichten zufolge sogar personelle Konsequenzen gezogen. Demnach übernahm Michael Aranda im Oktober die strategische Verantwortung für die USA von seinem Vorgänger Brendan Proctor. Lidl sei seitdem bei der Auswahl neuer Standorte sehr viel wählerischer geworden und habe allzu kleine Städte gemieden. Aranda hatte für Lidl bereits das Spanien-Geschäft erfolgreich geleitet. 

Anders als für Lidl hat Aldi auf dem US-Markt bereits Erfahrung. Seit den 1970er Jahren ist das Unternehmen in den Vereinigten Staaten aktiv. Auch die Supermarkt-Kette Trader Joe’s, die in den USA 460 Filialen hat, gehört zu Aldi. Entsprechend unaufgeregt soll auch die weitere Expansion vonstatten gehen. Dabei sind die Ausmaße gewaltig: In den kommenden fünf Jahren will Aldi die Zahl seiner Filialen von 1600 auf 2500 erhöhen. Damit wäre der deutsche Discounter die drittgrößte Supermarktkette in den Staaten. Nur die beiden Konkurrenten Kroger (3600) und Walmart (5350) sind an mehr Standorten aktiv.

Wie sehr die Expansion von Aldi beachtet wird, zeigt eine Entwicklung, die das Nachrichtenportal CBInsight recherchiert hat. Demnach wurden die Schlagworte „Aldi“ und „US“ in den amerikanischen Medien von 2012 bis 2017 stets in ähnlicher Häufigkeit erwähnt. Seit der Ankündigung der Expansion in diesem Jahr wurde diese beiden Begriffe zusammen mehr als zehn mal so häufig genannt. Aldi hat es demnach zum Gesprächsthema in den US-Medien geschafft. Bereits in zwei Jahren könnte der Umsatz des Unternehmens in den USA größer sein als in Deutschland.

Was beide Discounter eint, ist, dass sie bei ihrem Ausbau in den USA auf eine „brick and mortar“-Strategie setzen, wie es in US-Medien heißt. Wörtlich übersetzt bedeutet das „Ziegel und Mörtel“. Gemeint ist, dass sich Lidl und Aldi vor allem auf den stationären Handel konzentrieren. Allerdings bieten beide Ketten auch Online-Verkauf und Lieferservices an. Lidl arbeitet mit dem Startup Shipt zusammen, um Einkäufe zu den Kunden nach Hause liefern zu lassen, Aldi seit August dieses Jahre mit dem Lieferdienst Instacart. 

Bild: Getty Images / Chet Strange / Stringer