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Shopping Beame mich bitte hier raus, Amazon. Danke.

Amazon hat mein Leben verändert. Das kann man ja ruhig mal zugeben. Welcher Onlinedienst hat das eigentlich sonst noch geschafft? Twitter vielleicht. Oder Facebook. Aber Amazon ist es gelungen, meinen kompletten Samstag neu zu strukturieren. Mit seinem Lieferdienst Prime Now. Das ist der Onlineshop für haltbare Lebensmittel aller Art. Dazu gibt es hier Getränke, Duschgel, Küchentücher und viele andere Dinge des täglichen Bedarfs. Geliefert wird direkt an die Haustür, während eines zweistündigen Zeitfensters, das man sich in der Smartphone-App aussuchen kann. Jetzt sollen mit Amazon Fresh noch frische Produkte wie Gemüse, Fleisch oder Fisch hinzu kommen. Ich kann es gar nicht erwarten. Man munkelt, dass es in Berlin im April losgehen soll.

Einkaufen kostet einfach zu viel Zeit

Muss ich hier aufschreiben, wie ernüchternd es sein kann, am Samstag in einer langen Schlange vor der Supermarktkasse zu warten? Am schönsten Tag der Woche verbringt man unter Umständen den halben Tag damit einzukaufen, und den ganzen Krempel bis in die Wohnung zu schleppen. Dabei gibt es so viele andere Dinge, die man am freien Tag tun könnte. 

Mit Prime Now lasse ich seit einigen Monaten Pflichteinkäufe direkt in die Wohnung liefern. Das heißt, es bleiben nur noch Besorgungen übrig, für die man zum Beispiel bei einem entspannten Spaziergang über den Wochenmarkt erledigen kann. Fleisch, Fisch oder frisches Obst und Gemüse zum Beispiel. Um die Ecke liegt der Winterfeldmarkt. Er ist über die Grenzen von Berlin hinaus bekannt, aber leider nicht ganz so gut wie sein Ruf. Hin und wieder ärgere ich mich über nicht ganz knackige Zwiebeln oder die mangelnde Auswahl bei Fleisch oder Fisch. Damit ich alle Sachen für das Rezept bekomme, das ich später kochen werde, muss ich ganz schön herumrennen. Die Preise sind gepfeffert.

Unglaublicher Thunfisch in Sushi-Qualität

In den USA ist Amazon Fresh bereits gestartet und die Vielfalt des Angebotes ist überwältigend. Ich werde ganz sicher kein Kobe Beef für 499 Euro bestellen oder mir zwei Hummer liefern lassen, aber diese Produkte haben im US-Shop offenbar Käufer gefunden und gute Bewertungen erhalten. Wenn das Angebot in Deutschland ähnlich vielfältig und hochwertig sein sollte und der Service ist so verlässlich wie Prime Now, kann der Wochenmarkt um die Ecke keinesfalls mithalten.

Ich könnte dann am Frühstückstisch direkt zwischen meiner Kochrezepte-App und der Einkaufsliste hin und her swipen und Zutaten für die ganze Woche zusammenstellen, die wenige Stunden später in meinem Kühlschrank stehen. In den USA sind Bio-Produkte und Nahrungsmittel für jede Art von Lebensmittelunverträglichkeit im Angebot. Auch frischer Fisch ist erhältlich. Der unglaubliche Thunfisch in Sushi-Qualität muss es ja nicht gleich sein. Für meine Einkäufe am Samstag bliebe dann nur noch das übrig, was mir wirklich Spaß macht: spannenden Wein aussuchen und ein Stück Kuchen für den Nachmittag. Herrlich.

Die Deutschen wollen keine Zusatzkosten

Die deutsche Supermarkt-Konkurrenz hat also allen Grund, sich vor Amazon in Acht zu nehmen. Der Lebensmittelmarkt ist zwar riesig. Doch derzeit wird nur ein Prozent aller Einkäufe über das Internet abgewickelt. Rund 170 Milliarden Euro geben die Bundesbürger im Jahr für den Einkauf von Lebensmitteln aus. Die Margen sind klein und die Deutschen zeigen nicht allzu große Bereitschaft, für Zusatzleistungen wie Lieferung mehr Geld zu bezahlen als im stationären Handel. Da bräuchte es eine Menge Überzeugungskraft der Amazon-Konkurrenz. Und anständige Qualität. Wobei die Qualität von Lebensmitteln in Deutschland immer noch eine geringere Rolle spielt als der Preis.

Amazon hat gegenüber den deutschen Wettbewerbern den großen Vorteil, dass bereits viele Kunden ihre Kreditkarte hinterlegt haben und sich nicht neu registrieren müssen. Von Amazon Prime mit Musik und Filmen über Prime Now bis zu Essenslieferungen von Amazon Fresh ist der Weg nicht weit. Für Amazon bedarf es allerdings einiger Anstrengungen. Die Kühlkette muss eingehalten werden. Lebensmittel sind Waren, die von geschultem Personal begutachtet werden müssen, um eine gleichmäßig gute Qualität sicher zu stellen. Da ist es schwierig kostendeckend zu arbeiten. Für Amazon ist das offenbar kein Problem. Nach Berichten eines Branchenblattes will Amazon jetzt auch noch ins Apothekengeschäft einsteigen.

Für mich bliebe mit dem Start von Amazon Fresh noch mehr Freizeit übrig – und mein latent schlechtes Gewissen, wenn der Amazon-Bote am Samstagabend mit all den schweren Papiertüten um kurz vor acht Uhr vor der Tür stünde. Wie steht es eigentlich mit den Arbeitsbedingungen der Menschen, die für diesen praktischen Service perfekt funktionieren müssen? Die Kollegen von Der Zeit haben zu diesem Thema beim Prime-Now-Service recherchiert und sind zu einem zwiespältigen Urteil gekommen. Von mir bekommt der Lieferant jedenfalls regelmäßig ein anständiges Trinkgeld, weil er mir Zeit für die schönen Seiten des Lebens gespart hat.

Foto: NamensnennungKeine Bearbeitung Bestimmte Rechte vorbehalten von David Blackwell