Gemüse wird 2019 eine bedeutende Rolle spielen, sagt Hanni Rützler

Seit Mitte der 90er Jahre sucht die Wiener Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler nach den Trends von morgen. Sie war eine der ersten Testesserinnen, die vor fünf Jahren einen Burger probieren durften, der im Reagenzglas gezüchtet wurde. Jedes Jahr veröffentlicht die Zukunftsforscherin einen Food-Report, in dem sie die Trends für das kommende Jahr vorstellt. Rützler sieht Food-Trends dabei als Antwort auf tiefere Sehnsüchte und Bedürfnisse der Verbraucher. 

Frau Rützler, was werden 2019 die größten Food-Trends sein?

Ein Schwerpunkt liegt in Zukunft auf Plant Based Food. Ein weiterer auf Transparency, also dem Bedürfnis nach mehr Transparenz und damit um Vertrauen in die Produktionskette. Ein weiterer wichtiger Trend hört auf den Begriff Healthy Hedonism. Hier geht es um Gesundheit und Genuss. Konkret: Um den Abschied von einem rein funktionalen Blick auf unser Essen. Die neuen Gastrokonzepte und It-Produkte müssen einen gesunden und genussvollen Flair haben.

Ist Plant Based Food jetzt das neue Modewort für vegan-vegetarisch?

Ja. Für neue Entwicklungen braucht man eben auch neue Worte. Früher ging es nur um Fleischverzicht – sprich vegan –, jetzt richtet sich der Fokus auf Gemüse.

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Glauben Sie, dass In-Vitro-Fleisch jemals eine Chance haben wird?

Technisch ja. Die Frage ist, wie es akzeptiert wird. In den USA werden viele Sachen einfach ausprobiert. Dort darf man auch scheitern und sich neu erfinden. In Europa muss alles sofort passen. Ich habe den Eindruck, dass wir da im deutschsprachigen Kulturraum besonders konservativ sind.

In der Autoindustrie und bei der Kommunikation begrüßen wir Technik mit Handkuss, aber wenn es um das Essen geht, haben wir unsere romantischen Vorstellungen und glauben, dass wir alles zugleich haben können: Traditionelle Produktionsformen und billige Preise. Artgerechte Tierhaltung und viel Fleisch.

In-Vitro-Technologie eröffnet eine neue Perspektive. Sie wird sich in Amerika, in China und sogar in Lateinamerika schneller durchsetzen als im deutschsprachigen Kulturraum.

Ist Deutschland also kein Trendsetter im Food-Bereich?

In den urbanen Zentren ist immer viel mehr möglich. In Berlin, Hamburg und Co. gibt es sehr lebendige Food-Szenen, hier ist das Tempo ganz anders. Aber die deutschen Hotspots haben eine andere Ausrichtung als beispielsweise das multikulturelle London. Bei uns dreht es sich eher um kleinteiligere Themen. Wir fürchten uns vor den größeren Trends. 

Werden Insekten ein großer Trend?

Den Medien gelingt es immer wieder, Insekten als Grusel- und Dschungelcamp-Thema zu verkaufen. Ich denke mir, wir essen Garnelen, also ist der Sprung etwa zu Heuschrecken nicht mehr so groß. Zumindest aus ökologischen und ernährungsphysiologischen Gründen spricht einiges für den Konsum von Insekten. Das reicht aber noch nicht für einen großen Trend.

Gibt es denn Revivals von Food-Trends – ähnlich wie in der Mode?

Trends gehen nie ganz zurück, sondern erfinden sich immer wieder neu und setzen dabei etwas andere Akzente. Das sieht man sehr gut am Local-Food-Trend. Und natürlich gibt es auch Revivals – etwa die Renaissance der Französischen Küche. 

Wie prognostizieren Sie den Kochboxen-Trend für den deutschen Markt?

Der Ansatz und die Idee sind natürlich unschlagbar. Andererseits ist Deutschland ein extrem preisgetriebener Markt, jeder Cent wird umgedreht. Das verlangsamt diese Entwicklung. Allerdings gibt’s wiederum Geräte wie den Thermomix, da ist es dann plötzlich egal, was es kostet. Außerdem haben wir in Deutschland eine extrem hohe Dichte an Supermärkten mit vielen Fertigmenü-Angeboten, die den Kochboxen-Tend online auch bremsen. 

Der Onlinehandel mit Lebensmitteln stagniert seit Jahren bei weniger als zwei Prozent. Wann wird sich das ändern?

Wir befinden uns in einer Umbruchphase. Und das heißt, es kann noch länger dauern, es kann sich aber auch sprunghaft ändern. Die Generation, die jetzt mit dem Smartphone aufwächst, wird im Alltag immer weniger stationär einkaufen. Auch Lebensmittel. Und wenn man einmal online Lebensmittel kauft und es funktioniert, dann wird man es nie wieder lassen. Nicht umsonst ist Amazon bei Whole Foods eingestiegen.

Bild: Nicole Heiling