Stefanie Rothenhöfer hat den Food Entrepreneurs Club gegründet
Stefanie Rothenhöfer hat den Food Entrepreneurs Club gegründet

Schnitzelessen in der Kantine war gestern: Heute kann man die Mittagspause in Berlin in veganen Cafés, Superfood-Restaurants oder Pop-up-Läden für Knochenbrühe verbringen. Zu verdanken ist das der breit aufgestellten Gastro-Gründerszene in der Bundeshauptstadt.

Stefanie Rothenhöfer kennt sich aus in dieser Szene. Sie hat vor drei Jahren den Food Entrepreneurs Club gegründet – eine Plattform, die Food-Gründer untereinander vernetzt – und berät Startups im Gastrobereich. Mit uns hat Rothenhöfer darüber gesprochen, welche Konzepte derzeit im Trend liegen und warum die Gastroszene in Kleinstädten weniger innovativ ist.

Stefanie, in welchen Bereichen lohnt es sich derzeit, ein Gastro-Startup zu gründen?

Zum einen besteht eine große Lücke an sogenannte Gastro-Pubs. Zum anderen ist der ganze Bereich Frühstück noch ausbaufähig. Viele Cafés gehen hier mit ähnlichen Konzepten an den Start und setzen auf healthy. Das kommt gut an, ist aber nicht innovativ. Um sich klarer auszurichten, bieten sich zum Beispiel verschiedene Küchenrichtungen an. Ich berate gerade ein ungarisches Café, das die Frühstückskarte so umstellt, dass die ungarische Identität wirklich rauskommt. Der Avocado-Toast und die pochierten Eier sollen dann mal nicht auf der Karte stehen. Allgemein bin ich davon überzeugt, dass jedes Konzept, das zu 100% auf Qualität setzt, sehr gute Chancen hat, erfolgreich zu werden.

Gibt es im Gegensatz dazu Konzepte, von denen Du Gründern derzeit abrätst?

Alles, was in den Convenience-Bereich geht – das ist veraltet. Heute ist das Handwerkliche, Gesunde, Frische, Transparente einfach erfolgreicher.

In einer Großstadt wie Berlin funktionieren wahrscheinlich viele innovative Foodkonzepte. Aber wie sieht es in einer Kleinstadt aus?

Ich glaube, auch dort können innovative Gastronomien funktionieren. Ein gutes Produkt setzt sich immer durch. Wichtig ist, eine lokale Community aufzubauen, die dahintersteht.

In vielen Kleinstädten hat sich in den letzten Jahren aber überhaupt nichts in der Gastro-Szene getan. Was müsste passieren, damit sich das ändert?

In Städten wie Berlin sind die Eintrittsbarrieren geringer. Hier kann man sich mehr ausprobieren und austauschen. Diese Möglichkeit fehlt in vielen kleinen Städten. Zudem werden dort eher Konzepte kopiert. Ich merke auch, dass es in kleineren Städten im Streetfood-Bereich knallhart um Business und den Profit geht. Da fehlt der Spirit. Es müsste einen Treiber geben, der die anderen motiviert – wie etwa Klaus-Peter Wünsch, der in Nürnberg die Foodtrucks bekannt gemacht hat. In kleinen Städten ist die Mentalität der Leute häufig anders, viele investieren in jungem Alter eher in ein Haus als ein Startup zu gründen.

Was steht vor der Gründung eines Gastro-Startups?

Wenn man nicht aus der Branche kommt, ist es wichtig, zum Beispiel mit einem Praktikum in die Gastronomie hineinzuschnuppern – und zwar nicht nur zwei Tage, sondern mindestens einen ganzen Monat. Dafür sollte man dann auch notfalls seinen Jahresurlaub opfern. So kann man schauen, ob Gastronomie wirklich das ist, was man langfristig machen möchte. Viele Banken wollen mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in der Gastronomie sehen – auch wenn das nur Kellnern ist. Es lohnt sich auch, Workshops mitzumachen oder einen Kurs bei der IHK zu belegen und sich Zertifikate ausstellen zu lassen.

Was müssen Gastro-Neugründer alles beachten?

Viele wissen nicht, wie viele bürokratische Sachen auf sie zukommen. Man braucht Hygienezertifikate, Umnutzungsgenehmigungen, falls die Immobilie vorher noch nicht gastronomisch genutzt wurde, und man muss die Hygienebestimmungen beim Küchenaufbau beachten. Ich würde auch empfehlen, so schnell wie möglich einen Steuerberater mit ins Boot zu holen. Spätestens, wenn es darum geht, Personal einzustellen, braucht man fachmännischen Rat. Man sollte sich ganz genau mit den verschiedenen Verträgen und Anstellungsverhältnissen auskennen, damit einem die Personalkosten nicht um die Ohren fliegen.

Bevor Gründer eine Küche aufbauen können, brauchen sie erst einmal eine Lokalität. Wie findet man die?

Das wird immer schwieriger. Man sollte mindestens sechs Monate einplanen. Das große Problem in Berlin ist, dass man relativ wenige Straßen findet, die frequentiert und entsprechend sexy sind. In Berlin hat das dazu geführt, dass Neugründer in ältere Gastronomiebetriebe gehen und fragen, ob sie sie rauskaufen können.

Wächst dahingehend auch die Bedeutung des Außerhaus-Geschäfts?

Auf jeden Fall. Ich rate jedem, das von vorneherein mit einzuplanen. Da gibt es ja auch das Beispiel von Beets & Roots, das einen Großteil des Umsatzes über Delivery erzielt.

Wie viel Esprit hat die Gastro-Szene in Deutschland?

Ich finde, Deutschland ist wahnsinnig träge. Man muss sich mal vor die Augen führen, dass Dean & David jetzt erst in die Verkehrsgastronomie geht – die gibt es jetzt seit fast zehn Jahren! Die Auflagen, die solche Lokalitäten fordern, sind für neue Betriebe aber oft zu hoch. Sie haben noch keine optimierten Prozesse. Und natürlich können sie sich die Mieten nicht leisten. Dahingehend finde ich den neuen Foodcourt im Bikini in Berlin interessant. Dort sind die Mieten für Gastronomen relativ fair. Das ist interessant, weil immer mehr online geshoppt wird und die Gastronomie gerne benutzt wird, um die Shopping Malls zu füllen und die Kunden anzulocken. Dafür bietet sich die Individualgastronomie natürlich eher an als ein Vapiano.

Ist der Markt irgendwann gesättigt, wenn jetzt alle Individualgastronomen werden?

Nein – ganz einfach, weil viele Leute es nicht schaffen werden. 2016 haben genauso viele Restaurants in Berlin aufgemacht wie geschlossen. Eine andere Zahl belegt, dass auch in der Gastro leider neun von zehn Gründer scheitern. Der, der ein gutes Konzept hat, professionell ist und vor allem gute Qualität liefert, wird sich durchsetzen.

Kann die Industrie von Gastro-Gründern profitieren?

Nestlé und Co haben es im Moment richtig schwer, weil sie die Generationen X, Y und Z nicht richtig verstehen. Die schauen sich jetzt sehr viel bei Food-Startups ab. Sie wissen, dass sie so, wie es jetzt ist, nicht weitermachen können.

Bild: Simone Hawlisch