Jan Kunath ist seit 1992 bei Rewe. Heute ist er stellvertretender Vorstandsvorsitzender der REWE Group.
Jan Kunath ist seit 1992 bei Rewe. Heute ist er stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Rewe-Gruppe.

Die etablierten Handelsketten liefern sich seit einigen Jahren einen Wettbewerb, bei dem es um mehr als die aktuellen Umsatzzahlen geht. Es ist der Wettbewerb um das Geschäftsmodell der Zukunft. Was wird die Digitalisierung verändern? Wie wird Amazon in den Markt eingreifen? Die Antworten sind verschieden. Während die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland sich klar gegen einen Lebensmittel-Onlineshop und Lieferdienste positioniert, hält die Rewe-Gruppe Investitionen in diesem Bereich für unausweichlich für eine erfolgreiche Zukunft.

Das bedeutet aber auch, dass Technologie einen weitaus größeren Stellenwert bekommt, als bisher üblich in einer Supermarktkette. Dass tatsächlich ein großer Spagat zwischen den digitalen Ambitionen und dem etablierten Handel liegt, wird nun in einem Interview deutlich, das Jan Kunath, der Vize-Chef von Rewe, dem Handelsblatt gegeben hat.

Er beschreibt, wie Technologie für eine Supermarktkette wie Rewe an Bedeutung gewinnt. „Wir müssen begreifen, dass IT und Logistik nicht nur Dienstleister sind, sondern zentrale Waffen, um den weiter wachsenden Wettbewerb zu gewinnen“, sagt Kunath. Doch gleichzeitig beschwichtigt er, es werde auch weiterhin Filialen geben, die so funktionieren wie heute. Kunath sieht das Unternehmen in der Zukunft als eine Mischung aus Tech- und Handelskonzern: „Ich sehe uns im Kern als Handels- und Touristikunternehmen, das aber technologisch neue Ausprägungen bekommt.“

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Das nächste große Ding sind aus seiner Sicht Sprachassistenten. „Wir glauben, dass diese Technologie viele Teile des Handels grundlegend verändern wird. Das wird der nächste große Technologiesprung.“ Alexa und Co. sind für ihn allerdings zugleich Beispiel für eine Bedrohung für den Handel. „Die Frage ist für mich, was ich einem Dritten von unserem mühsam erarbeiteten Geld abgeben will oder muss, weil er sich zwischen mich und den Kunden geschaltet hat.“ Amazons kassenlosen Supermarkt Amazon Go sieht Kunath allerdings mit weniger Sorge. Dort sei eigentlich nur Kameratechnik im Einsatz, also nur „ein kleines Segment der Technologie“.

Auf der Jahrespressekonferenz von Rewe hatte CEO Lionel Souque Amazon noch als „Riesenkampfmaschine“ bezeichnet. Jetzt nennt Kunath den US-Konzern in einigen Punkten als Vorbild. „Wir können die totale Zentrierung auf den Kunden lernen, den Willen, für die Erfüllung der Kundenwünsche alles rechts und links liegen zu lassen“, so der Rewe-Vize. „Und als Zweites müssen wir lernen, Fehler zuzulassen.“

Damit spricht Kunath einen weiteren Punkt an, der zum digitalen Wandel bei Rewe gehört: Die Arbeitskultur. Und auch hier zeigt sich, wie schwer es dem Milliardenkonzern fällt, festgefahrene Strukturen zu ändern. „Wir neigen dazu, alles zu lange zu testen, um keinen Fehler zu machen“, kritisiert Kunath. „Wir müssen bereit sein, auch mal ein paar verrückte Ideen zuzulassen, die nicht auf den ersten Blick erfolgversprechend sind.“ 

Nur so werde man auch attraktiv für junge IT-Spezialisten, denn denen geht es laut Kunath nicht nur ums Geld. „Wir müssen offen sein für Menschen, die bei ihren Projekten nicht immer den ganz geraden Weg gehen. Nur so behält man die Kreativität“, ist er sich sicher. „Und dann ist es auch für viele charmant, in einem großen Konzern zu arbeiten, weil es da viel mehr Rückhalt und Sicherheit gibt als in einem Startup.“ Doch irgendwann gibt es auch Grenzen, findet Kunath: „Ich als Vorstand muss nicht selbst Startup spielen und das Duzen einführen, um zu zeigen, dass ich das Thema ernst nehme.“

 

Bild: Getty Images / Matthias Kern / Stringer