Im Fokus der jüngsten Kontroverse: Der Neckarsulmer Supermarkt-Gigant Lidl

Mit aller Macht auffallen – durch trendige Produkte und ganz viel „Startup“-Allerlei. So scheinen die großen Supermarktketten derzeit ihren Wettbewerb auszutragen. Zumindest hat man den Eindruck, wenn man sich einmal für den Wocheneinkauf etwas Zeit nimmt und nicht an all den bunten Aufstellern genervt vorbeirennt. Oft tun die Händler all das gemeinsam mit den Nachwuchs-Unternehmen, schmücken sich gerne mit ihren Accelerator-Programmen und dem, was sie sonst noch alles für die jungen Anführer der Foodrevolution so tun.

Offenbar wird dieser Wettbewerb aber auch auf den Schultern von Startups ausgetragen, wie ein aktueller Fall aus Spanien zeigt. Andoni Monforte ist Gründer und Erfinder des „ChufaMix – Veggie Drinks Maker“. Mit der Apparatur lässt sich zuhause aus allerlei Samen und Hülsenfrüchten vegane Milch herstellen – trendiger geht es fast nicht. Allerdings ist Andoni Monforte stinksauer: Ernesto – die Lidl-Tochter für Haushaltsartikel – habe seine Erfindung exakt nachgebaut, hat er der taz erzählt. Beim Discounter-Riesen heißt das Gerät „Veggie Drink Maker“ – im Singular statt im Plural. Der Rest sei gleich, sogar die Gebrauchsanweisung zeige fast identische Zeichnungen.

Monforte klagt nun wegen Patentrechtsverletzung gegen Lidl in seinem Heimatland Spanien, den Niederlanden und in Deutschland. Für seinen ChufaMix, den er seit fünf Jahren in 35 Ländern vertreibt, habe er in Spanien, China, der Türkei und Mexiko auch ein Patent, in den USA laufe das Anmeldeverfahren noch. Beim europäischen Patentamt in München sei ChufaMix seit Juni 2017 eingeschrieben. Kurzum: Der Erfinder sieht sich auf der sicheren Seite.

NGIN Food und Gründerszene haben Lidl um eine Stellung zu dem Fall gebeten. Zum Beispiel hätten wir gern gewusst: Ist das Kopieren von bestehenden Produkten für Lidl generell eine vertretbare Methode? Der Konzern antwortete lediglich: „Lidl ist die Thematik bekannt. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu laufenden Verfahren nicht äußern.“ Kein weiterer Kommentar.

Es ist nicht der erste Bericht über einen Supermarkt, der sich (zu) sehr an einem Startup-Produkt orientiert. Vor Kurzem erst war im ARD-Magazin Plusminus über eine Auseinandersetzung zwischen der Gründerin und Erfinderin von Smuus, Negin Pakravesh, und Rewe zu lesen: Mitte Juli 2017 habe der Konzern in seiner Eigenmarken-Reihe „Rewe beste Wahl“ unter dem Namen Oh my Smooth einen Aufstrich in seine Märkte gebracht, der wie Smuus eine Mixtur aus Obst, Gemüse und Gewürzen und damit anders als bisher dagewesene Produkte sei. Nicht nur Aufstrich, sondern vielfältig einsetzbar, auch zum Kochen. Name, Beschreibung – alles auffallend ähnlich, findet Smuus-Gründerin Pakravesh.

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Sie fühlt sich betrogen: Während der Entwicklungsphase habe sie das Produkt dem Geschäftsführer und der Marketingleiterin von Zentis vorgestellt, sagt sie, samt Produktmuster – in der Hoffnung, einen Kooperationspartner zu finden. Zentis lehnte ab, produzierte dann aber selbst mit seiner Tochterfirma Allfrucht im Auftrag von Rewe das eigene Produkt. Pakravesh erwirkte eine einstweilige Verfügung, das Rewe-Produkt musste vorübergehend aus den Regalen, doch der Konzern setzte sich am Ende durch. Und die Zentis-Tochter Allfrucht fordert Schadensersatz. So scheinen die Spielregeln zu sein.

Ähnliches passierte wohl beim Eistee Charitea, eine Kreation des Hamburger Startups Lemonaid Beverages: Der baden-württembergische Safthersteller Dietz führt eine Eistee-Linie in seinem Portfolio, die Charitea in Aufmachung und Rezeptur sehr ähnlich ist. Das ärgert Charitea-Gründer Paul Bethke, gegenüber Plusminus sagte er: „Mit der Firma Dietz hatten wir damals Gespräche geführt, weil wir dort abfüllen wollten, da gab es Austausch von allen möglichen Informationen.“ Aus der Zusammenarbeit sei dann nichts geworden. Letztendlich sei Dietz mit einem auffallend ähnlichen Produkt herausgekommen: gleiche Flasche, gleicher direkter Keramikdruck auf der Flasche, fast identische Inhaltsstoffe.

Die Nachahmung sei schon ein ziemlicher Schlag ins Gesicht, befand Bethke gegenüber dem Magazin. Auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hat er es nicht ankommen lassen. ChufaMix-Gründer Andoni Monforte tickt da anders, er will den Discounter-Riesen Lidl nicht so einfach davon kommen lassen, er hofft auf die Schutzkraft der eigenen Patente. Und stößt dabei gleich auf das erste Hindernis: Trotz eines europäischen Patents müsse er in jedem Land separat gegen die Supermarktkette klagen. Angeblich schreibt sein Startup nach dem Angriff von Lidl rote Zahlen, durch die Gerichtskosten könnte das Aus drohen. Auch wenn der Wettbewerb hart sein mag, man fragt sich schon, ob die großen Supermarktketten wirklich auf diese Weise auffallen wollen.

Bild: John Keeble / Getty Images