Matthias Schweighöfer (l.) und Joko Winterscheidt haben mit Juliane Eller einen eigenen Wein kreiert

Günther Jauch runzelt die Stirn. „Puh, einen Wein zu erklären ist schwer“, sagt der TV-Moderator – und versucht es dann aber doch. Immerhin geht es um seinen eigenen Wein, den „Cuvée Günther Jauch weiß“. Ein trockener Weißwein sei das, feingliedrig und fruchtbetont mit einer schönen und angenehmen Säure. Aprikose könne man herausschmecken, dazu Pfirsich, Limette und grünen Apfel. „Aber eigentlich muss das jeder selbst erschmecken.“ In Düsseldorf geht das auch schon, noch vor dem offiziellen Verkaufsstart. Und zwar bei Aldi. Mitten in der Innenstadt, auf dem Schadowplatz in der Einkaufszone, hat der Discounter anlässlich der weltgrößten Branchenmesse ProWein in der NRW-Landeshauptstadt für fünf Tage einen kleinen Weinladen aufgebaut, in dem die Passanten insgesamt 15 verschiedene Weine und einen Champagner verkosten können.

Aldi will damit einem breiten Publikum seine Weinkompetenz zeigen – und fährt dafür richtig auf. Gleich mehrere Top-Winzer erklären den Besuchern während der Weinschau ihre Arbeit, darunter Fritz Keller, Raimund Prüm, Johannes Leitz – und eben Jauch. Der nämlich ist schon seit einigen Jahren wichtiger Bestandteil der Weinwirtschaft in Deutschland.

Die Weinwirtschaft in Deutschland jubelt

Gemeinsam mit seiner Frau Thea führt er das mehrfach prämierte Weingut von Othegraven im rheinland-pfälzischen Kanzem an der Saar im Weinbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer. Sein Aldi-Wein – neben dem weißen gibt es auch einen roten – hat damit zwar nichts zu tun. „Dann wären wir nach dreieinhalb Tagen ausverkauft“, begründet Jauch. Die Trauben kommen daher aus anderen Weinbergen. Der 61-Jährige leiht dem Discounter aber seinen Namen. Und auch die Cuvée-Zusammenstellung stammt von ihm selbst, wie Jauch versichert.

Die Weinwirtschaft in Deutschland jubelt. Denn sie kann prominente Hilfe derzeit nur zu gut brauchen. Schließlich waren Absatz und Umsatz in der Branche zuletzt rückläufig. Laut dem Deutschen Weininstitut (DWI) gingen die Einkaufsmengen 2017 hierzulande um 3,4 Prozent zurück, die Erlöse sogar um 5,2 Prozent. „Wir stellen zwar erfreulicherweise fest, dass die jüngeren Verbraucher im Lebensmittelhandel wieder etwas häufiger zum Wein greifen“, beschreibt DWI-Geschäftsführerin Monika Reule. „Diese Zuwächse können allerdings nicht die zurückgehenden Weineinkäufe der älteren Bevölkerung kompensieren.“ In der Summe jedenfalls sinke die Käuferreichweite – und das schon seit mehreren Jahren.

Die Branche will und muss daher neue Zielgruppen ansprechen. „Wir können nicht warten, bis bei den jungen Leuten irgendwann durch Zufall Interesse an Wein aufkommt“, sagt Lobbyfrau Reule. „Stattdessen müssen wir sie in ihren Lebenswelten abholen und dort Angebote schaffen.“ Sonst habe Wein immer das Nachsehen gegenüber Bier. Das DWI geht dabei voran und tummelt sich unter anderem auf Internet-Plattformen wie Facebook und Instagram, besucht mit Verkostungsstationen Musik-Festivals wie zum Beispiel Juicy Beats in Dortmund, veranstaltet mit Winzern im Schlepptau Picknick-Events unter anderem in Großstadt-Parks und geht auf Food-Truck-Märkte.

Unterstützung kommt dabei auch vom Handel. Aldi Süd zum Beispiel schickt von Mai bis September einen Wein-Truck durch sein Verkaufsgebiet. Auf Festivals und Stadtfesten soll der zum Kiosk umgebaute blaue Kleintransporter eine Alternative zum klassischen Bier-Rondell sein. „Im Fokus steht hier insbesondere die junge Zielgruppe“, heißt es dazu von Aldi. 

Jauch fühlt sich als Türöffner

Dass sich der Discounter für den Wein engagiert, kommt nicht von ungefähr. Immerhin ist Aldi der mit Abstand größte Weinverkäufer in Deutschland. Allein jede vierte Flasche läuft über das Kassenband der beiden Aldi-Gesellschaften, sagt Merle Rotonto, die bei Aldi Süd den Wein-Einkauf verantwortet. Über 100 Weine hat der Discounter mittlerweile dauerhaft im Sortiment – die zwei Cuvées von Günther Jauch schon eingerechnet. „Wir wollen unsere Weinkompetenz weiter stärken und sind daher ständig auf der Suche nach vielversprechenden neuen Projekten“, erklärt Rotondo die Kooperation mit dem TV-Star.

Auf der ProWein im vergangenen Jahr hat sie Jauch angesprochen, da war er noch allein in eigener Mission unterwegs, als Repräsentant für von Othegraven. Doch die Anfrage auf der Messe hat ihn sofort angefixt, erzählt er mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. Zum einen fühlt sich der Gastgeber der Ratesendung „Wer wird Millionär“ persönlich geehrt, wie er durchblicken lässt. Zum anderen will er der Branche einen Dienst erweisen – indem er dabei hilft, den Absatz wieder anzukurbeln und gleichzeitig die Verkaufsanteile zugunsten des deutschen Weins zu verschieben.

„Ich will Türöffner sein für Menschen, die sonst keinen Wein trinken, und diesen Zielgruppen die Schwellenangst nehmen“, erklärt Jauch. Deshalb ziele er geschmacklich auch auf den Mainstream ab. „Mir ist klar, dass keiner eine zweite Flasche kauft, nur weil der Wein mit mir zu tun hat. Deshalb war mir wichtig, dass es kein Wein für Liebhaber wird, sondern einer, der schmeckt.“

Bild: III Freunde/David Daub

Promi-Weine gab es bisher nur im Ausland

Beim DWI wird dieser Ansatz begrüßt. „Das bringt dem Wein neue Aufmerksamkeit und trägt das Thema in zusätzliche gesellschaftlichen Gruppen hinein“, hofft Verbandsvertreter Ernst Büscher. Zumal Jauch derzeit nicht der einzige Promi ist, mit dem die Branche zusammenarbeitet. Das zeigt auch die ProWein: Neben Jauch werden dort auch Schauspieler Matthias Schweighöfer und Moderator Joko Winterscheidt auftreten und den Grauburgunder „III Freunde“ vermarkten, den sie gemeinsam mit Jung-Winzerin Juliane Eller vom Weingut Juwel in Rheinhessen herausgebracht haben. „Das spricht sicherlich explizit die jüngeren Zielgruppen an“, folgert Büscher in der Hoffnung auf einen zusätzlichen Schub für die Weinwirtschaft.  

Gemeinschaftsprojekte gibt es zudem auch zwischen Schauspieler Til Schweiger und dem Winzer Jochen Dreissigacker aus Rheinhessen, die gemeinsam einen Chardonnay und einen Grauburgunder entwickelt haben. Franz Beckenbauer verkauft eine Cuvée aus Südafrika mit den Namen Libero. Martin Tesch vom gleichnamigen Weingut in Langenlonsheim an der Nahe wiederum arbeitet mit der Erfolgsband Die Toten Hosen zusammen. Gemeinsam haben sie den Riesling „Weißes Rauschen“ herausgebracht. „Wir begleiten den Wein von der Gestaltung der Flasche bis zur alljährlichen Auswahl des Weines, der dann für uns abgefüllt wird“, versichert die Band, deren Logo auf der Kapsel am Flaschenhals thront.

Bislang waren derlei Promi-Weine vor allem im Ausland üblich. Sting zum Beispiel ist Winzer, dazu David Beckham, Brad Pitt oder auch Francis Ford Coppola. „In Deutschland ist das eine noch vergleichsweise junge Entwicklung“, heißt es beim DWI. Aber eine mit Zukunft. Weitere Kooperationen jedenfalls dürften in den kommenden Monaten folgen, heißt es aus der Branche. Gerade die jungen Winzer der sogenannten Generation Riesling seien umtriebig.

Hartes Qualitätsmanagement bei Aldi

Anerkennung kommt von den Etablierten – zumal die Qualität der aufmerksamkeitsstarken Promi-Weine meist stimmt. „Das ist nicht nur Show“, heißt es beim DWI. Die Bewertungen von Sommeliers seien überwiegend gut bis sehr gut. Das vergrößert die Chance auf Wiederholungskäufe. Und darauf hofft die Branche. „Der deutsche Wein braucht schon noch Unterstützung“, meint Johannes Leitz, der Mitglied im Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP) ist und damit zu den 200 besten Weinmachern in Deutschland gehört. Auch seine Ware steht dieser Tage erstmals im Weinregal von Aldi, anders als bei Günther Jauch handelt es sich bei dem Rheingau-Riesling aber um eine Erzeugerabfüllung. 

„Wir haben das im Betrieb lange diskutiert und uns dann aber bewusst dafür entschieden“, erzählt der 54-Jährige, der auf rund 100 Hektar Trauben erntet. Und dass diese Verbindung für beide Seiten funktionieren kann, hat nicht zuletzt Fritz Keller bewiesen. Seit mittlerweile elf Jahren kreiert er die Edition Fritz Keller für Aldi, eine als Weißwein und eine als Rotwein. Die Trauben sammelt er über das Projekt Vitis von Nebenerwerbswinzern ein, die wegen des Erbrechts auf winzigen Flächen anbauen und ihre Ernte nicht selbst vinifizieren können. „Wir betreiben damit Landschaftspflege.“

Knapp sechs Euro kostet die 0,75-Liter-Flasche bei Aldi – und damit mehr als doppelt so viel wie der Durchschnitt in Deutschland. Laut DWI hat der Lebensmitteleinzelhandel 2017 im Mittel 2,92 Euro pro Liter Wein verlangt. Und die Supermärkte und Discounter stehen immerhin für 79 Prozent der Verkaufsmengen. Trotzdem sei der Preis noch ansprechend. Keller jedenfalls spricht von einer Demokratisierung von Luxus. Genau wie Jauch, dessen Wein auch bei 5,99 Euro liegt.

Kritik, die dem Moderator allein das Streben nach Schlagzeilen unterstellen, perlt dabei ab. „Ich habe Verständnis dafür, dass nicht jeder auf diesen Wein gewartet hat.“ Er rate aber dazu, erst zu probieren und dann zu negieren. Nachlegen will Jauch indes nicht. Ambitionen für einen Rosé-Wein habe er erst mal nicht. Denn der Aufwand sei enorm gewesen. „Wenn Sie mal beschäftigt sein wollen, dann nehmen Sie es mit dem Qualitätsmanagement von Aldi auf.“

Dieser Text erschien zuerst auf Welt.de.

Bild: III Freunde/David Daub