Jedes Beet wird live von Kameras überwacht

Vor gut neun Jahren wurde Landwirtschaft plötzlich cool – zumindest auf dem Computer. In dem Onlinespiel FarmVille bauten Millionen User in einer virtuellen Welt Obst und Gemüse an. Ganz einfach, ohne Schweiß und schlechtes Wetter per Klick vom Computer aus. Heute kann man das auch in der echten Welt tun und ganz reales Gemüse ernten. Mit dem Berliner Startup IP Garten können Großstädter bequem von zuhause aus ihr Gemüse anbauen, ohne, dass sie dafür jemals selbst eine Gießkanne in die Hand nehmen müssen.

Das Prinzip ist einfach: Kameras überwachen das Gemüsebeet und Sensoren schlagen Alarm, wenn die Tomatenpflanze doch mal wieder gegossen werden sollte. Ein Blick auf die Live-Aufnahme, ein Mausklick vom Sofa aus und schon kümmert sich ein Bauer um das Gemüse.

Die Idee für sein Startup kam Martin Kruszka, weil er selbst keine Zeit hatte, sich um seinen Garten zu kümmern. Der ehemalige Webentwickler versuchte es anfangs noch mit Zeitschaltuhren für Sprinkleranlagen, später installierte er Überwachungskameras. Ende 2016 gründete er dann gemeinsam mit Torsten Hütter IP Garten, damit mehr Menschen ohne Zeit und grünen Daumen seine ferngesteuerten Beete nutzen können.

2017 haben 40 Nutzer den IP Garten in Warnau in Sachsen-Anhalt genutzt. In diesem Jahr haben Kruszka und Hütter ein Feld am Stadtrand von Berlin gepachtet. Rund 400 Internet-Gärtner können dort ihre eigenen 16 Quadratmeter bewirtschaften lassen. Mithilfe einer Software bestücken Nutzer ihr Feld virtuell. Jeder Quadratmeter kann mit einer anderen Pflanze bestellt werden. Die Remote-Landwirte können dabei zwischen 50 Sorten wählen.

Jeder Quadratmeter wird anders bepflanzt

Bodensensoren erkennen, ob die Erde zu trocken ist und die Beete Wasser brauchen. Von ihrem Computer aus können Nutzer dann die Sprinkler bedienen. Jede Parzelle ist obendrein mit einer eigenen Kamera ausgestattet, über die die Internet-Gärtner ihre Beete live begutachten können. Monatlich kostet das ferngesteuerte Beet 35 Euro. Allerdings schließt jeder Nutzer einen Jahresvertrag ab. Muss dann doch mal Unkraut gejätet oder die Tomatenpflanze zusammengebunden werden, kostet das extra. Um die Aussaat, die Ernte und die Beikräuter kümmert sich der Bauer, dem das Land gehört.

Sind die Physalis und Möhren erntereif, fährt IP Garten das Obst und Gemüse einmal wöchentlich zu einem Sammelpunkt nach Berlin. Falls man die Kisten nicht bis an die Haustür getragen haben möchte, ist die Lieferung bis zur Ausgabestelle im Preis mitinbegriffen. Das Startup rechnet damit, dass jeder Nutzer 30 Kisten pro Jahr ernten kann. Um Ernteausfälle zu vermeiden, wird von jedem Beet ein Sechzehntel für die Gemeinschaft einbehalten. Das Gemüse dieser sogenannten solidarischen Quadratmeter wird dann auf alle Gärtner aufgeteilt.

Doch ist das ganze wirklich ein lohnendes Geschäft? Profitabel ist IP Garten noch nicht. In zwei Jahren will das Berliner Startup allerdings schwarze Zahlen schreiben. Langfristig suchen die Gründer nach weiteren Flächen am Berliner Stadtrand, wollen die Ernte auch überregional ausfahren. 2018 testet das Unternehmen obendrein, wie gut die Fernsteuerung von Hühnerställen funktioniert.

Und allein ist IP Garten mit der Idee ferngesteuerter Beete ohnehin nicht. Amazon ließ sich im Oktober ebenfalls eine Garten-Technologie patentieren. Nutzer sollen dabei Fotos von ihren Beeten auf den Amazon-Server hochladen und die Software soll erkennen, welches Obst und Gemüse reif ist und wie es angerichtet werden kann.

Bilder: IP Garten