201702_gruenderszene_top_oder_flop_huel

Platsch! Hellbraunes Pulver klebt plötzlich überall an meinem Kleid. Ich bin vollgesaut – und nass.

Mein erster Versuch, mir einen Huel-Drink zum Frühstück zu mixen, ist gescheitert. Huel, eine britische Kopie des US-Erfolgsstartups Soylent, verkauft Pulvernahrung. Sie soll besonders gesund sein und die Nährstoffe enthalten, die ein Mensch am Tag so zu sich nehmen sollte. Ideale Ernährung also, ganz leicht gemacht, zum Anschütteln im Plastikbecher. „Alles, was dein Körper braucht“, wirbt das Unternehmen auf seiner Webseite. Na, wollen wir mal sehen.

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Ich starte einen neuen Versuch und fülle den Shaker wieder mit 570 Millilitern Wasser. Dann füge ich drei Messlöffel Huel hinzu, was etwa 450 Kalorien entspricht. „Schließe den Deckel gut und schüttle für 15 Sekunden“, steht in der Anleitung. Ich halte den Deckel dieses Mal besonders gut fest. Nach deutlich mehr als 15 Sekunden – ich bin kurz vor einer Sehnenscheidenentzündung – hat das Wasser-Pulver-Gemisch endlich eine Konsistenz erreicht, die so aussieht, als könne ich sie auch trinken. Ein Kollege bemerkt im Vorbeigehen, dass er Huel bei sich zu Hause in einem Mixer zubereitet, sonst bekomme er die Klumpen nicht heraus. Gut zu wissen.

Ich öffne vorsichtig den Verschluss. Der Geruch ist gewöhnungsbedürftig. Schade eigentlich, denn im trockenen Zustand roch das Pulver vielversprechend, nach Nuss und Haferflocken und irgendwie süßlich. Da dachte ich noch, mich einige Zeit von Huel zu ernähren, wäre bestimmt kein Problem. Dann probiere ich den Drink – und kämpfe gegen den Würgereiz.

Der Ekel bleibt

Das Gemisch erinnert mich an dunkle Zeiten. Ich versuchte einst, mit einem Produkt namens Almased abzunehmen. Absolut widerlich schmeckte das – und Huel erinnert mich von Geschmack und Konsistenz her ganz stark an das Höllenzeug aus der Apotheke. Und nicht nur das: Huel schmeckt extrem süß – die Macher haben es mit Stevia etwas zu gut gemeint.

Nun steht der Shaker also auf meinem Schreibtisch und erinnert mich vorwurfsvoll an mein Vorhaben: Zieh’s durch, Christina! Ich versuche es noch einige Male, nehme immer wieder einen Schluck. Der Ekel bleibt. Also probiere ich, das Getränk einer Kollegin anzudrehen. Sie nippt einmal daran und beklagt sich noch Stunden später über Übelkeit. Am Nachmittag gebe ich auf – und kippe ich das Gebräu in den Abfluss.

Einen dankbaren Abnehmer der übrigen Packungen voller Huel-Pulver, die dem US-Vorbild Soylent klar nachempfunden sind, finde ich schließlich in meinem Kollegen Philip. Der trinkt Huel zum Frühstück und sagt: „Meine Freundin hat es auch probiert und findet es so lecker, dass sie mir das jetzt immer wegtrinkt.“ Geschmäcker sind verschieden.

Natürlich war mir bewusst, dass es nicht sonderlich leicht wird, meine Ernährung auf Pulvernahrung umzustellen. Schließlich mag ich Essen. Doch als Niederlage empfinde ich das schon – ich habe das Zeug schließlich nicht einmal herunterbekommen.

Unangenehme Auswirkungen auf den Körper

Also nehme ich mir vor, das Pulver eines weiteren Startups zu testen, das des tschechischen Mana. Aber den Test schiebe ich Tag für Tag vor mir hier. Ständig bin ich zum Abendessen verabredet. Den Shake mit ins Restaurant zu nehmen? Das ist doch übertrieben, beschließe ich. Eine bequeme Ausrede. Nach zwei Wochen ringe ich mich endlich durch und mixe mein erstes Mana.

Dazu fülle ich zwei Messlöffel Pulver und einen Schuss des mitgeschickten Öls zu 300 Millilitern Wasser in den Shaker. 400 Kalorien sind das. Ich bereite mich auf langes Schütteln vor, doch tatsächlich vermischen sich die Zutaten sehr schnell. Klumpen entstehen nicht. Am meisten überrascht mich der Geschmack – ich finde ihn echt in Ordnung. Ein Pluspunkt: Mana kann man zu Hause im Mixer zubereiten und Obst hinzu mischen. So kann ich etwas Abwechslung in den Geschmack bringen – einen vorzüglichen Smoothie sollte man allerdings nicht erwarten.

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Laut Anleitung soll ich mich langsam umstellen: „Jede Veränderung deiner Ernährung hat unterschiedliche Auswirkungen auf deinen Körper“, heißt es. Und: „Manche davon könnten nicht angenehm sein, weil sich dein Körper auf neues, nahrhaftes und Ballaststoff-reiches Essen einstellen muss.“ Auf Deutsch: Rechne damit, dass deine Verdauung komische Dinge macht.

Das klingt nicht gerade fantastisch, aber mich eine ganze Woche lang an Mana zu gewöhnen, dauert mir zu lang. Ich verkürze die Gewöhnungsphase auf drei Tage, dann trinke ich nur noch das Pulver, drei Mal täglich. Bräuchte ich mehr Kalorien, könnte ich mir auch vier oder fünf Mal am Tag einen Becher anrühren. Oder die Pulver-Portionen größer machen.

Zunächst habe ich ständig Hunger, ich denke häufig an geschmolzenen Käse. Einige Tage lang fühle ich mich gleichzeitig sehr aufgedunsen. Ein unangenehmes Gefühl, an dem ich vielleicht durch die kurze Phase der Umstellung selbst Schuld bin.

Schließlich habe ich mich ganz gut an die täglichen Shakes gewöhnt. Es ist angenehm, sich nach dem Mittag im Büro nicht voll zu fühlen. Abends habe ich allerdings manchmal verdammt großen Hunger, der auch mit Mana nicht weggeht. Ich nehme in einer Woche drei Kilo ab.

Bringe ich den Shaker zu Verabredungen mit, werde ich entweder bemitleidet oder komisch angeschaut. „Nur ein Test für die Arbeit“, bemühe ich mich schnell zu erklären. „Achso – haha! Du Arme.“ Nach mehreren Tagen beginne ich dann, wieder mittags oder abends etwas zu essen. Damit fühle ich mich besser. Irgendwann befinde ich dann, das die Eindrücke jetzt reichen, um meinen Artikel zu schreiben.

Ich hätte nie Lust dazu, mich dauerhaft von Pulver zu ernähren. Der Geschmack bleibt – trotz des Obsts – zu eintönig. Als einen gelegentlichen schnellen Ersatz für eine Mahlzeit erscheint mir das Ganze aber als gute Alternative.

„Ein Döner schadet ja auch nicht“

Ich frage mich allerdings, wie gesund die Produkte überhaupt sind. Gerade der US-amerikanische Vorreiter Soylent machte zuletzt Schlagzeilen, weil die Produkte Kunden krank machten. Ich denke an mein Bauchweh zu Beginn des Tests und stelle dem Berliner Diätassistenten und Medizinischen Ernährungsberater Mario Hellbardt einige Fragen zu dem Thema.

Der Experte steht dem Thema Pulvernahrung generell kritisch gegenüber und würde weder Huel noch Mana empfehlen. „Die Nährwerte der Angebote erscheinen bezogen auf die Hauptnährstoffe bedarfsdeckend für einen gesunden erwachsenen Menschen zu sein, wobei sich bei einem Produkt eine Überdosierung mit Eiweiß und Vitaminen zeigt“, so Hellbardt. „Problematisch ist außerdem generell der Trend, sich vollständig durch diese Produkte zu ernähren.“ Es gebe bisher keine belastbare Studie, die zeige, wie solche Konzentrate beispielsweise die Darmflora beeinflussten.

Hellbardt hat weitere Befürchtungen: Der Sättigungseffekt könne ausbleiben, da nur noch getrunken werde. Und: „Wer seine Nahrung gesünder gestalten will, für den ist es wichtig, einen Weg zu finden, den er auch durchhalten und in seinem Alltag etablieren kann.“ Bei ewig gleichem Geschmack sei es aber wahrscheinlich, dass man der Shakes schnell überdrüssig werde. „Ich mache mir außerdem Gedanken um die psychologische Wirkung. Gemeinsam zu kochen oder Essen zu gehen ist ein sozialer Faktor, der sehr wichtig ist.“ Ein Plädoyer gegen den Produktivitätswahn.

Im hektischen Alltag aber ab und zu eine Mahlzeit durch einen Shake zu ersetzen, findet der Ernährungsberater in Ordnung. Gerade nach dem Sport könne die Eiweißzufuhr aus den Getränken sinnvoll sein und sättigen. „In Maßen genossen, sind Lebensmittel und Speisen unproblematisch“, so Hellbardt. „Gelegentlich ein Döner schadet ja auch nicht.“