Großbritannien erhebt seit dieser Woche Steuern auf zuckerhaltige Softdrinks.
Großbritannien erhebt seit dieser Woche Steuern auf zuckerhaltige Softdrinks.

Lidl preschte als erstes voran. Der Discounter will in den kommenden Wochen den Zuckeranteil in einigen Erfrischungsgetränken wie Cola oder Eistee um fünf bis acht Prozent senken. Doch das sei nur der erste Schritt, zitierte die Wirtschaftswoche eine Sprecherin. Auch bei 20 Backwaren werde der Zuckeranteil reduziert. Und im Bereich der Molkereiprodukte „überarbeiten wir derzeit jeden Joghurt“, so Lidl weiter. Schon im Januar 2017 hatte Lidl sich selbst auferlegt, Zucker und Salz in seinen Eigenmarkenprodukten bis 2025 um 20 Prozent zu reduzieren. Andere Konzerne wie Rewe, Granini oder Dr. Oekter kündigten bereits an, ähnliche Schritte folgen zu lassen, oder sind bereits in die Offensive gegangen.

Mit dieser Entwicklung zeigt sich die Lebensmittelindustrie restriktiver als die Politik. Denn die Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte erst vor drei Wochen in ihrer Antrittsrede im Bundestag angekündigt, wie sie das Thema der gesunden Ernährung angehen will. „Ganz zentral ist für mich die Ernährungsbildung“, stellte sie klar und kündigte an, Menschen mit Aufklärung statt mit Verboten zu einer gesünderen Ernährung führen zu wollen. „Alleine Produkten oder einzelnen Rohstoffen die Schuld dafür zu geben, wäre zu kurz gesprungen“, betonte die Ministerin. 

Die Wirtschaft setzt dem Kunden also klare Grenzen, die Politik plädiert für die Freiheit des Verbrauchers – es ist eine verkehrte Welt, in der sich die Lebensmittelbranche aktuell wiederfindet. Das Gegenbeispiel gibt derzeit ausgerechnet das traditionell libertäre Großbritannien ab: Hier hat die Politik in dieser Woche eine Steuer auf zuckerhaltige Softdrinks eingeführt. Sind in Deutschland also die Konzerne die neuen Beschützer der Verbraucher?

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Das ist zu bezweifeln, denn die Zuckerreduktion der Unternehmen erfolgt wohl keineswegs aus Altruismus ihren Kunden gegenüber. Viel mehr ist es ein einfaches Beispiel, wie die Nachfrage das Angebot steuert. In den vergangenen Jahren hat sich in der Bevölkerung ein Gesundheitstrend entwickelt, der dem Zucker jegliche Daseinsberechtigung zu entziehen scheint. Man nimmt nur proteinreiche Nahrung zu sein, man trainiert mit Fitness-Apps, man meidet Fette wo es nur geht. Oder, um es mit Tim Mälzer zu sagen: Wir versuchen, uns gesund zu essen. In dieser Selbstoptimierung hat kein noch so kleines Zuckerkorn Platz. Immer neue Meldungen über die Folgen von zu viel Zucker auf den Körper tun ihr Übriges. 

Zu großen Teilen meiden die Hersteller den Zucker also aus zwei Gründen: Erstens lässt sich derzeit mit zuckerreduzierten Produkten im Moment eben Geld verdienen, zweitens ist es gut fürs Image. Die Sorge um die Gesundheit der Verbraucher ist keiner davon.

Bild: Getty Images / KEVIN CURTIS/SCIENCE PHOTO LIBRARY