Daniel Nathrath, Gründer und CEO von Ada Health
Daniel Nathrath ist Gründer und CEO von Ada Health.

Es geht um Fragen. Viele Fragen, die der Kommunikationsassistent von Ada Health seinen Nutzern stellt. Die Künstliche Intelligenz wertet die Antworten aus und erstellt eine medizinische Diagnose, wie ein Arzt, der mit einem Patienten spricht.

Jetzt hat das Startup eine „strategische Partnerschaft“ mit dem 500 Millionen US-Dollar schweren Catalyst Fund des Elektronikkonzerns Samsung bestätigt. Ob es sich dabei auch um ein Investment handelt, wollte das Startup auf Anfrage von Gründerszene nicht sagen. Die Tonalität des VC auf Linkedin klingt jedenfalls so: „Wir sind stolz darauf, mit Partnern wie Ada Health zusammenzuarbeiten“, schreibt Francis Ho, Co-Chef des Samsung Catalyst Fund, in einem Beitrag. Nähere Angaben lehnte der Samsung Catalyst Fund ab. Auch im Handelsregister finden sich noch keine genauen Informationen.

Mehr als 15 Millionen Dialoge wurden bereits auf der Plattform von Ada Health geführt. Dank der Partnerschaften will das Berliner Startup nicht nur neue Geschäftsmodelle erschließen. Es geht um mehr: In armen Ländern, in denen Menschen zwar über ein Mobiltelefon verfügen, aber keinen Zugang zu einem Arzt erhalten, will die App eine erste Anlaufstelle in medizinischen Fragen werden. Gründerszene hat Daniel Nathrath, Gründer und CEO von Ada Health, und Hila Azadzoy, die die Initiative für ressourcenschwache Länder leitet, im Doppelinterview gesprochen. Sie erklären, wie das Startup das Gesundheitssystem entwickelter Staaten verbessern und medizinische Versorgung in jeden Winkel der Erde bringen will.

Ada hat sich kürzlich neu ausgerichtet und „Partnerschaften“ in den Fokus gerückt. Was bedeutet das?

Daniel Nathrath: Wir wollen möglichst vielen Menschen auf der Welt helfen, ihre Gesundheit besser zu verstehen und die richtigen nächsten Schritte zu ergreifen, um gesund zu werden. Das bleibt unverändert. Das wollen wir verstärkt durch Partnerschaften erreichen. Einige haben wir bereits geschlossen – mit Gesundheitssystemen, Krankenversicherern und gemeinnützigen Stiftungen wie beispielsweise der Bill and Melinda Gates Foundation oder der Stiftung Botnar aus der Schweiz. Weitere Partner zeigen viel Interesse. Wir sehen daran, dass Ada ein wichtiger Baustein in der Reise der Patienten im und durch das Gesundheitssystem sein kann.

Wie könnte so eine Partnerschaft konkret aussehen?

Nathrath: Ada kann die Eingangstür für das Gesundheitswesen weltweit werden und helfen, schneller und effizienter zur richtigen Diagnose zu kommen. In Europa sind zum Beispiel Krankenversicherungen unsere logischen Partner. Wir sind aber auch unter anderem mit Regierungen in Gesprächen, die ein Interesse daran haben, Ada zu einem fixen Bestandteil ihrer Gesundheitssysteme zu machen.

Und wie sieht das global aus?

Nathrath: Wir haben ein Produkt geschaffen, das einen Usecase abdeckt, der wirklich global anwendbar ist. Denn jeder Mensch will bei Beschwerden schnell und möglichst schon von zu Hause aus wissen, was sein gesundheitliches Problem ist und was er tun muss, um es zu lösen. Das ist der Grund, warum so viele Menschen ihre Symptome googeln oder in China Baidu nutzen. Diesen Paint Point adressieren wir besser als die großen Suchmaschinen. Man sagt zwar immer, Google weiß alles. Aber hier weiß Google eben nicht genug. Die Informationen sind schlechtweg nicht personalisiert genug.

Warum weiß Ada mehr?

Nathrath: Wir haben eine Plattform gebaut, die das Vorgehen eines sehr guten Arztes imitiert. Sie führt ein langes Anamnesegespräch, in dem sie die wichtigsten Dinge abfragt, um dann die wahrscheinlichsten Ursachen für die Symptome zu nennen. Ada fragt also aktiv nach und liefert personalisierte Informationen auf Basis einer riesigen medizinischen Datenbank. Mehr und mehr Partner – wie Sutter Health in Kalifornien mit mehr als zehn Millionen Patientenkontakten jährlich – erkennen, dass dieses System ein digitales Eingangstor für ihren gesamten Service sein kann, weil die Leute dann zum Beispiel nicht zum falschen Arzt laufen und den nächsten Schritt immer zielgerichteter und besser informiert angehen können.

Was dann auch Kosten spart?

Nathrath: Aus der Perspektive eines Krankenversicherers, aber auch beispielsweise eines Krankenhauses, kann man auf diese Weise viel Ineffizienz aus dem System herausnehmen und Menschen schneller zur richtigen Diagnose bringen.

Hat man das auch in Deutschland erkannt?

Nathrath: Ja. Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass die Implementation von Neuerungen in das System in Deutschland langwierig ist. Wir sehen aber, dass der Usecase auch in Deutschland von den Versicherern und anderen Stakeholdern im Gesundheitssystem als sinnvoll und notwendig erachtet wird. Wir sind da in sehr guten Gesprächen.

Ist es denkbar, dass Ada an sein Diagnosetool weitere Bausteine andockt und daraus Geschäftsmodelle entwickelt? Oder sind Geschäftsmodelle in der Wachstumsphase für Sie noch sekundär?

Nathrath: Geschäftsmodelle sind für uns ein wichtiges Thema, deswegen ja auch der stärkere Fokus auf Partnerschaften. Wir beschreiben unser Geschäftsmodell als B2B2C, weil wir über die Partnerschaften Mehrwert für Consumer schaffen. Wir helfen Partnern, ein Ökosystem von digitalen Angeboten zu schaffen, um die Versorgung der Patienten zu verbessern. Dabei ist es logisch, Ada als Eingangstür zu nutzen, die einem hilft, den nächsten richtigen Schritt zu gehen – ob das Telemedizin ist, der Gang zur Apotheke, die Buchung eines Arzttermins oder eines digitalen Therapieangebots. In einem digitalisierten Gesundheitssystem können die nächsten Schritte natürlich leichter angedockt werden.

Setzen Sie auf andere Anbieter oder wollen Sie das selbst machen?

Nathrath: Natürlich werden wir nicht alles selbst machen können. Wir haben uns zum Beispiel bewusst entschieden, dass wir nicht selber Ärzte anstellen wollen, die Videokonsultationen anbieten. Wir wollen uns fokussieren und das machen, was wir am besten können: mit Hilfe Künstlicher Intelligenz die erste Anlaufstelle der Patienten zu sein.

Ist Ada Health auch als „App auf Rezept“ vorstellbar?

Nathrath: Auf Grundlage der Technologie, die wir entwickelt haben, können wir erstattungsfähige Lösungen entwickeln. Es ist sehr positiv, dass Deutschland mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz dabei ist, hier international eine Vorreiterrolle einzunehmen. Gerade in Deutschland war es für digitale Lösungen sehr beschwerlich, dahin zu kommen, dass das System bereit ist, für sie zu zahlen. Das ändert sich nun.

2017 hat Ada 40 Millionen Euro erhalten. Wann kommt die nächste Finanzierung?

Nathrath: Ada Health hat insgesamt einen hohen zweistelligen Millionenbetrag von strategischen Investoren erhalten. Dies umfasst unter anderem auch die von Ihnen erwähnte Series-A Finanzierung, welche Ende 2017 abgeschlossen wurde. In der Zwischenzeit sind weitere Investoren hinzugekommen, nicht alles haben wir ausführlich kommuniziert. Zu den Investoren gehören Cumberland VC, Philipp Schindlers June Fund, Vitruvian Partners sowie William Tunstall-Pedoe. Wir werden in Zukunft weitere strategische Kooperationen mit Investoren verkünden. (Das Interview wurde vor Bekanntwerden der strategischen Zusammenarbeit mit Samsung geführt, Anmerkung d. Red.)

Welchen Beitrag zur Bekämpfung von Covid-19 leistet Ada Health?

Nathrath: Wir haben ein Screening-Tool für das Corona-Virus entwickelt und kostenlos auf unsere Homepage gestellt. Durch die Beantwortung einer Reihe von Fragen zu den Symptomen, Vorerkrankungen und möglichen Kontakten zu Infizierten errechnet das System, wie wahrscheinlich eine Covid-19-Infektion ist. Das Tool gibt es zunächst auf Deutsch und Englisch, demnächst aber in circa acht weiteren Sprachen. Das soll den Leuten helfen, das eigene Risiko einzuschätzen. Wir sind jetzt auch in einer Partnerschaft mit dem Labor Berlin (Europas größtes Krankenhauslabor, ein Joint Venture der Kliniken Charité und Vivantes, Anmerkung d.Red.). Wir haben gemeinsam eine Lösung erarbeitet, mit der die Prozesse rund um das Testen vereinfacht werden, unter anderem, indem Betroffene ihre Ergebnisse online einsehen können. Das ist ein erster Schritt. In einer nächsten Ausbaustufe wird es zum Beispiel darum gehen, Adas Assessment dazu zu nutzen, den Zugang zu Laborleistungen zielgenauer auszugestalten, um so dabei zu helfen, die begrenzten Laborkapazitäten möglichst effizient zu nutzen.

Hila, Azadzoy, Managing Director, Global Health Initiative von Ada Health
Hila Azadzoy ist Managing Director der Global Health Initiative von Ada Health.

Sprechen wir über die Global Health Initiative von Ada. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Hila Azadzoy: Die Weltgemeinschaft steht vor der großen Herausforderung, dass vier Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer grundlegenden medizinischen Versorgung haben. Der größte Teil dieser Menschen lebt in Ländern mit einem niedrigen oder mittleren Einkommen. Wir können dazu beitragen, die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen bis 2030 zu erreichen, indem wir unsere Technologien in diesen Ländern nutzbar machen und dazu beitragen, eine flächendeckende Grundversorgung sicherzustellen.

Wie sieht das konkret aus?

Azadzoy: Es geht darum, wie wir mit unserer Künstlichen Intelligenz den Menschen Zugang zu Gesundheitsinformationen verschaffen und gleichzeitig helfen, ein funktionierendes Versicherungssystem aufzubauen. Nur ein Bruchteil der Menschen im globalen Süden ist krankenversichert, in der Regel, weil es einfach zu teuer ist. Mit Ada können wir helfen, einen grundlegenden Versicherungsschutz bezahlbarer zu machen. Außerdem können wir mit unseren Daten zur Outbreak Control von Pandemien beitragen. Natürlich sind in Ländern wie Tansania oder Kenia die Ausgangsbedingungen ganz andere als in Ländern mit hochentwickelten Gesundheitssystemen wie Deutschland, den USA oder England, und das erfordert, dass wir viel stärker mit lokalen Partnern zusammenarbeiten. Das sind neben dem öffentlichen Sektor lokale Non-Profit-Organisationen, aber auch Telekommunikationsanbieter. Gemeinsam entwickeln wir dann die spezifischen Ansätze, angepasst an die lokalen Bedingungen.

Dort wollen Sie auch diagnostische Tests einführen?

Azadzoy: Das ist ein Projekt mit der Gates Foundation, bei dem wir uns die Thematik in Zusammenhang mit Infektionserkrankungen anschauen. Hier stellt oftmals schon die Erkennung und Differenzierung von Infektionen ein großes Problem dar – zum Beispiel, ob es Malaria ist oder nur eine Grippe. In Gegenden wie beispielsweise Südostafrika, wo es kaum Gesundheitspersonal gibt, sind die Menschen mit ihren Symptomen häufig auf sich allein gestellt. Hinter dem Konzept, Künstliche Intelligenz mit diagnostischen Tests zu kombinieren, steht die Idee, die Versorgung zu dezentralisieren, ohne an medizinischer Qualität einzubüßen. Konkret heißt das, über Ada eine Symptomanalyse vorzunehmen und eine erste Einschätzung zu erhalten. Auf dieser Grundlage kann der Patient dann einen Selbsttest durchführen, den man zum Beispiel in der lokalen Apotheke kaufen kann.

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Also kein Test auf der Ada-Plattform?

Azadzoy: Die Auswertung des Tests könnte in Ada eingespeist werden, sodass Ada eine erneute Einschätzung unter Berücksichtigung der Laborergebnisse bieten könnte. Das ist noch im Entwicklungsstatus.

Welchen Beitrag kann Ada bei der Früherkennung von Epidemien leisten?

Azadzoy: Ada kann eine zusätzliche Informationsquelle sein, die früher als Behörden bestimmte Trends erkennt. Aktuell ist es so, dass Behörden in der Regel erst dann über Erkenntnisse verfügen, wenn ein Patient beim Arzt war. Bei Ada verlagert sich das einige Wochen nach vorne, denn wir können Trends schon erkennen, sobald ein Nutzer seine Symptome eingibt – in der Regel ja deutlich vor einem Arztbesuch. Außerdem verfügen wir über Echtzeitdaten. Wenn wir eine Häufung eines bestimmten Krankheitsbildes in einer bestimmten Region sehen, können daraus unter Umständen bereits erste Tendenzen erkannt werden. Solche Auffälligkeiten können relevante Informationsquellen sein und die vorhandenen Monitoring-Systeme ergänzen.

Bilder: Ada Health