Will die Gesundheitsakte modernisieren: Daniel Nill ist Geschäftsführer der Digitalagentur Turbine Kreuzberg.
Will die Gesundheitsakte modernisieren: Daniel Nill ist Geschäftsführer der Digitalagentur Turbine Kreuzberg.

Daniel Nill kann den Begriff „Gesundheitsakte“ nicht mehr hören. Akte – das rieche nach Archiv, nach Staub, nach Gestern, findet er. Statt einer Akte will er eine Blockchain, in der die Gesundheitsdaten der Versicherten gespeichert sind. Das wichtigste Argument ist für ihn der Schutz der sensiblen Patientendaten vor Diebstahl oder Missbrauch. In einer dezentralen Blockchain sind die Daten nach seiner Meinung besser aufgehoben als in einem zentralen Cloudspeicher.

Nill ist Geschäftsführer der Digitalagentur Turbine Kreuzberg. Seine Agentur befasst sich neben der Beratung mit „der technischen Umsetzung von digitalen Plattformen, auf denen Transaktionen stattfinden.“ Gemeinsam mit Studenten der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) hat er an einer Gesundheitsakte via Blockchain gearbeitet. 

Bislang nur Insellösungen

Das Gesundheitswesen in Deutschland versucht seit 15 Jahren, eine Gesundheitsakte einzuführen. Das Projekt, das laut McKinsey Kosten von 6,4 Milliarden Euro einsparen könnte, dürfte keine einheitliche Lösung für alle Versicherten bieten. Mindestens drei Insellösungen konkurrieren:

  • Die AOK plant ein „Gesundheitsnetzwerk“. Geteilt werden dort sichere Links zu Dokumenten wie Arztbriefen, Röntgenbildern, Laborwerten und Medikationen – sofern der Arzt diese freigibt. Patienten können ihre Gesundheitsdaten einsehen, speichern und mit anderen Ärzten teilen. Und sie können Daten aus Apps (Fitnesstracker, Gesundheits-Chatbots, Diagnose-Apps) hochladen.
  • Vivy ist eine Gesundheitsakten-App. Hauptgesellschafter ist der Versicherungskonzern Allianz. Krankenkassen sind Partner, darunter die DAK. Vivy machte zuletzt wegen eines Datenlecks Schlagzeilen. Das Startup hinter der App wurde von Christian Rebernik, früher CTO der Smartphone-Bank N26, entwickelt.
  • Die Techniker-Krankenkasse (TK) bietet die Gesundheitsakte TK-Safe an. Dabei handelt es sich um einen digitalen Datentresor, auf den die Versicherten mit ihrem Smartphone über die TK-App zugreifen können. Entwickelt wurde TK-Safe mit IBM Deutschland. An dem Projekt beteiligen sich Kliniken, die Patientendaten in die Akte laden können – sofern die Patienten das wünschen.

„Zentrale Datenspeicher sind angreifbar“, sagt Daniel Nill. Er setzt auf eine private Blockchain, also ein Netzwerk dezentraler Speicher, in dem alle Daten verschlüsselt hinterlegt und mit einer Art Logbuch versehen sind, so dass sich alle Veränderungen nachvollziehen lassen. In dieser Blockchain würden sensible Daten auch nicht im Ganzen abgelegt, sondern zerstückelt in kleine Teile an verschiedenen Orten. Nur eine Person mit ausreichenden Rechten kann diese Datenschnipsel wieder zu einem ganzen Dokument zusammenzufügen.

Gesundheitsminister entdeckt Blockchain

Zum Einwand, die Blockchaintechnologie sei rechen-, speicher- und energieintensiv, sagt Nill, eine private Blockchain sei nicht mit dem „Schürfen“ der Blockchain-Währung Bitcoin vergleichbar. Zudem werde Rechen- und Speicherleistung immer billiger.

„Die Blockchain ist nicht die Lösung aller Probleme“, räumt Nill ein. „Aber es lohnt sich, über ihre Möglichkeiten nachzudenken.“ Bei den herkömmlichen Gesundheitsakten, deren Idee aus der Zeit vor dem iPhone stamme, sei die technologische Entwicklung nicht ausreichend bedacht worden.

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Bild: Turbine Kreuzberg