Die Psychologin Catharina Freese hat das Online-Programm von Selfapy gegen Angst vor Corona mit entwickelt. Sie ist dort Head of Intervention Development.
Die Psychologin Catharina Freese hat mit ihrem Team den Onlinekurs von Selfapy für psychologische Unterstützung in Zeiten von Corona  entwickelt. Sie ist Head of Intervention Development des Startups.

Die Corona-Krise zeigt, dass die Zukunft von Medizin und Psychologie zu einem erheblichen Teil im Digitalen liegt. Telemedizin wächst rasant. Auch bei psychologischen Online-Trainings laufen die Kommunikationskanäle heiß. Neue Angebote von Hotlines über Blogs bis hin zu Kursen und Video-Sessions finden angesichts der Angst vor dem Virus ein breites Publikum.

Das Gesundheits-Startup Hello Better (bisher Get.on), das psychologische Online-Trainings anbietet, hat ein Paket aus drei Elementen entwickelt: eine Telefon-Hotline für aktuelle Fragen, öffentliche Videosprechstunden mit Psychologinnen per Facebook Live und Blogbeiträge zum Themenkomplex Corona.

Selfapy, eine weitere Plattform mit psychologischen Kursen bei Depression, Angst und Stress, hat einen Kurs entwickelt, der therapeutische Lösungen für Probleme im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie anbietet. Die Psychologin Catharina Freese, die diesen Kurs mit entwickelt hat, erläutert im Interview, wie Menschen mit und ohne psychische Erkrankungen die aktuelle Herausforderung meistern können.

Wie wirkt sich die Quarantäne auf die Psyche des Menschen aus?

Schon für gesunde Menschen ist es schwierig, aber sie kommen damit irgendwie klar. Denn sie wissen, welche Ressourcen sie trotzdem noch nutzen können und dass sie das schaffen. Aber bei Menschen mit Angst oder einer depressiven Symptomatik ist es viel schlimmer, denn sie isolieren sich eh schon, sie haben nicht viele soziale Kontakte und denken, dass nichts Positives in ihrem Leben passiert. Das wird durch die Isolation verstärkt. Und deshalb ist es wichtig, diese Leute zu erreichen und ihnen zu helfen.

Was sollten Menschen beachten, die sich belastet fühlen und Angst vor Corona haben?

Es reicht, wenn man sich einmal am Morgen und einmal am Abend informiert. Reizüberflutung ist extrem schädlich für unser Stressempfinden, das steigt immer weiter und weiter. Informationen sollten deshalb dosiert, aktiv und bewusst konsumiert werden.

Das „Distancing“ der Menschen verleitet auch zum Grübeln. Was hilft dagegen?

Da bieten sich Techniken an wie der Gedankenstopp, dass man sich bewusst sagt: „Ich unterbreche jetzt diesen Kreislauf.“ Man sollte sich dann aktiv einer anderen Tätigkeit zuwenden, um den Grübel-Kreislauf zu unterbrechen, damit man nicht weiter in diesen Strudel gerät.

Lest auch

Weil das Kraft raubt?

Wenn ich mich intensiv mit etwas beschäftige, wenn es mir Sorgen macht oder Existenzängste auslöst, brauche ich einen Ausgleich. Ich muss dann darauf achten, dass ich auch positive Dinge mache, die mir in anderen Situationen gutgetan haben, damit das Negative nicht überwiegt. Momentan bleiben uns nur Skype, Hangouts und Co. als Mittel der Kommunikation. Sie sind besser als nichts und deshalb sollte man sie nutzen.

Anderes Thema: Gibt es eine psychologische Erklärung für das Hamstern von Waren, dem man in diesen Tagen immer wieder begegnet?

Ich würde das Hamstern als eine Art des Zurückerlangens von Kontrolle über die derzeit so unsichere Situation beschreiben. Man sieht Menschen, die unglaublich viel kaufen. Und da denkt man sofort, das brauche ich auch, sonst verpasse ich was. Das wird dann durch Bilder in sozialen Netzwerken verstärkt. Man könnte es auch als Sicherheitsverhalten beschreiben. Das Virus ist kein greifbares Feindbild. Und deshalb versuchen Menschen, sich Sicherheit zu verschaffen. Und sei es über so irrationale Handlungen wie das Kaufen von Vorräten für die nächsten zehn Jahre.

Lest auch

Für Selfapy hast du einen neuen Gratis-Onlinekurs zur Unterstützung bei Belastungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie entwickelt. Wie funktioniert der?

Wir haben gemeinsam mit der International Psychoanalytic University (IPU) in Berlin und dem Universitätsspital Basel einen Kurs entwickelt, der bei Belastungen unterstützt, wie sie bei der Corona-Pandemie auftreten. Das sind zwölf Module, in denen wir auf die Themen eingehen, die gerade wichtig sind: gute Informationsbeschaffung, Umgang mit Fake News. Ein geregelter Tagesablauf, was beispielsweise bei Depressiven extrem wichtig ist. Wie gestalte ich Sozialkontakte? Wie mache ich Homeschooling? Wir bieten Texte, Videos und Audios und Achtsamkeitsübungen, um Stress, Ängste und Sorgen zu reduzieren, Dazu gibt es Informationen, therapeutische Techniken und zusätzlich auch eine Corona-Unterstützungsgruppe auf Facebook.

Welche Rolle spielt in der aktuellen Situation häusliche Gewalt?

Das ist ein heikles Thema. Wir stellen konkrete therapeutische Interventions-Techniken vor, wie ich mit Angst, Sorgen und negativen Gedanken umgehe. Durch die Isolation, die Enge und die generelle Anspannung kommt es leicht dazu, dass häusliche Gewalt zunimmt. Da nennen wir Anlaufstellen und bieten Prävention, wie ich einen Konflikt präventiv abwende.

Wo verlaufen die Grenzen der Onlinetherapie?

Wir haben nicht den Anspruch, Psychotherapie zu ersetzen. Wir wollen das Angebot erweitern, um die sehr langen Wartezeiten für ein erstes Gespräch zu überbrücken. Genau da setzen wir an. Und dann bieten wir auch Nachsorge an für Menschen, die aus einer Therapie kommen, sowie weitere Unterstützung während einer laufenden Therapie. Insbesondere in der jetzigen Coronakrise ist unser Angebot extrem wichtig, da die Menschen unsere Programme von zu Hause aus machen können und wir viele Menschen erreichen können.

Was ist noch wichtig?

Gerade in solchen Phasen ist es auch wichtig, dass wir den Humor und Leichtigkeit nicht verlieren. Denn wenn wir den Humor verlieren und nicht mehr über irgendetwas lachen können, wird alles noch schlimmer.

Lest auch

Bild: Selfapy