Ihre Plattform Idana digitalisiert die Anamnese: das Tomes-Gründerteam (v.l.) Jerome Meinke, Lilian Rettegi und Lucas Spohn.
Ihre Plattform Idana digitalisiert die Anamnese: das Tomes-Gründerteam Jerome Meinke, Lilian Rettegi und Lucas Spohn (v.l.)

Die Coronaviruskrise zeigt die Chancen auf, die eine zügige Digitalisierung bietet. Ein Beispiel dafür ist der digitalisierte Anamnese-Fragebogen des Freiburger Universitäts-Spinoffs Tomes mit seiner Software Idana, ein anderes der Ansturm auf die Telemedizinplattform Kry, die in diesen Wochen ihre Expansion in Deutschland vorantreibt. Und dann gibt es da noch einen Roboter, der Bakterien und Viren mit UV-Strahlen abtötet.

Anfragen zu Virusinfektionen steigen rasant

Gerade in Zeiten von Pandemien kann Telemedizin ärztliches Fachpersonal und gesunde Patienten schützen. Denn es gibt keinen physischen Kontakt, bei dem Erreger übertragen werden könnten. Dabei stellen Patient und Arzt über eine App eine Verbindung her – per Audio oder Video – und sprechen über das Leiden des Patienten, erörtern die erforderliche Diagnostik und mögliche Therapien.

Das schwedische Startup Kry gehört mit 1,4 Millionen abgehaltenen Videosprechstunden zu den Vorreitern auf diesem Gebiet in Europa. Daniel Schneider, der neue General Manager des Startups in Deutschland, berichtet von 62 Prozent mehr Sprechstunden zu Virusinfektionen gegenüber Januar. Allerdings räumt Schneider ein: „Das ist sicherlich auch durch übliche saisonale Effekte getrieben.“

Einen ähnlichen Trend bestätigt auch Teleclinic, ein Kry-Mitbewerber aus München. Gründerin Katharina Jünger berichtet Gründerszene von einem Anstieg der Sprechstunden zu Virusinfektionen sogar um 140 Prozent seit Januar. Explizit zu Corona habe das Startup aber keine signifikante Nachfrage gesehen. Telemedizinisch ließen sich diese Fälle nicht abschließen, was Nutzer der Plattform enttäusche, sagt Jünger.

Digitale Patientenbefragung vor dem Arztbesuch

Einen Markt durch Corona sieht hingegen die 2016 von Lucas Spohn, Jerome Meinke und Lilian Rettegi gegründete Tomes GmbH mit Sitz in Freiburg im Breisgau. Der Firmenname steht für Tomorrow’s Medical Solutions. Das Startup entwickelt die Software Idana für die digitale Anamnese. Lucas Spohn erkannte schon während des praktischen Jahrs seines Medizinstudiums, dass beim Arzt-Patienten-Kontakt viel Zeit durch administrative Anforderungen verloren geht.

Das brachte ihn auf die Idee, die Anamnese zu digitalisieren, also die vor jedem Arztbesuch erforderliche Abfrage der Vorgeschichte eines Patienten mit Erkrankungen, Allergien, Medikation oder Risikofaktoren. Das Ergebnis ist eine Web-App. Die cloudbasierte Software funktioniert im Browser und muss nicht auf dem Endgerät des Nutzer installiert werden.

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Patienten erhalten den Link zu dem digitalen Fragebogen, wenn sie einen Arzttermin vereinbaren – per Mail oder QR-Code. „Damit lassen sich Routineprozesse in der Gesundheitsversorgung optimieren und effizienter gestalten“, sagt Juraj Kralj, der bei Tomes für das Marketing verantwortlich ist. Die Antworten der Patienten lassen sich Ende-zu-Ende-verschlüsselt und DSGVO-konform in die Praxis-Software des Arztes übertragen.

Es gibt Fragebögen für unterschiedliche Anforderungen. Ein spezieller Fragenkatalog zu Infektionen mit dem Coronavirus steht seit einigen Tagen zur Verfügung, für Ärztinnen und Ärzte drei Monate lang kostenfrei. Das Startup hofft, damit seine Bekanntheit zu steigern.

Erste Roboter an Krankenhäuser in China verkauft

Tomes steht noch am Anfang seiner Unternehmensgeschichte. Mehr als 20.000 Anamnesen hat das Startup mit seiner Software schon erhoben. Bei einer Crowdfunding-Kampagne im Jahr 2018 sammelte die auf zehn Mitarbeiter gewachsene Firma 500.000 Euro ein. Einen prominenten Unterstützer hat das junge Unternehmen in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gefunden. Sie nahm die Software in ihr Modellprojekt Zukunftspraxis auf, das Chancen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen aufzeigen soll. „Das war für uns ein wichtiger Meilenstein“, sagt Juraj Kralj.

Desinfektionsroboter von UVD

Andere Startups verfolgen eher technologische Ansätze: Ein Beispiel ist der Desinfektionsroboter des 2016 gegründeten Startups UVD Robots aus Dänemark, der mit UV-Licht Bakterien und Viren auf Oberflächen abtöten soll. Er ist mit Röhren ausgestattet, die UV-Licht ausstrahlen. Wie es bei dem Unternehmen heißt, wurden die ersten Maschinen an Krankenhäuser in China verkauft.

Jürgen Stüber schreibt bei Gründerszene über die digitale Gesundheitswirtschaft. Jeden Freitag lest ihr hier die Kolumne Healthy Business, die einen Blick auf die Gesundheitsbranche wirft.

Bilder: Tomes, UVD; Mitarbeit: Hannah Scherkamp

 

Update-Hinweis: Teleclinic hat seine Angaben zu Virusinfektions-Sprechstunden aktualisiert. Der Text wurde entsprechend geändert. In einer früheren Version hatte es geheißen, das Startup habe hier keinen signifikanten Anstieg registriert.