Die Kundin zeigt in der Apotheke ihr elektronisches Rezept.
Die Kundin zeigt in der Apotheke ihr elektronisches Rezept.

In einem Jahr, am 1. Juli 2021, soll das E-Rezept in Deutschland verfügbar sein. Die Gematik, der Software-Dienstleister des Bundesgesundheitsministeriums, hat dazu jetzt eine Dokumentation veröffentlicht. Sie definiert auf mehreren Hundert Seiten die technischen Vorgaben für die Umsetzung von E-Rezepten, „damit Hersteller und Anbieter die entsprechenden Produkte entwickeln können“, so Gematik-Sprecherin Johanna Braun. Keine leichte Aufgabe, geht es doch auch um Datenschutz und den sicheren Verkauf verschreibungspflichtiger Produkte. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit seien bei der Erstellung der Spezifikationen eingebunden gewesen, sagte Braun. Sie werden auch die Umsetzung der Komponenten sowie den Produktivbetrieb begleiten.

E-Rezept nach der Videosprechstunde

Erste Vorläufer gibt es bereits, wenn auch nur für Selbstzahler. So bietet die Videosprechstunde Zava seit Februar gemeinsam mit dem Apothekendienstleister Noventi die Möglichkeit, mit elektronischen Rezepten Medikamente in einer der 5.000 Apotheken zu kaufen, die mit Noventi kooperieren. Das sind 30 Prozent aller Apotheken in Deutschland. Abgewickelt wird die Bestellung über die Apotheken-Plattform Callmyapo. „Der Patient sagt nur seinen Namen In der Apotheke“, so eine Zava-Sprecherin. Ferner kann der Kunde sein Medikament über den Online-Versender Shop Apotheke liefern lassen.

Ähnlich ist das Konzept bei Teleclinic: Die Telemedizin-Plattform arbeitet mit dem Apotheken-Dienstleister apotheken.de zusammen, dem sich 7.000 Apotheken angeschlossen haben. Patienten können sich das verordnete Medikament wahlweise von einer Versandapotheke liefern lassen oder es in ihrer Wunsch-Apotheke abholen. Gründerin Katharina Jünger erläutert auf Anfrage von Gründerszene: „Beim Einlösen in einer Apotheke vor Ort wird das Rezept von Teleclinic über eine sichere Verbindung digital direkt an die vom Patienten ausgewählte Apotheke verschickt. In der Apotheke weist der Patient sich dann über einen Abholcode aus, den er in der Teleclinic-App erhält.“

Die schwedische Videosprechstunden-Plattform Kry versendet „elektronische“ Rezepte per Fax an die Wunschapotheke des Kunden – jedenfalls solange die Telematik-Infrastruktur noch nicht steht – oder liefert Medikamente über die Verandapotheke Docmorris aus.

So funktioniert das E-Rezept

Die Gematik hat mit ihrer Dokumentation jetzt einen allgemeinverbindlichen und barrierefreien Ansatz entwickelt: Der Arzt erstellt das elektronische Rezept, das einen QR-Code enthält, in seiner Praxissoftware. Der Patient entscheidet, ob er es ausgedruckt oder auf seinem Smartphone in einer App erhalten möchte. Entscheidet er sich für die digitale Variante, wählt er in seiner App eine Apotheke aus. Das gibt der Apotheke die Zeit, das Medikament bei Bedarf zu beschaffen. Bietet die Apotheke einen Botendienst an, kann die Arznei auch geliefert werden. Der Patient geht mit seinem Papier- oder E-Rezept auf dem Smartphone in seine Apotheke und zeigt den QR-Code vor. Der Apotheker greift über den Code auf das eigentliche Rezept in der Telematikinfrastruktur zu und die Abgabe des Medikamentes erfolgt.

Damit ist sichergestellt, dass das E-Rezept kein exklusives Angebot für Besitzer von Smartphones bleibt. Statista zufolge beträgt der Anteil der Smartphone-Nutzer an der Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2018 rund 81 Prozent.

Das E-Rezept könnte Startups Chancen für neue Geschäftsmodelle bieten, erwartet Julian Braun, Director Legal des Company Builders HeartbeatLabs. „Als Unternehmen muss man aber wissen, dass die Gematik selbst den Auftrag hat, eine E-Rezept-App zu bauen, die primär zum Zug kommen soll.“ Jedoch: „Die E-Rezept-Apps von Unternehmen können von den Patienten deshalb nur an zweiter Stelle genutzt werden.“ Daher ist zu erwarten, dass E-Rezepte erstmal in der Gematik-App landen und von den Patienten dann anschließend – soweit sie das wünschen – in eine andere App von einem Drittanbieter übertragen werden können. „Bevor die Produkte in der Telematikinfrastruktur zum Einsatz kommen können, benötigen diese eine Zulassung bzw. Bestätigung durch die Gematik“, so Sprecherin Johanna Braun.

Und kommt das E-Rezept pünktlich zum angekündigten Termin? „Ich denke ja. Mit dem Patientendatenschutzgesetz sind so ziemlich alle Weichen gestellt. Die müssen dann ,nur noch‘ umgesetzt werden. Aber ich bin zuversichtlich“, sagt Julian Braun.

Einen positiven Nebeneffekt hat das elektronische Rezept: Es beendet die Zettelwirtschaft in Apotheken und schont Ressourcen. Noventi, ein Abrechnungs-Dienstleister für Apotheken, verarbeitet nach eigenen Angaben jeden Monat mehr als 14 Millionen Rezepte, das entspricht mehr als zehn Tonnen Papier.

Jürgen Stüber schreibt bei Gründerszene über die digitale Gesundheitswirtschaft. Jeden Freitag lest ihr hier die Kolumne Healthy Business, die einen Blick auf die Gesundheitsbranche wirft. Die Kolumne der vorigen Woche findet ihr hier:

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Foto: Getty/Westend61