Die Molekularbiologin Zsuzsanna Varga leitet das Programm „G4A Partnerships“ des Pharmakonzerns Bayer.
Die Molekularbiologin Zsuzsanna Varga leitet das neue Programm „G4A Partnerships“

Bayer holte schon 2013 Startups ins Boot – als viele andere Pharmakonzerne daran noch nicht dachten. Inzwischen haben 150 Gründerteams den Accelerator Grants4Apps durchlaufen. Daraus sind laut Bayer 29 Kooperationen entstanden – eine Erfolgsquote von 20 Prozent. 

Der Konzern richtet das Programm neu aus: Die Molekularbiologin Zsuzsanna Varga leitet das Programm künftig und setzt andere Akzente. „Die Digital-Health-Branche ist in den vergangenen sechs Jahren reifer geworden“, sagt sie. Eine App zu entwickeln, die den Pulsschlag aufzeichnet, reiche heute nicht mehr. Trotzdem werde Bayer auch weiterhin nach Startups suchen.

Die Geschäftsmodelle der jungen Firmen rücken für den durch die Glyphosat-Krise belasteten Konzern verstärkt in den Mittelpunkt. Gründerinnen und Gründer müssen eine Antwort auf die Frage wissen, wer für ihre Anwendung bezahlen soll. Das zu definieren, sei für Gründer früher eine große Herausforderung gewesen. Inzwischen hätten sie aber bereits häufig Kooperationen mit Krankenkassen oder Unternehmen angebahnt, heißt es bei Bayer. Fortschritte gibt es auch bei der im Gesundheitswesen so ausgeprägten Regulatorik. Startups würden das heute viel mehr als noch vor einigen Jahren berücksichtigen.

Präzisionsmedizin und digitale Therapien

Auch Daten spielen für die Gründerteams mittlerweile eine immer wichtigere Rolle: Mathematische Methoden erlauben präzisere Prognosen. Digitale Therapien ersetzen oder ergänzen zunehmend molekulare Medikamente. Künstliche Intelligenz verbessert die Diagnostik und beschleunigt die Pharmaforschung.

Die neue G4A-Chefin hat drei Fokus-Bereiche identifiziert: Frauengesundheit, Therapien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und digitale Therapieformen. „Wir wollen den Patienten ganzheitlich betrachten und nicht erst dann, wenn es schon zu Krankheiten gekommen ist.“ 

Langfristige Partnerschaften angestrebt

Diese neue Herangehensweise bedingt auch, dass die bisherigen drei Startup-Programme, der „Accelerator“, „Dealmaker“ und „Generator“ in einem Angebot gebündelt werden: G4A Partnerships. „Der Unterschied zu früheren Programmen besteht darin, dass wir frühzeitig fokussiert an Projekten arbeiten und langfristigere Partnerschaften anstreben wollen“, sagt Varga. Das gehe über die herkömmliche Frist von drei Monaten hinaus.

Am Anfang stehen künftig von Bayer gesetzte „Business Challenges“, für die Startups ihre Lösungen pitchen. Nach dem Auswahlverfahren gibt es neben einer Auftaktfinanzierung von 50.000 bis 100.000 Euro weitere Zahlungen, wenn Startups Meilensteine erreichen.

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Code soll Medikamente ersetzen 

Das Thema Digitale Therapien ist für Varga „superspannend“, wenngleich der Begriff zu einem Buzzword geworden sei. Ein großes Geschäft sieht Varga vor allem auf den Gebieten psychische Gesundheit und Schmerztherapie. „Es ist für einen Pharmakonzern spannend, mehr in diese Richtung zu schauen, wie man medikamentöse Therapien komplementieren könnte. Vielleicht gibt es hier auch Bereiche, die Geschäftsfelder komplett verändern.“

Tiefgreifende Veränderungen erwartet sie auch auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. „Ich sehe das größte Potenzial von Künstlicher Intelligenz in der frühen Forschung bei der Entwicklung neuer Medikamente“, sagt Varga. Denn es dauert zehn Jahre, bis ein erfolgreiches Medikament auf den Markt kommt. „Durch Zellsimulation, Organ- und Patientensimulation lässt sich diese Zeit verkürzen und es können effizientere Medikamente identifiziert werden.“

KI-Startup simuliert Krebszellen

Ein erfolgreiches Beispiel sei hier das Startup Turbine.AI, das den Accelerator 2016 absolvierte. Das Team aus Ungarn simuliert Krebszellen. „Es testet Therapien und kann auch vorhersagen, welchen Resistenzen die Krebszellen gegen ein Medikament entwickeln können“, sagt Varga. „Die Technologie hat das Potenzial, unsere Forschungszeit zu verkürzen.“

Bayer setzt auf langfristige Projekte. „Es geht nicht darum, irgendwas mit Startups zu machen“, grenzt Zsuzsanna Varga ihren Ansatz von früheren Konzepten ab. Im April werden die ersten Challenges bekanntgegeben.

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Bild: Bayer