Das Kenkou-Management (von links): Timur Khamrakulov (CTO), Maximilian Grönemeyer (CEO), Alexander Gorny (CPO) und Matthias Puls (COO)
Das Kenkou-Management (v.l.): Timur Khamrakulov (CTO), Maximilian Grönemeyer (Gründer und CEO), Alexander Gorny (Gründer und CPO) und Matthias Puls (COO)

Dass zu viel Stress nicht gesund ist, wissen die meisten. Wer oft gestresst ist, riskiert etwa Bluthochdruck oder gar einen Herzinfarkt. Ein Bochumer Startup will helfen, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen: Kenkou hat eine App entwickelt, die das Stresslevel ihrer Nutzer misst und Übungen zum Runterkommen empfiehlt.

Als „Anti-Stress-Coach für die Hosentasche“ bezeichnet Gründer Maximilian Grönemeyer sein Produkt. Die Messung des Stresslevels erfolgt nämlich direkt über das Smartphone. „Wir nutzen die Handykamera als Mikroskop“, erklärt Grönemeyer. Der Nutzer legt seinen Zeigefinger 60 Sekunden lang auf die Rückkamera des Geräts, die App misst darüber die sogenannte Herzratenvariabilität. Das sind die Abstände zwischen den  einzelnen Herzschlägen. Aus ihnen ermittelt der Kenkou-Algorithmus das Stresslevel der User. Für diese Technologie habe Kenkou Patente in Russland und Amerika, in Europa sei ebenfalls eines angemeldet, sagt Grönemeyer. 

Der 40-Jährige gründete Kenkou 2015 gemeinsam mit Alexander Gorny als Spin-off des Bochumer Grönemeyer-Instituts. Die Namensdopplung ist kein Zufall: Gründer Grönemeyer ist Neffe zweiten Grades des Institutsleiters Dietrich Grönemeyer. Inzwischen hat Kenkou nur noch den eingetragenen Firmensitz in Bochum, das Büro wurde inzwischen nach Berlin verlagert. „Hier sind wir näher an der Szene und finden mehr Mitarbeiter“, begründet Grönemeyer. 25 Angestellte habe sein Startup derzeit. 

Wer die Atmung trainiert, soll stressresistenter werden

Die Kenkou-App soll sich an alle richten, die bewusster mit dem Thema Stress umgehen möchten. „Die meisten wissen gar nicht, wann sie gestresst sind“, sagt der Gründer. Bei wem das Herz vor einer wichtigen Präsentation schneller schlage, der sei womöglich nicht gestresst, sondern nur aufgeregt. Kenkou erkenne, wann es sich wirklich um Stress handelt. In diesem Fall empfiehlt die App Atemübungen. Nach 90 Sekunden kontrolliertem Ein- und Ausatmen soll man wieder entspannt sein, so das Versprechen. Wer die Übungen einen Monat lang täglich durchführe, könne seine Stressresistenz „deutlich steigern“, sagt Grönemeyer.

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Aber kann das überhaupt funktionieren – entspannen mithilfe eines technischen Geräts? „Ich sehe da keinen Widerspruch“, so der Gründer. „Die Atemübungen holen mich wirklich runter. Da stört es mich nicht, dabei das Handy in der Hand zu haben.“ Dem Großteil der Deutschen geht es offenbar genauso: Einer Studie aus dem Jahr 2017 zufolge fühlen sich lediglich acht Prozent der Smartphone-Nutzer von ihrem Gerät gestresst.

Atlantic Labs und Florian Heinemann investierten schon

Das Konzept, Stress per Smartphone-Kamera zu messen, überzeugte namhafte Investoren. Der Cap Table von Kenkou umfasst unter anderem den Berliner VC Atlantic Labs, Nebenan.de-Gründer Christian Vollmann, Business Angel Florian Heinemann und die Brückenköpfe, zu denen auch Ex-Fußballer Philipp Lahm gehört. Sie steckten insgesamt 3,4 Millionen Euro in das Startup. 

Dabei ist dessen Produkt noch gar nicht fertig: Seit dem Launch Mitte 2017 besteht es aus drei verschiedenen Applikationen – eine für die Messung, eine, die erkennt, ob der Nutzer aufgeregt oder gestresst ist, und eine für die Atmungsübungen. Erst Ende 2018 sollen alle Funktionen in eine App verpackt sein, sagt Grönemeyer. Dann werde es die App auch im Android-Store geben, momentan ist sie nur für Apple-Nutzer erhältlich. 1.000 User hätten die drei Apps insgesamt pro Tag, sagt Grönemeyer. Noch ist die Nutzung kostenlos. Auch das ändert sich zum Jahresende: Dann soll die Anwendung 9,99 Euro pro Monat kosten.

Für die Zukunft schwebt dem Gründer mehr vor als die kurzfristige Stressmessung. Derzeit arbeite sein Team an einem smarten EKG-Messgerät, das unter der Brust aufgeklebt wird und die ermittelten Herzdaten direkt in die Kenkou-App überträgt. Außerdem könne man die Messtechnik etwa auch in Autos einsetzen: Am Lenkrad könnten etwa Sensoren angebracht werden, die den Stresspegel des Fahrers messen – und ihm rechtzeitig empfehlen, rechts ran zu fahren und eine Atemübung zu machen. 

Bild: Kenkou