Digitale Arzneimittel und Therapien aus dem Computer zählen zu den großen Hoffnungen der Gesundheitswirtschaft. Ihre Vertreter sehen hier Potenziale, zumal sich mit Anwendungen, die eine medizinische Evidenz nachweisen, künftig leichter Geld verdienen lässt. Denn das neue Digitale Versorgungsgesetz ebnet Smartphone-Apps auf Rezept den Weg in die Regelversorgung. Strukturierte Daten gewinnen an Bedeutung und drängen chemische Medikamente in Zukunft zurück.

Project A: Chronische Krankheiten managen

„Wir schauen uns das Management von chronischen und schweren Krankheiten an“, sagt Nina Jetter, Investment-Managerin bei Project A Ventures. Die Fernüberwachung von Patienten (Remote Patient Monitoring) und von Patienten aufgezeichnete Daten (Patient Reported Outcomes) seien Geschäftsmodelle der Zukunft. „Zudem finden wir auch klinische Studien sehr spannend und sehen einige digitale Geschäftsmodelle, die große Probleme in diesem Bereich lösen könnten“, sagt Jetter.

Die nächste große digitale Wette im Bereich Digital Health ist für Project A die resultatorientierte Gesundheitsversorgung (Value-based Healthcare). Das setzt voraus, dass Daten zum Gesundheitszustand von Patienten strukturiert erfasst und ausgewertet werden. Hier kommen digitale Gesundheitsanwendungen zum Tragen, die durch das Digitale Versorgungsgesetz künftig schneller in die Regelversorgung aufgenommen werden sollen.

Heartbeat Labs: Fokus Digital Therapeutics

Auch Eckhardt Weber, Mitgründer und Geschäftsführer des Unternehmensentwicklers Heartbeat Labs, erwartet hier spannende Geschäftsfelder: „Ganz aktuell sehen wir uns Themen rund um das Digital-Versorgung-Gesetz (DVG) näher an und die Möglichkeiten, die sich nach der Verabschiedung des Gesetzes im deutschen Markt auftun.“ Auch die elektronische Patientenakte und das E-Rezept werden nach Webers Einschätzung die Digitalisierung im Ganzen beschleunigen.

„Bereiche wie Digital Therapeutics, Digitale Biomarker und Telemedizin werden immer relevanter und starke Unternehmen hervorbringen“, erwartet der Investor. Weber zweifelt hier am Erfolg von Insellösungen. „Wenn man aber erkennt, wie sich eine digitale Lösung in den Mittelpunkt der medizinischen Versorgung setzen kann und Diagnostika und Therapeutika davon nur noch ein Teil sind, horcht der Markt auf. Hier werden noch große Themen entstehen und die Versorgung signifikant verbessern.“

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Flying Health: Digital Drugs im Mittelpunkt

„Evidenzbasierte Startups mit aussagekräftigen klinische Studien“, sind für Lina Behrens, Direktorin für Digital Drugs bei Flying Health, die naheliegendsten Kandidaten für Beteiligung ihres Health-Tech-Inkubators. Digital Therapeutics und Digital Drugs sind ihre Wetten für die Zukunft der digitalen Medizin.

Aescuvest: Mental Health und Diabetes

Diabetes-Management ist für Frank Schwarz, Sprecher der medizinischen Crowdfunding-Plattform Aescuvest, in diesem Jahr ein besonders spannendes Thema, und auch insgesamt das wichtigste Gesundheitsthema unserer Zeit. Das Startup Emperra wird dort eine Kampagne starten. Schwarz erwartet ferner, dass Apps, die der psychischen Gesundheit dienen, der nächste große Trend im Bereich der digitalen Gesundheitswirtschaft werden.

Was berichtet Gründerszene sonst über Digital Health?

  • Ein Seriengründer, ein Entwickler, ein Projektmanager – das ist das Personaltableau eines kleinen Startups am Rande von Berlin, das Großes plant. Das Team von Smedo arbeitet an einem Gerät, das den Herzschlag mit Radarstrahlen misst. Wenn das gelingt, dürfte es in der Alten- und Krankenpflege einen Markt geben. Parallel läuft das B2C-Projekt mit dem Ziel, die Idee als neuartigen Babymonitor gegen plötzlichen Kindstod zu vermarkten. Hier geht es zum Artikel.
  • Elf Jahre nach der Gründung strebt Biontech an die Börse. Reuters berichtet über die IPO-Pläne der Mainzer Krebsforscher. Sie wollen mit ihrer personalisierten Immuntherapie bis zu 240 Millionen Euro erlösen. Hier geht es zum Artikel.
  • Der Schlaf-Coach Shleep hat von Global Founders Capital, dem Fonds der Samwer-Gründer, 1,4 Millionen Euro Finanzierung erhalten. Das Startup verfolgt ein B2B-Konzept und will mit seiner App das betriebliche Gesundheitsmanagement unterstützen. Hier ist die News.

Was war sonst noch interessant?

Standardfragen beim Arztbesuch lauteten bislang: „Rauchen Sie?“ und „Nehmen Sie Drogen?“ Sie dürften um eine weitere ergänzt werden: „Rauchen Sie elektronische Zigaretten?“ In der USA häufen sich Meldungen über mysteriöse Lungenerkrankungen, die dem „Vaping“ zugeschrieben werden, also dem Rauchen von E-Zigaretten. 530 Fälle sind bislang aktenkundig, darunter acht Todesfälle. Passt auf euch auf und bleibt gesund!

Jürgen Stüber schreibt bei Gründerszene über die digitale Gesundheitswirtschaft. Jeden Freitag lest ihr hier seine Kolumne Healthy Business, die einen kritischen Blick auf die Gesundheitsbranche wirft.

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