Auf der Suche nach dem Megatrend: Michael Gamber leitet das Merck Innovation Center

Biosensoren, Diagnostik auf der Basis von Flüssigkeitsproben (Liquid Biopsy) und künstliches Fleisch aus der Petrischale – in diesen drei Fokusfeldern will sich der Pharmakonzern Merck von Startups inspirieren lassen. Michael Gamber, der Leiter des Merck Innovation Center, erklärt im Gespräch mit Gründerszene, wie der Konzern Megatrends erkennt und beobachtet.

Dabei geht es nicht nur um neue Forschungsfelder. „Wir stellen uns die Frage, welche die neuen Player in der Branche sind“, sagt Gamber. „Google, Amazon und Apple werden relevanter.“ Die Angst, dass diese Unternehmen Geschäftsfelder kapern könnten, treibt die Industrie um. Auch Gamber weiß das, nicht nur, wenn er auf seine Apple Watch schaut, die mittlerweile den Pulsschlag und andere Daten auswertet. Um so wichtiger ist es, sein Ohr nahe an der Startup-Szene zu haben.

Sensoren sehen Krankheitsmuster

Eines dieser Felder sind die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine. Neue Sensoren helfen dabei, Daten zu generieren, auszuwerten und zu nutzen. Das können Sensoren sein, die den Blutzucker ohne Blutabnahme messen, aber auch Programme, die aus der Körpertemperatur auf Verdauungsprozesse schließen oder Sprachmuster analysieren, die ein Anzeichen für Alzheimer sein können. „Man kann Bewegungssensoren nutzen, um Muster oder Auffälligkeiten im Bewegungsablauf zu messen“, sagt Gamber. „Das bietet in der Zukunft die Möglichkeit, Krankheiten früh zu diagnostizieren.“

Ein ganz anderes Innovationsfeld stellen sogenannte Liquid Biopsies dar. „Es gibt neue Ansätze, Körperflüssigkeiten statt Gewebe für Biopsien zu nutzen, zum Beispiel den Speichel oder Rückenmarksflüssigkeit, um Erkrankungen zu diagnostizieren“, erklärt Gamber. „Daraus ergeben sich neue Strategien in der Krebsbekämpfung. Das ist für uns eine spannende Technologie .“ Bruchstücke von Genen in Körperflüssigkeiten können eine Frühdiagnose von Krebserkrankungen ermöglichen.

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Bioreaktoren für die Food-Industrie

Der Konzern schaut sich auch Themen an, die weiter vom bisherigen Kerngeschäft entfernt sind: etwa die Züchtung von Laborfleisch aus Stammzellen von Tieren. „Wir haben schon heute die Bioreaktortechnologie, die man irgendwann für die Produktion von Laborfleisch nutzen kann – zur Zeit sind diese aber natürlich noch auf die Produktion anderer Produkte ausgerichtet“, sagt Gamber. Bislang werden sie dafür genutzt, Medikamente herzustellen.

Doch das kann sich ändern: Die Schnittstelle zur Food-Industrie bietet dem Pharmakonzern neue Opportunitäten. Deshalb hat Merck in das niederländische Startup Mosa Meat investiert – übrigens zusammen mit Google-Gründer Sergej Brin. „Das ist ein langfristiges Thema, das für uns vielleicht einmal spannend wird.“ Merck werde Fleisch nicht selber produzieren. „Aber als Lieferant für Unternehmen da zu sein, der Technologien ermöglicht, ist für uns durchaus relevant.“

Gamber will sich nicht festlegen, was das interessanteste Startup war, das Merck begleitet hat. 51 junge Unternehmen haben den Accelerator des Konzerns seit September 2015 durchlaufen. 

Drohnen erkennen Pflanzenkrankheiten

Peat gehört zu den erfolgreichen. Eigentlich wollten die Gründer eine App entwickeln, mit der Hobbygärtner Pflanzenkrankheiten erkennen können. Doch dann gab es einen Pivot: „Vorstellbar ist auch, das System in eine Drohne zu implementiert, um es zu skalieren und in der professionellen Landwirtschaft den Ausbruch von Krankheiten auf großen Feldern rechtzeitig diagnostizieren zu können“, weiß Gamber.

Wachstumsstark sei auch Clustermarket aus London, das eine Art Airbnb für Laborgeräte entwickelt hat. In diesem Feld ist auch Labfolder aktiv, ein Berliner Startup, das ein digitales Laborbuch erfunden und das Startup cubuslab übernommen hat. Beide Unternehmen hatten sich im Merck-Accelerator kennengelernt und firmieren nun unter dem Namen Labforward.

Bis zum 25. August werden die nächsten zehn bis zwölf Ideen und Projekte gesucht. „Die ausgewählten Teams arbeiten drei Monate lang mit uns. Danach kooperieren wir mit den Startups, indem wir sie unterstützen oder ihre Dienstleistungen nutzen, damit wir mit dem, was wir intern machen, schneller vorankommen.“ Beim Demo Day am Ende des Programms sitzen auch die Investoren von M Ventures im Publikum. Der Wagniskapitalarm des Konzerns ist an mehr als 40 Startups beteiligt.

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Bild: Merck