Das Berliner Startup Nia Health will mit seiner Plattform Neurodermitis-Kranken helfen.
Das Nia-Team: Ekaterina Messchischwili, Tobias Seidl, Reem Alneebari, Oliver Welter und Zeynep Ece Ergin (v.l.)

4,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Neurodermitis, einer chronisch-entzündlichen Hauterkrankung, die in Schüben auftritt. Sie geht mit zum Teil quälendem Juckreiz einher, unter dem vor allem Kinder leiden. Das Startup Nia Health aus Berlin will Patienten und ihren Angehörigen dabei helfen, die Krankheit besser zu verstehen. 

Betroffene Mutter und Ärztin gründet

„Wenn das eigene Kind leidet, möchte man natürlich alles dafür tun, um die Situation schnell und nachhaltig zu verbessern“, erklärt Reem Alneebari, Mitgründerin des Startups, ihre Motivation. Sie ist Dermatologin und Mutter einer an Neurodermitis erkrankten Tochter. Als Ärztin habe sie die Erfahrung gemacht, dass es Patienten oder Eltern von Kindern mit Neurodermitis oft an medizinischem Wissen fehle, um auch außerhalb des Behandlungszimmers bestmöglich mit der Krankheit umzugehen. Die App Nia setze hier an. Sie solle mehr bieten als eine Tagebuch-Funktion, wie sie von Apps aus anderen Krankheitsfeldern angeboten werden. 

Betroffene dokumentieren in der App Symptome Juckreiz oder Schlafstörungen und können auftretende Schübe beschreiben. Dort erhalten sie auch Informationen der Agnes Curriculum, der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung. Diese Infos waren bislang nur offline verfügbar, sie geben Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen konkrete Handlungsempfehlungen. Das schließt Medikamente, die Einflüsse von Ernährung und Psychologie, Bewegung und Körperpflege ein.

Videosprechstunde mit Experten

Doch das sei erst der Anfang, wie Mitgründer Tobias Seidl ankündigt: „Seit Anfang 2019 analysiert unsere Künstliche Intelligenz Patientendaten.“ Der Machine-Vision-Algorithmus untersuche Bilder von entzündeten Hautpartien. „Unser Ziel ist es, Muster zu erkennen, damit wir Ärzten und Patienten Empfehlungen geben können“, so Seidl. Eine Basisversion von Nia ist seit wenigen Tagen kostenfrei in den App Stores von Apple und Google verfügbar.

Man wolle Patientinnen und Patienten auch per Videosprechstunde telemedizinisch betreuen. Nia verfügt dazu über ein Netzwerk von Dermatologen. Die auf der Plattform hochgeladenen Daten dienten den Fachärzten als erste Information und Gesprächsgrundlage für eine Behandlung, heißt es von dem Startup.

Chronische Hauterkrankung

Dieses Angebot kostet bislang ab 49,95 Euro pro Videosprechstunde. Das Startup verhandelt zur Zeit nach eigener Aussage mit gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen über die Erstattung dieser Kosten. Einfacher dürfte es für Nia werden, wenn zum Jahreswechsel 2020 das Digitale-Versorgung-Gesetz in Kraft tritt. Das Gesetz ermöglicht Apps auf Rezept.

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Neurodermitis ist eine chronische Hauterkrankung, an der mehrheitlich Kinder leiden. „Sie tritt ab einem Alter von drei Monaten in Schüben auf und verwächst sich in zirka 80 Prozent der Fälle nach acht Jahren“, sagt Tobias Seidl. „Die Erkrankung ist multifaktoriell und Genetik ein bedeutender Aspekt“, sagt der Mitgründer. „Die steigende Fallzahl spricht dafür, dass auch Umweltfaktoren eine wichtige Rolle spielen.“ Jeder zweite Patient sei an mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis erkrankt.

Nia ist ein Spin-off der Berliner Charité. Hervorgegangen ist das Startup aus einem Projekt, das mit einem Exist-Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert wurde. Aktuell umfasst das Nia-Team in Berlin nach Angaben des Unternehmens insgesamt sechs Mitarbeiter.

Bild: Nia Health