Um Plastikmüll zu sparen, packen John Peitschner und Carlo Hanuszkiewicz (v.l.) ihre Zahncremes in Tuben, die zur Hälfte aus Kreide bestehen.

Manchmal reicht es, Dinge anders zu denken, statt sie neu zu erfinden. Koffer mit Smartphone-Ladeakkus oder Müsli zum Selbstmischen sind zwar keine absolut bahnbrechenden Innovationen, dafür aber einfach zu verstehen. Die Neuauflage simpler Alltagsprodukte hat schon so einige Startups bekannt gemacht.

Niyok aus Berlin versucht es mit einer veganen Zahnpasta. Sie besteht hauptsächlich aus Kokosöl, auf der Rückseite der Verpackung werden Inhaltsstoffe wie Glycerin oder Xylitol und deren Bedeutung für die Paste erklärt (Xylit = „kariesbekämpfender Zuckerersatz“). Gründer Carlo Hanuszkiewicz (27) möchte mit ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen beim jungen Publikum punkten, zum Beispiel mit Blutorange-Basilikum oder Ingwer-Zitronengras.

Auf seiner Webseite schreibt das Startup, dass der „Niyok-Effekt“ eintrete, sobald sich die Geschmacksnerven und Schleimhäute vom Schaumbildner einer herkömmlichen Zahnpasta entwöhnt hätten. Nach mindestens sieben Tagen spüre man den Unterschied, heißt es dort. Eine Journalistin der Tageszeitung Taz testete die Zahncreme im Mai und kritisierte, dass Frischegefühl und Mundgeruchschutz nach dem Zähneputzen mit Niyok auf der Strecke blieben.

Gewöhnungssache, meint Gründer Hanuszkiewicz. Im Gespräch mit Gründerszene erklärt er, dass die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher seit ihrer frühen Kindheit Zahncremes mit Pfefferminzaroma benutzten – und deshalb ein paar Tage Zeit bräuchten, sich auf den milderen Geschmack seiner Paste einzustellen.

Was sucht das Öl in der Zahnpasta?

Kokosöl wird nach ayurvedischer Tradition unter anderem zum sogenannten Ölziehen verwendet, einer Methode, bei der Anwederinnen und Anwender einen Esslöffel Öl wie eine Mundspülung verwenden und anschließend ausspucken. Das soll gegen Bakterien im Mund helfen. Auch die Macher von Niyok bewerben ihre Paste, übrigens ein Kosmetikum und kein zugelassenes Arzneimittel, als „antibakteriell und entzündungshemmend“. Stiftung Warentest riet Ende 2018 aber davon ab, ausschließlich auf Kokosöl als Kariesschutz zu setzen.

Hanuszkiewicz hat BWL studiert. Er erzählt, dass er Ende 2017 mit Schneebesen und Schüssel in seiner Küche Zutaten zusammenrührte, die er zuvor auf Amazon bestellt hatte: „Wenn die Mischung nicht schäumte oder zu flüssig war, habe ich beim Vater eines guten Freundes angerufen, der Chemiker ist, und mir Tipps geben lassen.“ Mit dem Ergebnis habe er sich fortan die Zähne geputzt. Die heutige Niyok GmbH gründete er 2018 zusammen mit John Peitschner. Später durchlief das Unternehmen das Förderprogramm des Startup Incubator Berlin.

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Im Paket verlangen die Gründer für drei 75-Milliliter-Tuben ihrer Zahnpasta circa 15 Euro. Erhältlich ist sie über den firmeneigenen Onlineshop und laut Hanuszkiewicz auch stationär im Einzelhandel, beispielsweise bei Alnatura. Produziert werde die Zahncreme von einem Lohnabfüller in Deutschland, der an dem Startup beteiligt ist, wie aus dem Handelsregister hervorgeht. Über Umsätze und Verkaufszahlen will Gründer Hanuszkiewicz nicht sprechen.

Zahnpasta und Lifestyle – so inszeniert das Startup Niyok sein Produkt auf Instagram:

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In den Zahnpflege-Markt setzen gleich mehrere Gründungsteams große Hoffnungen. In den vergangenen zwei Jahren schossen in Deutschland zahlreiche Startups aus dem Boden, die das Geschäft mit Zahnspangen digitalisieren wollten. Außerdem ist da das Münchner Startup Happybrush, dessen elektrische Schallzahnbürsten und vegane Zahncremes zum Beispiel bei DM in den Regalen stehen. Auch das Kosmetik-Startup Jean & Len von Ex-TV-Moderator Leonard Diepenbrock hat Zahnpasta im Sortiment.

Nicht immer geht beim Markteintritt der jungen Dental-Anbieter alles gut: Gegen das österreichische Startup Amabrush, das eine angeblich „vollautomatische Zahnbürste“ entwickelt hatte, ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf schweren Betrug. Später musste es Insolvenz anmelden. Beim Zahnfleischgel Parodont gab es nach dem Auftritt seiner Erfinder in der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ im Jahr 2017 Ärger wegen irreführender Werbeaussagen. Mit der Sache beschäftigte sich auch ein Gericht, eine einstweilige Verfügung gegen das Startup wurde später aber wieder aufgehoben.

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Bilder: Niyok, Collage: Gründerszene