Influencerin Kathrin Benedikt präsentiert ihren 100.000 Instagram-Followern den Millionfriends-Sensor an ihrem Oberarm.

Es ist eines dieser Bilder, die Instagram täglich millionenfach in die Feeds seiner Nutzer spült: eine junge Frau in einer aufgeräumten Wohnung. Sie trägt ein Sommerkleid und hält eine Kokosnuss in der Hand. Neben ihr ein Blumenstrauß, unter ihrem Stuhl eine Katze, draußen Sonnenschein und grüne Idylle. So weit, so normal. Ungewöhnlich ist nur das weiße Ding, das an ihrem Oberarm klebt. Es ist ein Sensor, den Menschen mit Diabetes unter und über der Haut tragen, um ihren Blutzuckerspiegel zu messen.

Nur ist die Frau, der auf Instagram 14.000 Menschen folgen, keine Diabetikerin – zumindest zeigt sie sich nirgends als solche. Mit dem Tragen des Sensors wirbt sie für ein Lübecker Startup. „Wir haben den Sensor zweckentfremdet“, sagt Dominik Burziwoda zu Gründerszene. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer von Perfoods, das den Sensor mehreren Influencern in Deutschland zugeschickt hat. Millionfriends, so der Name des Produkts, soll eine Art digitaler Ernährungsberater sein. Der Sensor misst den Blutzuckerspiegel und sendet die Daten an das mitgelieferte Lesegerät. Zusätzlich führt der Nutzer über eine App ein Ernährungs- und Bewegungstagebuch.

Perfood gibt an, einen lernenden Algorithmus entwickelt zu haben, der die Daten des Sensors, des App-Tagebuchs und einer Stuhlprobenanalyse (die muss der Kunde im Röhrchen an Perfood zurückschicken) zusammenführt und auswertet. Das System empfiehlt dann, was Kunden wann und in welcher Kombination (Fett und Eiweiß beispielsweise) essen sollten – und was lieber nicht.

Der Blutzucker steuert unseren Hunger. Fällt er rapide ab, zum Beispiel nach dem Verzehr eines Schokoriegels, knurrt uns nach relativ kurzer Zeit wieder der Magen. Wann und wie stark das passiert, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich: Einige vertragen Weißbrot abends besser als Vollkornbrot, andere hält eine Banane morgens länger satt als eine Schüssel Haferflocken. Rasch sinkende Blutzuckerspiegel können zu Heißhungerattacken führen.

Diabetes-Sensoren als Lifestyle-Produkt

Perfood-Macher Burziwoda erklärt, dass durch die personalisierten Ernährungsempfehlungen ein stabiler Blutzuckerspiegel hergestellt werden soll. So sollen Kunden zum Beispiel Gewicht verlieren. Zwei Wochen lang müssen sie dafür den Sensor auf der Haut tragen, eine bewegliche Nadel im Gewebe. Das Prozedere ist angeblich schmerzfrei, so stellen es zumindest die Influencer und der Pharmakonzern Abbott dar, von dem das Gerät kommt.

 

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299 Euro kostet ein Testkit für Privatleute. Eines Tages, so wünschen es sich die Gründer, soll ihr Angebot von der Krankenkasse erstattet werden. Nach etwa einem Jahr am Markt zähle man eine Teilnehmerzahl in vierstelliger Höhe, heißt es von Burziwoda. Er sagt, dass sein Unternehmen für 2019 einen siebenstelligen Jahresumsatz anstrebe. Hervorgegangen ist Perfood 2017 aus einem Forschungsprojekt am Institut für Ernährungsmedizin der Universität Lübeck.

Rund sechs Millionen Menschen in Deutschland haben Diabetes. Der ein oder andere von ihnen dürfte sich über das Angebot der Lübecker ärgern. Denn für Diabetiker ist es medizinisch notwendig, ihren Blutzuckerspiegel etwa mithilfe eines Sensors am Arm oder eines Stichs in den Finger zu überwachen. Das ist lästig bis unangenehm. Die Perfood-Influencer inszenieren das Messen dagegen als Lifestyle-Entscheidung. Ein Luxus mit Zugangsschranke.

Bild: Kathrin Benedikt